Oldenburg (Niedersachsen)
Oldenburg (Oldb) ist eine kreisfreie Stadt in Niedersachsen mit derzeit ca. 175.000 Einwohnern – etwa 40 Kilometer nordwestlich von Bremen gelegen (hist. Karten 'Großfürstentum Oldenburg 1500', aus: wikipedia.org, gemeinfrei und "Oldenburger Land" vor 1937, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.0 de und Kartenskizze 'Kreis Oldenburg', aus: ortsdienst.de/niedersachsen/oldenburg).
Juden im Oldenburger Land lassen sich bereits zu Beginn des 14.Jahrhunderts nachweisen; sie wurden 1334 im Oldenburger Stadtbuch erstmals urkundlich erwähnt; danach wurden nach einem Ratsbeschluss die Schutzverträge mit Juden nicht verlängert. Im Anschluss übte der Oldenburger Graf die Schutzherrschaft aus; dieser gestattete „seinen“ Juden als einzige wirtschaftliche Betätigung nur den Geldhandel bzw. –verleih. Im Zuge der Pestpogrome Mitte des 14.Jahrhunderts wurden die jüdischen Familien vermutlich von hier vertrieben; denn danach wurden nur noch sehr sporadisch Juden erwähnt. Seit dem 16.Jahrhundert lebten die meisten norddeutschen Juden auf dem Lande - zumeist als Viehhändler, Hausierer und Gebrauchtwarenhändler. Einzelne von ihnen erhielten die Erlaubnis, sich in der Herrschaft Jever, in der Grafschaft Oldenburg oder im Niederstift Münster niederzulassen - doch stets unter einschränkenden Bedingungen.
Erst ab Ende des 17.Jahrhunderts durfte sich wieder eine jüdische Familie - mit einen Schutzbrief des dänischen Königs Christian V. ausgestattet - in Oldenburg niederlassen; weitere folgten nach – gegen heftigen Widerstand des städtischen Magistrats. Diese Politik setzte sich auch dann fort, als Oldenburg wieder ein selbstständiges Land wurde. Bis 1780 konnten sich insgesamt 23 jüdische Familien im Land Oldenburg niederlassen.
Oldenburg - colorierte Stiche, um 1820/1830 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Um 1810 lässt sich urkundlich wieder eine Judengemeinschaft in Oldenburg nachweisen; zur napoleonischen Zeit erhielten die Juden Oldenburgs den Status gleichberechtigter Staatsbürger mit voller Gewerbefreiheit. Doch schon nach dem Wiener Kongress (1815) verschlechterte sich die rechtliche Stellung wieder, als der damalige Herzog Peter Friedrich Ludwig wieder Schutzbriefe für Juden einführen und alte Restriktionen aufleben ließ. Dessen antijüdische Gesinnung wurde in der 1827 erlassenen „Judenordnung für Oldenburg“ deutlich, die selbst für die damalige Zeit als ausgesprochen reaktionär galt. Doch trotz aller Nachteile brachte die „Judenordnung“ einen gewissen Vorteil mit sich: Für das Land Oldenburg wurde das Amt eines jüdischen Landesrabbiners geschaffen, das die religiösen Angelegenheiten überwachen und das jüdische Schulwesen beaufsichtigen sollte.
Erster Oldenburger Landesrabbiner war Dr. Nathan Marcus Adler.
Als Sohn eines Gelehrten (und späteren Rabbinatverwalter) wurde Nathan Marcus Adler im Jahre 1803 in Hannover geboren. Nach seinem Studium in Würzburg (Theologie, Philologie) promovierte er 1828 in Erlangen. Im Alter von nur 25 (!) Jahren wurde Dr. Adler zum herzoglichen Landesrabbiner im Herzogtum Oldenburg ernannt; doch bereits ein Jahr später übernahm er das Landrabbinat Hannover. Während seiner Zeit in Hannover engagierte er sich u.a. für die Reform des jüdischen Schulwesens. Nach einer erfolglosen Bewerbung als Rabbiner in Berlin trat er 1844 die Nachfolge von Solomon Hirschell als „Chief Rabbi“ (Oberrabbiner) Britanniens an. 1890 starb Dr. Nathan Marcus Adler in Brighton. Sein Sohn Hermann Adler übernahm dessen Amt als Oberrabbiner des Commonwealth.
Die Nachfolge von Dr. Nathan Marcus Adler in Oldenburg trat im Jahre 1830 Samson Raphael Hirsch an.
Raphael Samson Hirsch (1808–1888) galt als führender Vertreter des orthodoxen Judentums im Deutschland des 19.Jahrhunderts und Begründer der Neo-Orthodoxie. In Oldenburg amtierte Hirsch in den Jahren 1830 bis 1841 als Landesrabbiner. Hier verfasste er seine beiden wichtigsten Werke („Neunzehn Briefe über Judenthum“ und „Choreb oder Versuche über Jissroels Pflichten in der Zerstreuung“). Nach mehrjährigen Tätigkeiten in Emden und Nikolsburg/Mähren erhielt Hirsch einen Ruf als Rabbiner der orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft aus Frankfurt/M.; dieses Amt über er fast vier Jahrzehnte aus. Hirsch führte einige Änderungen in der Liturgie ein, wie z. B. die Teilnahme der Gemeinde an den Gesängen und monatlich eine Predigt in der „nationalen Kultursprache“, d. h. Deutsch. Doch gleichzeitig verteidigte er die hebräische Sprache als einzig angemessene Sprache für Gebet und Unterricht in jüdischen Fächern.
Seine Nachfolger im Amt waren: Rabbiner Bernhard Wechsler (1841-1874), Rabbiner Dr. Jacob Glück (1875-1890), Rabbiner Dr. David Mannheimer (1891-1819), Rabbiner Dr. Philipp de Haas (1920-1935), Rabbiner Josef Herbst (1935/1936) und Rabbiner Dr. Leo Trepp (1935-1938).
Bernhard Wechsler (geb. 1807 in Schwabach/Franken), Sohn eines Ellenwarenhändlers, besuchte die Talmud-Schule in Fürth und wurde Jahre später zum Rabbiner ordiniert. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Landesrabbiner des Rabbinats für die Provinz Birkenfeld (Sitz Hoppstädten) wurde Bernhard Wechsler Nachfolger des Rabbiners Samson Raphael Hirsch in Oldenburg (1841). Mehr als drei Jahrzehnte - bis zu seinem Tode (1874) - übte er dieses Amt aus. Während seiner langjährigen Amtszeit in Oldenburg hatte er sich - auch bei der christlichen Bevölkerung - hohes Ansehen erworben.
David Mannheimer (geb. 1863) machte nach dem Schulbesuch in Darmstadt eine universitäre Ausbildung in Berlin und Wien; gleichzeitig besuchte er das Rabbinerseminar in Berlin. Nach seiner Promotion (1888 in Halle) amtierte er zwei Jahre als Rabbiner in Lauenburg/Pommern. 1891 wurde Dr. Mannheimer zum Landesrabbiner im Großherzogtum Oldenburg gewählt und trat damit die Nachfolge von Rabbiner Dr. Jakob Glück an. Während des Ersten Weltkrieges war er Feldrabbiner der Kaiserlichen Marine. Der streng religiös-orthodoxe Mannheimer, dergleichzeitig auch das Rabbinat derStadt Oldenburg inne hatte, geriet des öfteren in Konflikt mit den liberalen Angehörigen der Gemeinden im Landesrabbinat. 1919 starb Mannheimer in Bad Kissingen. Begraben wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Oldenburg.
Etwa 15 Jahre bekleidete der 1884 in Pyrmont geborene Philipp de Haas das Amt des Landesrabbiner in Oldenburg. Seine Ausbildung führte ihn an das Jüdisch-Theologische Seminar in Breslau, wo er 1910 die Rabbinerprüfung ablegte. Gleichzeitig hatte er an den Universitäten Breslau und Straßburg studiert und promoviert. Ab 1910 war er zweiter Rabbiner in Posen, dann in Kattowitz.1920 er folgte seine Wahl zum Oldenburger Landesrabbiner. Dr. Philpp de Haas starb 1935 an seiner Wirkungsstätte Oldenburg.
Die Oldenburger Rabbiner Dr. Philipp de Haas und Dr. Leo Trepp
Im Oldenburger Land lebten 1822 insgesamt ca. 750 Juden. In der Stadtgemeinde Oldenburg waren es 1855 - bei einer Gesamtbevölkerungszahl von mehr als 11.000 Einwohnern - 104 Juden; das entsprach 0,9% der Bevölkerung.
In einem allgemein gehaltenen Bericht über die Oldenburger Judenschaft in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1.Jan. 1846 hieß es u.a.:
„ … Es giebt vielen Kastengeist in Oldenburg, aber so gut wie gar keinen Judenhaß. Da haben wir eine sehr löbliche und in Deutschland seltene Eigenschaft als Ausgleichung für eine schlimme. Allerdings fordern die Oldenburger Juden solche Abneigung auch keineswegs heraus. Ihr Bildungsstandpunkt ist freilich durchschnittlich nicht hoch, aber es fehlt zum Glück die Rohheit den untern jüdischen Volksklassen, wie sie sich zum Beispiel in Hamburg und Frankfurt a.M. findet ... Den herzlichen Umgang zwischen Christen und Juden hindern in Oldenburg nicht jene gehässigen, mit der Muttermilch eingesogenen Vorurtheile, die sich an anderen Orten als unübersteigliche Schranken zwischen beiden Konfessionen aufthürmen. Die Zahl der Juden in der Residenz ist freilich sehr klein … sie verschwinden ganz in der Masse der Bevölkerung. Die Haltung der Regierung hinsichtlich der Juden zeigt einen seltsamen Kontrast. Ungehindert dürfen sie jedes Gewerbe, jedes Handwerk treiben und das Zunftwesen schließt auch für sie die Meisterschaft, vollkommene Selbstständigkeit und Zwanglosigkeit nicht aus. Juden können nicht minder in den Staatsdienst eintreten ... der Landrabbiner selbst ist Staatsdiener und wird aus der Landeskasse besoldet. Der Großherzog ist den Juden sehr freundlich gesinnt; er äußerte oft sein Vergnügen an jedem intellektuellen und äußerlichen Fortschritt, den sie machen. … Der menschliche Sinn und die helle Anschauungsweise des Großherzogs für alle Dinge wird hoffentlich auch das Schutzverhältnis seiner israelitischen Untertanen in ein unbedingt staatsbürgerliches verwandeln. ...“
Als Folge der Revolutionsjahre 1848/1849 gab sich das Großherzogtum Oldenburg eine Verfassung, die Juden zu fast gleichberechtigten Staatsbürgern machte. Von 1848 bis 1933 konnte sich die Oldenburger Judenschaft relativ frei entwickeln. Die Zahl ihrer Angehörigen nahm aber nur langsam zu; während die jüdischen Gemeinden in den Marschlanden schrumpften oder sogar ganz verschwanden, verzeichneten die Gemeinden in Oldenburg, Delmenhorst und Wilhelmshaven-Rüstringen ein bescheidenes Wachstum.
Bis 1829 fanden Gottesdienste offenbar in einem angemieteten Raume statt; danach weihte die jüdische Gemeinde im rückwärtigen Gebäudeteil eines ebenfalls angemieteten Fachwerkhauses in der Mühlenstraße einen Synagogenraum ein. Dort hatte auch der Rabbiner seinen Wohnsitz.
Im Frühjahr 1854 wurde der Grundstein für einen neuen Synagogenbau gelegt; das Gebäude konnte im August 1855 eingeweiht werden.
Alte Synagoge - eingeweiht 1855 (Abb. Stadtmuseum Oldenburg)
Neben der Synagoge stand das jüdische Gemeindehaus, in dem sich auch die Religionsschule befand. 1905 wurde in der Peterstraße das neue, mit roten Ziegelsteinen errichtete Synagogengebäude eingeweiht. In der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“ vom 7. April 1905 wurde berichtet:
Oldenburg, 29. März. Die Einweihung der neuen Synagoge fand unter großer Beteiligung aller Kreise unserer Bürger heute statt. Der Großherzog ließ ein Schreiben an den Vorstand von Dresden aus richten, wo er zur Kur weilt, worin er sein Bedauern ausspricht, nicht persönlich teilnehmen zu können. Er sandte als Stellvertreter den Staatsminister Ruhstrat. Außerdem waren zugegen der Vorsitzende des Oberkirchenrates Geheimer Ministerialrat von Finkh, von jedem der drei Regimenter eine Abordnung von höheren Offizieren, der Oberbürgermeister, der Stadtsyndikus, das evangelische Oberschulkollegium, die Schuldirektoren, die benachbarten Rabbinen und viele Behörden und Deputationen. Die Gottesdienstfeier gestaltete sich besonders dadurch so erhebend, dass die Erziehungsanstalt von Ahlem bei Hannover in liebenswürdiger Weise ihren rühmlichst bekannten Knabenchor unter Leitung der Herrn Lehrers Lampe nach Oldenburg gesandt hatte zur Verstärkung unseres Kinderchores, deren hervorragende gesangliche Leistung von der Empore herab mächtig wirkte. Sechs prachtvolle Fenster mit Glasmalereien waren von Herrn Leo Steinberg aus Berlin gespendet worden mit jüdischen Emblemen , die dem Raume eine weihevolle Stimmung verleihen. Auch einzelne Mitglieder der Gemeinde hatten Gaben gespendet. Die Weiherede von Herrn Landrabbiner Dr. Mannheimer machte auf die Anwesenden einen tiefen Eindruck. Der Redner nahm die Gelegenheit wahr, einmal vor den Spitzen der Behörden das Wesen des Judentums mit anerkennenswerter Offenheit darzulegen. Diese Rede hat zweifellos dem Ansehen des Judentums in unserer Stadt sehr viel genutzt. Am Abend versammelte sich die Gemeinde zu einem Festbankett in der Union, wo in manchen schönen Toasten der schöne Friede in unserer Gemeinde gefeiert wurde.
Neue Synagoge in Oldenburg, Peterstraße (hist. Aufn. um 1910) - Modell (Stadtmuseum Oldenburg)
Stellenausschreibungen für Kultusbeamte der Oldenburger Gemeinde:
von 1854 und 1870
Der 1814 angelegte jüdische Friedhof für die Juden Oldenburgs befand sich in der Landgemeinde Osternburg, vor den Toren der Stadt gelegen; er diente auch den Juden des Ammerlandes sowie denen aus Wardenburg und Elsfleth als letzte Ruhestätte. Zuvor waren die Verstorbenen auf dem jüdischen Friedhof in Hohenberge bei Varel beerdigt worden. Die Erichtung der Trauerhalle ist für das Jahr 1921 dokumentiert; diesen achteckigen Kuppelbau – entworfen vom Oldenburger Architekten Heinrich Biebel – hatte der Kaufmann Leiser Trommer zur Erinnerung an seinen 1918 verstorbenen Sohn gestiftet.
Teilansicht des jüdischen Friedhofs mit Trauerhalle (Aufn. MJS, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und M.J.Schmid, 2010)
Zahlreiche Orte waren der Synagogengemeinde Oldenburg angeschlossen, so seit 1858 Elsfleth, Kirchhatten, Neuenbrok, Osternburg und Zwischenahn; seit 1927 gehörten auch Rastede, Wardenburg und Westerstede dazu.
Landkarte (von 1895) mit Orten, die der jüdischen Gemeinde Oldenburg angeschlossen waren (Abb. wikipedia.org/wiki/Amt_Oldenburg, aus: wikipedia.org, PD-alt-100).
Der letzte Landesrabbiner von Oldenburg war Leo Trepp.
Juden in Oldenburg:
--- um 1705 .......................... eine jüdische Familie,
--- 1793 ............................. 26 Juden,
--- 1807 ............................. 27 “ ,
--- 1820 ............................. 80 “ (in 16 Familien),
--- 1837 ............................. 110 “ (ca. 1% d. Bevölk.),
--- 1855 ............................. 104 “ ,
--- 1875 ............................. 169 “ (ca. 1% d. Bevölk.),
--- 1885 ............................. 219 “ ,
--- 1895 ............................. 196 “ ,
--- 1905 ............................. 265 “ (ca. 1% d. Bevölk.),
--- 1925 ............................. 320 “ ,
--- 1933 ............................. 279 “ ,* * andere Angabe: 320 Pers.
--- 1939 (Mai) ....................... 99 “ ,
--- 1943 (Dez.) ...................... keine,
--- 1948 ............................. 23 “ ,
--- um 2010 ...................... ca. 300 " .
Angaben aus: Zvi Asaria, Die Juden in Niedersachsen - Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, S. 467 f.
und Werner Meiners, Die Synagogengemeinde Oldenburg
Marktplatz (hist. Aufn., um 1880/90) und Lange Straße (hist. Aufn., um 1900, aus: alt-oldenburg.de)
Um 1900 gab es in Oldenburg eine Reihe für das Wirtschaftsleben der Stadt bedeutende jüdische Gewerbebetriebe, so mehrere Textil-, Schuh- und Lederwarengeschäfte. Von gewisser Bedeutung waren Hofbankier Carl Ballin und dessen Bruder Georg (Apotheker). Zur recht erfolgreichen jüdischen Kaufmannschaft zählten der Hoflieferant Wilhelm Hahlo und sein Bruder Leopold, zudem die Hofbuchhandlung S. L. Landsberg und die Fa. M. L. Reyersbach AG, die Fabrikation und Vertrieb von Fahrrädern und Musikinstrumenten in ihrer Hand hatte.
gewerbliche Kleinanzeigen jüdischer Oldenburger Geschäftsleute aus den 1860/70er Jahren:
In der Volkszählung von 1925 wurden im Oldenburger Land - ohne Wilhelmshaven - 1.025 Juden festgestellt; dies entsprach einem Bevölkerungsanteil von 0,2%; in der Stadt Oldenburg waren es 320, was 0,6% der Gesamtbevölkerung entsprach; dabei handelte es sich um drei soziale Gruppen, die untereinander kaum Kontakt hielten: die Kaufleute in der Innenstadt, die Viehhändler in den Außenbezirken Oldenburgs und eine kleine Gruppe von sog. „Ostjuden“, die als Altwarenhändler ihren schmalen Lebensunterhalt bestritten.
In einer Sitzung des Stadtmagistrats vom 22. März 1933 wurde folgender Beschluss verabschiedet:
a) Fortan ist nicht in Warenhäusern, Einheitspreisgeschäften und Konsumvereinen einzukaufen, es soll vielmehr bei den christlichen, deutschstämmigen Firmen des Mittelstandes eingekauft werden.
b) Arbeiten jeglicher Art dürfen nur an leistungsfähige, christliche, deutschstämmige Firmen vergeben werden.
c) Bücher und Zeitschriften nichtchristlicher und nichtdeutschstämmiger Verleger dürfen nicht gekauft bzw. gehalten werden. ...
d) Der Kartenverkauf für Veranstaltungen seitens der Stadt oder städtischer Unternehmungen darf nur christlichen, deutschstämmigen Firmen übertragen werden.
e) Bekanntmachungen jeglicher Art dürfen nur in Zeitungen erfolgen, die hinter der nationalen Regierung stehen
gez. Dr. R a b e l i n g
Auch in Oldenburg wurde am 1.4.1933 der reichsweit von der NSDAP ausgerufene Boykott jüdischer Geschäfte durchgeführt. Aus dem Aufruf zum Boykott vom 31.3.1933:
Im Vorfeld der „Nürnberger Gesetze” (1935) wurde auch in Oldenburg offen gegen Juden Front gemacht.
Keine Juden mehr auf dem Oldenburger Viehmarkt
Die Arbeitsgemeinschaft der Käufer und Verkäufer am neuen Nutzviehmarkt in Oldenburg hat den jüdischen Händlern die Mitteilung zugehen lassen, daß ihr Erscheinen zum Eröffnungstag, ..., nicht erwünscht ist. Diese Maßnahme ist auf Wunsch der Bauernschaft und der Deutschen Viehhändlerschaft angeordnet worden. Der Oldenburger Nutzviehmarkt ist damit der erste in Deutschland, der derartige Maßnahmen in dieser Hinsicht getroffen hat.
(aus: „Oldenburger Staatszeitung” No. 215 vom 11.8.1935)
Da die jüdischen Kinder zunehmend Beschimpfungen und Verhöhnungen ausgesetzt waren, entschloss sich 1937 der Landesrabbiner, eine zentrale jüdische Volksschule für das Land Oldenburg zu gründen, da der Besuch der städtischen Schulen kaum noch möglich war. In der Peterstraße wurde eine kleine jüdische Schule eingerichtet. Als 1938 alle jüdischen Geschäfte in der Oldenburger Innenstadt schließen mussten, versuchten deren Besitzer zu emigrieren.
"Arisierungsanzeige" von 1937
In der Reichspogromnacht vom November 1938 zerstörte der NS-Mob - der Hauptverantwortliche für alle „Aktionen“ in Oldenburg und im Umland war NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Engelbart - die Synagoge und die kleine jüdische Schule, daneben auch die Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof in Osternburg. Alle Juden Oldenburgs wurden in der Nacht verhaftet und in der Polizeikaserne am Pferdemarkt festgesetzt.
Oldenburger „Judenmarsch“ im November 1938
Während Frauen und Kinder am nächsten Morgen wieder freigelassen wurden, deportierte man die Männer zusammen mit Juden Ostfrieslands ins KZ Sachsenhausen.
„ ... Die Hauptsammelstelle befand sich auf dem Pferdemarkt. Eine weitere Sammelstelle war der Marktplatz. Im Verlauf der Nacht und des Morgens wurden die Verhafteten sämtlich zum Pferdemarkt gebracht. Frauen und Kinder wurden nach einigen Stunden wieder entlassen, zum Teil auch ältere Männer. Annähernd 40 jüdische Männer wurden jedoch weiter festgehalten und zunächst einmal in die früheren Toiletten eingesperrt. Von den Verhafteten war der älteste 80 Jahre alt, der jüngste war 15. Die Aktion auf dem Pferdemarkt leitete der SA-Brigadeführer von Oldenburg und, gewissermaßen um den Unternehmen einen amtlichen Anstrich zu geben, wurde auch der Leiter der Gestapo hinzugezogen. Im Laufe des Vormittags wurden die Verhafteten, von SA begleitet, über die Peterstraße an der niedergebrannten Synagoge vorbei, über den Friedensplatz, die Haarenstraße, die Lange Straße, den Schloßplatz und die Elisabethstraße zum Gerichtsgefängnis geführt. Dort wartete man bis zum nächsten Morgen auf die in anderen Städten Norddeutschlands Festgenommenen. Sie wurden dann mit einem Sonderzug in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Freikommen konnte innerhalb der ersten Zeit nur, wer ein Ausreisevisum vorzeigen konnte. ...” (aus: Dieter Goertz, Juden in Oldenburg 1930 - 1938, Struktur, Integration und Verfolgung, Oldenburger Studien, Band 28, Verlag Heinz Holzberg, Oldenburg 1988, S. 110 f.)
Zerstörte Oldenburger Synagoge, Nov. 1938 (Stadtarchiv Oldenburg)
Die meisten jüdischen Oldenburger Männer wurden bis Anfang 1939 wieder aus dem Konzentrationslager entlassen.
Zwischen 1933 und 1941 gelang es vielen Oldenburger Juden, sich ins Ausland zu flüchten und dort dauerhaft Aufnahme zu finden. Ende Mai 1939 lebten in Oldenburg nur noch 99 Juden, die in „Judenhäuser“ zusammenziehen mussten; das zuletzt bewohnte „Judenhaus“ lag in der Kurwickstraße 5. Gegen Ende 1943 wurden die letzten noch verbliebenen, meist älteren Juden aus dem Hause in der Kurwickstraße abgeholt und in Altersheime nach Bremen und Hamburg verbracht. Von hier aus wurden sie - via Bremen - „in den Osten“ deportiert, wo die meisten von ihnen in den Ghettos und Vernichtungslagern ums Leben kamen. Noch im Herbst 1944 wurden die Oldenburger sog. „Halbjuden“ festgenommen, um im „Arbeitslager Lenne“ im Weserbergland Zwangsarbeit zu verrichten.
Etwa 175 der 1933 in der Stadt Oldenburg lebenden jüdischen Bewohner wurden Opfer des NS-Rassenwahns.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand in der Stadt Oldenburg wieder eine jüdische Gemeinde. In Privaträumen richteten die beiden Gründer, Adolf de Beer und Ernst Löwenstein, einen provisorischen Betsaal ein (Cäcilienstraße). Später wurde das Gemeindedomizil in die Lambertistraße verlegt. Doch durch Auswanderung und Tod schrumpfte die „Jüdische Kultusvereinigung Oldenburg e.V.” und sie musste sich 1973 wegen Mitgliedermangels wieder auflösen. 1992 konstituierte sich erneut eine jüdische Gemeinde, die auf das Wirken der „Jüdischen Gruppe zu Oldenburg“ (Frauen mosaischen Glaubens) zurückgeht. Gegenwärtig zählt die Oldenburger Gemeinde etwa 300 Angehörige (Stand 2022); die allermeisten stammen aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion.
Im Rahmen der 650-Jahrfeier Oldenburgs übergab die Stadt im März 1995 der jüdischen Gemeinde ein Kulturzentrum mit Synagoge an der Wilhelmstraße (ehemals Baptistenkapelle). Im gleichen Jahre trat die Schweizerin Bea Wyler als erste amtierende Rabbinerin Deutschlands an die Spitze der Oldenburger Gemeinde; allerdings war ihre Amtseinführung nicht unumstritten; so nahm bei dem Festakt nicht ein einziger deutscher Rabbiner daran teil.
Synagoge in Oldenburg (Aufn. Timur Zair-Bek, 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
2010 begann die Amtszeit der ersten in Deutschland ausgebildeten und ordinierten Rabbinerin; an der Feier zur Ordination in einer Berliner Synagoge nahm auch der damalige Bundespräsident Christian Wulff teil. Die aus der Ukraine stammende jüdische Theologin Alina Treiger betreut fortan die Gemeinden Oldenburg und Delmenhorst, seit einigen Jahren dann gemeinsam mit ihrem Ehemann Tobias Jona Simon (zudem ist er noch für die Gemeinden Hameln, Bad Nenndorf, Göttingen und Braunschweig zuständig). Ab Oktober 2024 amtiert sie als Gemeinde- und Landesrabbinerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde von Hamburg (Israelitischer Tempelverband - ITV).
Rabbinerin Alina Treiger (Aufn. 2011)
Im Ortsteil Oldenburg-Bümmerstede - ca. fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt - wurde Ende 2000 ein neuer jüdischer Friedhof in Nutzung genommen; bis dahin fanden Begräbnisse auf dem Gelände in der Dedestraße statt.
Ein Gedenkstein in der Peterstraße - am Standort der einstigen Oldenburger Synagoge - erinnert seit 1963 an die ca. 350 Oldenburger Juden, die aus der Stadt vertrieben und ermordet wurden; der Stein trägt die Inschrift:
“Haben wir nicht alle einen Vater
Hat uns nicht ein Gott erschaffen
Warum denn verachten wir einander”
Hier stand bis 1938 das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde
Teil des Mahnmals (Aufn. Stadtmuseum Oldenburg)
Im Jahre 1990 wurde dieser Stein ergänzt um ein vom Bildhauer Udo Reimann geschaffenes „Mahnmal für alle Opfer des Nationalsozialismus in Oldenburg“, das aus etwa 130 Basaltsäulen besteht; vor den Säulen sind zwei Schriftplatten in den Boden gelassen. Auf einer der Platten ist die folgende Inschrift zu lesen:
Zum Gedenken an alle Opfer während der Zeit des Nationalsozialismus in Oldenburg 1933 - 1945
Ihr Opfer verpflichtet uns, für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit gegenüber allen Menschen einzutreten.
Oldenburger Mahnmal (Aufn. Jenny u. Eliyah Havemann, in: die13blumen.blog)
Dieses Denkmal erinnert auch an die Sinti, die aus Oldenburg in die Vernichtungslager gebracht wurden, außerdem an die zahlreichen Zwangsarbeiter, die in ca. 30 Lagern in und um Oldenburg untergebracht waren.
Mit dem jüngst gegründeten Leo-Trepp-Lehrhaus will die jüdische Gemeinde zu Oldenburg ihrem letzten Landesrabbiner ein ehrendes Andenken bewahren und seine vorbildhafte lehrende Tätigkeit weiterführen.
Leo Trepp, geboren 1913 in Mainz, war der letzte noch lebende Rabbiner, der vor dem Holocaust in Deutschland amtierte. Nach dem Studium der Philosophie und der Philologie sowie dem Besuch des Rabbinerseminars in Berlin wurde der 23jährige Trepp 1936 zum Rabbiner geweiht und anschließend Landesrabbiner von Oldenburg. Im November 1938 ins KZ Sachsenhausen verschleppt, konnte er wenig später Deutschland verlassen. Via Großbritannien emigrierte er schließlich in die USA, wo er jahrzehntelang als Rabbiner und Professor tätig war. Deutschland aber ließ ihn nicht los. Schon in den 1950er Jahren reiste er mit Studenten zurück in sein Heimatland. In Oldenburg engagierte er sich für ein Mahnmal, den Bau einer neuen Synagoge und die Wiederbelebung der jüdischen Gemeinde. Später nahm er Lehraufträge an und unterrichtete zuletzt an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Mainz. - Der Film „Der letzte Rabbiner – Die Geschichte des Leo Trepp“ zeichnet ein Portrait des hochbetagten Mannes. Leo Trepp verstarb am 2.Sept. 2010 im Alter von 97 Jahren in San Franzisko. Anlässlich seines 100.Geburtstages wurde in Oldenburg eine Straße nach ihm benannt.
2017 wurde vor der Synagoge eine Büste des Ehrenbürgers Leo Trepp enthüllt (Aufn. Stadt Oldenburg)
Am 75.Jahrestag des Novemberpogroms von 1938 wurde auf Initiative des Arbeitskreises "Erinnerung gestalten" an der Peterstraße gegenüber der ehemaligen Synagoge eine Gedenkwand errichtet, die folgende Inschrift trägt:
„Wir erinnern an die 167 Bürgerinnen und Bürger der Stadt Oldenburg,
die im Rahmen der nationalsozialistischen Judenverfolgung ermordet wurden.
Wir gedenken Ihrer in tiefer Trauer und Scham. 2013.
Der Rat der Stadt Oldenburg, Der Arbeitskreis Erinnerung gestalten“.
Gedenkwand (Aufn. Ramm, 2014)
Anm.: 2015 wurde die Beschriftung dahingehend geändert, dass nun alle 175 NS-Opfer verzeichnet sind.
Die jüdische Gemeinde hat sich gegen die Verlegung sog. "Stolpersteine" für Verfolgte jüdischen Glaubens ausgesprochen; diesem Wunsche hat sich die Kommune angeschlossen, die nun darauf setzt, dass "Erinnerungszeichen" in Oldenburg errichtet werden, die in Form von Wandtafeln oder Stelen erstellt werden. Im November 2021 wurden erstmals solche "Zeichen" an sieben Standorten in der Stadt gesetzt
aufgestellt in der Brüderstraße, Gartenstraße u. Kurwickstraße (Abb. aus: Israel-Jacobson-Netzwerk und Oldenburger Bürgerstiftung)
In Wardenburg - wenige Kilometer südlich der Stadt Oldenburg - hat seit den 1860er Jahren bis in die NS-Zeit die jüdische Familie Kugelmann gelebt; die Familie betrieb am Ort eine Schlachterei. Einzige Überlebende des Holocaust war Selma Kugelmann, die einige Jahre nach dem Krieg in die USA auswanderte. 2009 wurde eine kleine Freifläche in Wardenburg in „Kugelmann-Platz“ benannt; eine dort angebrachte Gedenktafel informiert über das Schicksal der Familie.
In Ovelgönne - ca. 25 Kilometer nordöstlich von Oldenburg, heute Landkreis Wesermarsch - sind seit ca. 1750 wenige jüdische Familien ansässig gewesen; 1752 wurde als erster Herz Israel Schwabe am Ort durch den damals noch dänischen Landesherrn aufgenommen. Als Kleinhändler (Hausierer) und Schlachter bestritten sie ihren schmalen Lebenserwerb. Die kleine Gemeinde besaß zunächst einen Betsaal in einem Privathaus, ab 1804 eine eigene Synagoge, eine Mikwe und eine Religionsschule, die kurzzeitig als Elementarschule mit sechs (!) Schülern geführt wurde.
Der Friedhof der kleinen Gemeinschaft befand sich in den Marschwiesen nördlich des Dorfes. Zuvor waren Verstorbene auf den jüdischen Friedhöfen in Varel bzw. in Scharmbeck beerdigt worden, ehe dann die Erlaubnis für die Einrichtung einer eigenen Begräbnisstätte erteilt wurde. In der Folgezeit diente dann der Friedhof auch den Juden der nördlich der Hunte gelegenen Ortschaften Brake, Rodenkirchen und Burhave als ‚Guter Ort‘.
Zur Gemeinde zählten seit ca. 1830 auch die wenigen Familien aus Brake, Burhave und Rodenkirchen.
Juden in Ovelgönne:
--- um 1795 .................... ca. 50 Juden (in 5 Haushaltungen),
--- 1811 ........................... 67 “ (ca. 5 d. Bevölk.),
--- 1820 ........................... 64 " ,
--- 1837 ........................... 44 “ ,
--- 1850 ........................... 28 “ (ca. 3% d. Bevölk.),
--- 1861 ........................... 10 “ ,
--- 1871 ........................... 5 “ ,
--- 1895 ........................... ein “ ().
Angaben aus: Werner Meiners (Bearb.), Ovelgönne, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Band 2, S. 1242
Mit der Abwanderung der jüdischen Familien aus Ovelgönne wurde im ausgehenden 19.Jahrhundert der Sitz der Gemeinde nach Brake verlegt; um 1900 wurde die Gemeinde offiziell aufgelöst. Das Synagogengebäude, das bereits mehr als drei Jahrzehnte unbenutzt geblieben war, wurde 1906 verkauft und danach als Turnhalle benutzt (abgerissen um 1930).
Gebetstafel der Synagoge in Ovelgönne (Landesmuseum Oldenburg f. Kunst- u. Kulturgeschichte)
Auf dem jüdischen Friedhof in den Marschwiesen - am westlichen Ortsrand unweit der Wilhelm-Rahden-Straße - sind heute noch ca. 45 Grabsteine erhalten geblieben; der älteste datiert aus dem Jahr 1811.
Jüdischer Friedhof bei Ovelgönne (Aufn. B.V., 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY 3.0 und M.J.Schmid, 2010)
Für Brake wurde ein erster Schutzbrief für eine jüdische Familie um 1750 ausgestellt. Im 19.Jahrhundert lebten nur sehr wenige Juden im Ort, die die gemeindlichen Einrichtungen Ovelgönnes mitnutzten. Um 1900 wurde Brake Sitz der gemeinsamen Kleinstgemeinde, da fast alle Juden aus Ovelgönne verzogen waren. Da man über keine eigenen Kultuseinrichtungen verfügte, suchten die Braker Juden an hohen Feiertagen die Synagogen in Oldenburg oder Bremerhaven/Wesermünde auf. Ab den 1920er Jahren bildete man eine gemeinsame Gemeinde Brake-Nordenham (aufgelöst März 1941). 1933 setzte sich die Gemeinde aus ca. 40 Personen zusammen; davon lebten ca. 25 in Nordenham.
Während des Novemberpogroms wurden in Nordenham die beiden jüdischen Familien Walter Friedemann und Adalbert Mayer festgenommen, die inhaftierten Männer ins KZ Sachsenhausen verbracht. Der in Dedesdorf ansässige Viehhändler/Schlachter Julius Rosenberg machte im Gefängnis Nordenham seinem Leben ein Ende. Einem Teil der Gemeindeangehörigen gelang noch ihre Emigration nach Übersee; die wenigen hier verbliebenen wurden deportiert (Theresienstadt). Keiner der emigrierten Juden kehrte nach dem Krieg nach Brake oder Nordenham zurück.
Seit 2010 erinnern in den Gehwegen mehrerer Straßen Nordenhams ca. 25 sog. "Stolpersteine" an ehemalige jüdische Bewohner, die in der NS-Zeit verfolgt, deportiert und ermordet wurden; nur wenige konnten ihr Leben durch Emigration retten (Stand 2023).
verlegt in der Wilhelmstraße und in der Hafenstraße (alle Aufn. S. Brending, 2023, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
... und Bahnhofstraße
Im Jahre 1949 wurde in Brake eine Straße nach Paul Brodek* benannt, der in der NS-Zeit wegen seiner politischen Überzeugung und jüdischen Herkunft verfolgt worden war. An dessen ehemaligen Wohnhaus wurde anlässlich seines 100. Geburtstages eine Gedenktafel angebracht.
* Paul Brodek, geb. 1884 in Krotoschin/Polen, ging vor dem 1.Weltkrieg einer Beschäftigung als Hafen- u. Lagerarbeiter in Brake nach: Als Kriegsteilnehmer verwundet kehrte er 1919 nach Brake zurück und gehörte dort dem Arbeiter- u. Soldatenrat an. Als späterer Direktor des Arbeitsamtes Wesermünde-Bremerhaven machte er auch in der Politik Karriere, zunächst als Mitglied des Braker Magistrats, dann als Angehöriger des Oldenburgischen Landtages. In der NS-Zeit wurde er mehrfach inhaftiert; wegen seines schlechten Gesundheitszustandes starb er 1942.
In Westerstede (Ammerland) gab es keine selbstständige israelitische Gemeinde; die hier lebenden wenigen Juden gehörten zunächst der Gemeinde Varel, später der von Oldenburg an. Seit 1890 gab es in Westerstede einen jüdischen Friedhof (Am Esch), welcher zunächst als private Begräbnisstätte des Viehhändlers Seckel Leser Frank angelegt worden war und danach auch verstorbene Juden des Ammerlandes aufnahm. Heute sind auf dem ca. 830 m² großen Gelände noch zwölf Grabstellen vorhanden; das Areal ist in einem sehr gepflegten Zustand.
jüdischer Friedhof Westerstede (MJS-Oldenburg, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) und geschändet (Aufn. H. Otto, aus: NWZ-online vom 26.9.2008)
Hinweis: In Oldenburg/Holstein gab es zu keiner Zeit eine selbstständige jüdische Gemeinde. Gegen Ende des 19./Anfang des 20.Jahrhunderts haben vereinzelt jüdische Familien hier gelebt und dann zumeist auch nicht dauerhaft; in den 1930er Jahren waren es kaum 10 bis 15 Personen.
Erstmalige Niederlassung zweier „Handelsjuden“ (Jacob Hennoch Samter u. Peter Isak Behrens, beide aus Samter/Posen) erfolgte 1813; erstgenannter blieb in der Stadt, gründete hier eine Familie, deren Angehörige über Jahrzehnte hinweg in Oldenburg lebten. Neben der um 1850 zugezogenen kinderreichen Familie von Moses Daniel war von 1879 bis 1925 die Familie Isak Rosenblum in Oldenburg ansässig, die hier einen Rohproduktenhandel betrieb. Zudem lebte von 1888 bis 1905 die Familie von Ferdinand Horwitz in Oldenburg; sie führte am Markt ein „Manufaktur- u. Konfektionsgeschäft".
(Lebensdaten der Familien siehe: Dietrich Mau, Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Oldenburg (Holstein), in: „Jahrbuch für Heimatkunde/Ostholstein", 63/2020, S. 182 – 200 und ders., Ferdinand u. Johanna Horwitz. Eine jüdische Familie in Oldenburg (Holstein), in: „Jahrbuch für Heimatkunde Oldenburg/Ostholstein“, 64/2021, S. 247 - 269
Im Jahre 2010 wurden auf Initiative von Schüler/innen der Lensahner Fachschule für Sozialpädagogik sog. „Stolpersteine“ verlegt. Die in den Gehweg vor ihrem ehemaligen Haus in der Hoheluftstraße verlegten Gedenktäfelchen sollen an die jüdische Familie Rosenblum, d.h. für Siegfried Rosenblum sowie seine sechs Kinder erinnern, die deportiert und ermordet wurden.
Weitere Informationen:
George A. Löning, Juden im mittelalterlichen Bremen und Oldenburg, in: "Zeitschrift des Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abteilung", No.58/1938, S. 257 ff.
Leo Trepp, Die Landesgemeinde der Juden in Oldenburg. Keimzelle jüdischen Lebens (1827–1938) und Spiegel jüdischen Schicksals, Oldenburg 1965
Harald Schieckel, Die Oldenburgischen Juden in Wirtschaft und Gesellschaft im 19.Jahrhundert, in: "Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte", Band 44 /1972, S. 275 - 303
Enno Meyer, Die jüdischen Familien in der Stadt Oldenburg um 1933, ihre Herkunft, ihre soziale Gliederung, ihr späteres Schicksal, in: "Oldenburger Jahrbuch", No. 70/1971, S. 31 - 78
Harald Schieckel, Die Juden im Oldenburger Münsterland, in: "Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 1974"
Zvi Asaria, Die Juden in Niedersachsen - Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Verlag Gerhard Rautenberg, Leer 1979, S. 467 ff.
Werner Vahlenkamp, Kuwickstraße 5 - das letzte Haus der bedrängten jüdischen Mitbürger, in: "Oldenburger Wochenblatt" vom 18.9.1983
Johannes-Fritz Töllner, Die jüdischen Friedhöfe im Oldenburger Land - Bestandsaufnahme der erhaltenen Grabsteine, Holzberg-Verlag, Oldenburg 1983
Enno Meyer, Die Juden im Oldenburger Land, in: Verbannte Bürger, Die Juden aus Jever - Dokumente u. Darstellungen zur Geschichte d. Juden Jevers 1698 - 1984, , Hrg. Hartmut Peters, Schriftenreihe des Jeverländischen Altertums- und Heimatvereins e.V., Jever, Heft No.19, ZEITDRUCK (Goldmann GmbH), Jever 1984
Günter Heuzeroth (Hrg.), Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus 1933-1945 dargestellt an den Ereignissen im Oldenburger Land, Band II: Verfolgte aus rassischen Gründen, Zentrum für pädagogische Berufspraxis, Oldenburg 1985
Enno Meyer, Jüdisches Leben in der Stadt Oldenburg vor 1933, in: "Oldenburger Hauskalender" 1986 - 1988
Enno Meyer, Menschen zwischen Weser und Ems 1933 - 1945. Wie sie lebten, was sie erlebten, in: "Quellen zur Regionalgeschichte Nordwest-Niedersachsens", Heft 2, Heinz Holzberg Verlag, Oldenburg 1986
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Niedersachsen, Band II, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1986, S. 158/159
Dieter Goertz, Juden in Oldenburg 1930 - 1938, Struktur, Integration und Verfolgung, in: "Oldenburger Studien", Band 28, Verlag Heinz Holzberg, Oldenburg 1988
Werner Teuber, Als gute Unterthanen und Bürger ... geduldet, verfolgt, vertrieben, ermordet - Dokumente und Materialien zur Geschichte und Kultur des Oldenburger Münsterlandes, Band 3, Vechta 1988
Werner Vahlenkamp/Rolf Hornig, Die Geschichte der Westersteder Juden. Aufstieg und Vernichtung einer kleinen Minderheit, Westerstede 1988
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Werner Fademrecht (Red.), Drei Generationen fast ausgelöscht, in: „NWZ – Nordwest-Zeitung“ vom 19.7.2008 (betr. Wardenburg)
Werner Fademrecht (Red.), Dem Schicksal der Juden auf der Spur, in: „NWZ – Nordwest-Zeitung“ vom 31.10.2009 (betr. Wardenburg)
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Heide Sobotka (Red.), Fünf Minuten mit … Sara-Ruth Schumann über die mangelnde Nachhaltigkeit von Stolpersteinen, aus: „Jüdische Allgemeine“ vom 30.6.2011
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Martin J. Schmid, Dokumentation der jüdischen Friedhöfe in Oldenburg (unveröffentlichtes Manuskript)
Alexander Penth, Jüdisches Leben in Oldenburg schon immer besonders. Tobias Jona Simon und Alina Treiger teilen sich die Rabbinerstelle, in: "NWZ- Nordwest-Zeitung" vom 22.8.2015
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Oldenburger Online-Zeitung (Red.), Stadt Oldenburg würdigt Ehrenbürger Leo Trepp, Ausgabe vom 14.8.2017
Oliver Schulz (Red.), Jüdisches Leben bereichert Stadt – Die Büste des Ehrenbürgers steht vor der Synagoge, in: „NWZ - Nordwest-Zeitung“ vom 14.8.2017
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Alice Natter (Red.), Was vom letzten Rabbiner in Erinnerung bleibt, in: „Main-Post“ vom 19.10.2018 (betr. Leo Trepp)
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