Odratzheim (Elsass)
Das kleine unterelsässische Dorf Odratzheim mit derzeit kaum 500 Einwohnern ist ca. 18 Kilometer westlich von Straßburg im Kanton Molsheim gelegen (Ausschnitt der hist. Landkarte von 1905 ohne Eintrag von Odratzheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
In Odratzheim existierte eine traditionsreiche jüdische Gemeinde, die bis in die 1870er Jahre eine relativ konstante Anzahl an Angehörigen umfasste. Vermutlich hatten sich bereits im Laufe des 16.Jahrhundert vereinzelt Juden hier niedergelassen; einige stammten aus dem nahen Dangolsheim; von hier waren sie vertrieben worden.
Der Anteil der Juden an der Dorfbevölkerung von Odratzheim machte in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts immerhin ca. 40% (!) aus.
Ihre erste Synagoge stammte aus der Zeit um 1730; auf Grund der wachsenden Zahl der Gemeindeangehörigen erfuhr das Gebäude 1819 eine bauliche Erweiterung. Wenige Tage vor Ausbruch des Dt-Französischen Krieges wurde an gleicher Stelle ein neues Synagogengebäude eingeweiht.
Synagoge in Odratzheim (Aufn. aus: Rothé)
Zudem zählten zu den gemeindlichen Einrichtungen eine Religionsschule und eine Mikwe.
Verstorbene wurden in der Frühzeit der Gemeinde im benachbarten Dangolsheim begraben, ehe dann seit dem 18.Jahrhundert ein eigenes Begräbnisgelände zur Verfügung stand, das gemeinsam mit den Juden aus Romansweiler benutzt wurde.
Älterer Teil des jüdischen Friedhofs in Romansweiler/Romanswiller (Aufn. J. Hahn, 2004)
Die jüdische Gemeinde Odratzheim gehörte dem Bezirksrabbinat Westhoffen an.
Juden in Odratzheim:
--- 1784 ........................ 39 jüdische Familien (ca. 180 Pers.),
--- 1808 ........................ 208 Juden,
--- 1838 .................... ca. 260 " (ca. 42% d. Bevölk.),
--- 1846 ........................ 221 “ ,
--- 1861 ........................ 167 “ ,
--- 1870 ........................ 182 “ (ca. 37% d. Bevölk.),
--- 1910 ........................ 57 “ ,
--- 1936 ........................ 13 “ ,
--- 1953 ........................ 4 " .
Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 41
Im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts ging der jüdische Bevölkerungsanteil in Odratzheim deutlich zurück; zu Beginn der 1930er Jahren lebten hier nur noch sehr wenige Familien.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden elf aus Odratzheim stammende jüdische Bewohner Opfer der NS-Verfolgung (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/odratzheim_synagogue.htm).
Während der deutschen Okkupation war das Synagogengebäude in Brand gesetzt worden, doch blieb es weitgehend erhalten.
Ehem. Synagogengebäude vor und nach der Restaurierung (Aufn. Rothé, um 1975 und 2009)
Jahrzehntelang war das zunächst im Besitz der Kommune befindliche Gebäude dann von privater Seite als landwirtschaftlicher Lagerraum (Scheune) benutzt worden; nach einer grundlegenden Restaurierung des Gebäudes dient nun die ehemalige Synagoge als Kulturhaus des Ortes. Nur die Rundbogenfenster an der Längsseite des Hauses erinnern heute noch an die einstige Bestimmung des Gebäudes.
Auf dem jüdischen Friedhof von Romansweiler (Romanswiller) erinnert heute ein Denkmal auch an vier Juden aus Odratzheim, die in der NS-Zeit deportiert und ermordet wurden.
Denkmal für die Shoa-Opfer (Aufn. J. Hahn, 2004)
Weitere Informationen:
Nephtalie Lévy, Odratzheim - La vie juive dans un village d'Alsace - Extrait de L'UNIVERS ISRAÉLITE,1935 (Aufsatz)
Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992
Odratzheim, in: alemannia-judaica.de