Osann und Monzel/Mosel (Rheinland-Pfalz)

Datei:Verbandsgemeinden in WIL.svg Osann-Monzel an der Mosel ist eine Weinbaugemeinde im Landkreis Bernkastel-Wittlich; die seit 1969 bestehende Kommune mit derzeit 1.800 Einwohnern gehört der Verbandsgemeinde Wittlich-Land an und ist moselaufwärts ca. zehn Kilometer von Bernkastel-Kues entfernt (Kartenskizze 'Kreis Wittlich' ohne Eintrag von Osann/Monzel, Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erstmals siedelten sich Juden in Osann und Monzel bereits in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts an. Diese waren aus den größeren rheinischen Städten vertrieben worden. Unter den im Trierer Erzstift zugelassenen 34 jüdischen Familien durfte sich 1547 auch eine Familie in Monzel ansiedeln; ein 1550 auf zehn Jahre ausgestellter Geleitbrief des Grafen zu Manderscheid und Blankenheim gestattete zwei Juden ihren Aufenthalt in Osann. Als den Juden Ende des 16.Jahrhunderts das Geleit aufgekündigt wurde, mussten alle das Erzstift Trier verlassen.

Erst nach Ende des Dreißigjährigen Krieges kam es zu Wiederansiedlungen jüdischer Familien in der Region, so 1664 in Monzel. 1768 änderte sich das Abhängigkeitsverhältnis der Juden in Osann und Monzel: Sie unterstanden nicht mehr dem Trierer Kurfürsten, sondern fortan adligen Herrschaften und waren diesen abgabepflichtig. Geldverleih und Handel in den verschiedenen Formen waren die Lebensgrundlagen der hiesigen jüdischen Familien; im 19.Jahrhundert spielte auch der Viehhandel eine gewichtige Rolle; der zweimal im Monat stattfindende Viehmarkt im nahen Wittlich diente dabei als Handelsplatz.

Die im Laufe des 19.Jahrhunderts angewachsene jüdische Gemeinschaft verfügte über alle wesentlichen Kultuseinrichtungen wie Synagoge, Schule, Mikwe und Friedhof. Der Versuch der Osanner Juden, 1847 eine autonome Synagogengemeinde zu bilden, scheiterte am Einspruch der Behörden; als Begründung wurde angegeben, dass die Judenschaft Osanns „weder an Zahl noch Steuerfähigkeit die zu einem öffentlichen Gemeinwesen erforderliche Leistungskraft besitzt”. Das letzte, bis heute baulich erhaltene Synagogengebäude in der Bernkasteler Straße wurde Ende des 19.Jahrhunderts errichtet und ersetzte einen inzwischen marode gewordenen Vorgängerbau an gleicher Stelle. Da die finanziellen Mittel der Gemeindemitglieder nicht ausreichten, wurde zu Spenden aufgerufen, so u.a. in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 30. Sept. 1897:

„ Die isr. Gemeinde Osann, Regierungsbezirk Trier, ist genöthigt, wegen Baufälligkeit der jetzigen eine neue Synagoge zu erbauen. Die Gemeinde, aus 16 Familien bestehend, müht sich schon Jahre lang, das Baukapital durch Zahlung wöchentlicher Beiträge aufzubringen. Gern hätten wir den Bau noch einige Jahre hinausgeschoben, doch durch die immer mehr zunehmende Baufälligkeit sind wir gezwungen, denselben schon jetzt in Angriff zu nehmen. Aber das Nöthigste fehlt uns, die Hälfte der Bausumme. Wir wenden uns deshalb an Euch, edle Glaubensgenossen, mit der innigen Bitte: Helfet uns unser Werk fördern, indem Ihr uns durch gfl. Einsendung von Spenden unterstützt ’Gott segnet euer Vermögen und das Werk eurer Hände nimmt er gnädig auf’ (nach 5. Mose 33,11). Jede, auch die kleinste Gabe wird von den Unterzeichneten dankend entgegengenommen ...“

Der Spendenaufruf war von Erfolg gekrönt, so dass im Juli 1899 die neue Synagoge eingeweiht werden konnte.

    Einladung zur Synagogeneinweihung (Juli 1899) 

In Monzel kamen die wenigen Juden zunächst in einem Betraum eines Privathauses zusammen, ehe sie sich Osann angeschlossen hatten.

Zeitweise beschäftigte die Gemeinde einen Religionslehrer, der – wie es allgemein in kleineren Gemeinden üblich war – auch als Vorbeter und Schochet fungierte.

  aus: "Der Israelit" vom 22.5.1878 und 16.3.1893

 Misrachtafel* aus dem Besitz einer jüdischen Osanner Familie

* Diese Tafel zeigt die Himmelsrichtung (gen Jerusalem, also Osten) an, in die sich der fromme Jude zum Gebet verneigt.

Ein Begräbnisgelände muss im Laufe des 18.Jahrhunderts angelegt worden sein; von der Fläche her zählt der an einem Hang liegende jüdische Friedhof von Osann-Monzel zu den größeren in der Region.

Juden in Osann:                                                                                                   Juden in Monzel:

    --- 1768 .....................  4 Familien,                .................... 3 Familien,

    --- 1806 .....................  66 Juden,

    --- 1833 .....................  77   “  ,                  .................... 16 Juden,

    --- 1843 ..................... 104   “  ,                  ....................  7   “  ,

    --- 1895 .....................  73   “  ,                  .................... 11   “  ,

    --- 1927 .....................  24   “  ,                  ....................  8   “  ,

    --- 1933 .....................  22   “  ,                  ....................  7   “  ,

    --- 1938 .....................  14   “  ,                  ....................  keine.

Angaben aus: Tanja Granzow, Vom Geleitbrief zum Persilschein. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Osann-Monzel                                                

und                 Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, S. 307

 

Trotz der ab Mitte des 19.Jahrhunderts einsetzenden Abwanderung der jüdischen Bewohner Osanns soll die Synagoge noch bis in die 1930er Jahre genutzt worden sein.

Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus wurde das Leben der wenigen noch in Osann lebenden jüdischen Familien immer schwieriger. Initiiert durch die NSDAP-Ortsgruppe wurde per Gemeinderatsbeschluss die Ausgrenzung behördlich sanktioniert. Im „Trierischen Nationalblatt” No. 164 vom 17. Juli 1935 hieß es:

Keine Juden mehr in Osann !

Ein tapferer Gemeinderats-Beschluß !

In der am Sonntag stattgefundenen öffentlichen Gemeinderatssitzung im Schulsaal zu Osann wurde in Anwesenheit des vollständigen Gemeinderates nachstehender Beschluß einstimmig angenommen:

“ In Erkenntnis, daß das Judentum an dem großen Unglück unserer Vaterlandes die Hauptschuld trägt und ferner der Jude der größte Gegner unseres Führers Adolf Hitler und unseres nationalsozialistischen Deutschlands ist, beschließt der Gemeinderat von Osann:

         1. Kein Jude und keine Jüdin darf in Osann zuziehen !

         2. Kein Juden darf ein Haus oder ein Grundstück im Gemeindebezirk Osann erwerben !

         3. Kein Handwerker, kein Geschäftsmann oder sonst ein Volksgenosse erhalten eine Gemeindearbeit oder eine sonstige Gemeindelieferung, der noch mit Juden Verkehr pflegte bzw. diese in ihrem Handeln unterstützt.            

       4. Das Kaufen beim Juden bedeutet Verrat am Volke und der Nation.”

Wir haben diesem in seiner lapidaren Kürze erfrischenden Entschluß nur den einen Wunsch hinzuzufügen, daß recht viele Gemeinden unserer Heimat in Kürze nachfolgen mögen !

 

Während des 10.Novembers 1938 kam es auch in Osann zu Ausschreitungen; das Synagogengebäude wurde demoliert, die Bleiglasfenster zertrümmert und Teile des Inventars gestohlen. Auch das am Ort noch bestehende Lebensmittelgeschäft einer jüdischen Familie wurde verwüstet. Im Mai 1939 wurde der 81jährige Leder- und Schuhhändler Hermann Bermann von drei fanatisierten jungen Männern zu Tode geprügelt; bereits drei Jahre zuvor waren die Fensterscheiben seines Geschäftes eingeschlagen worden.

J-Kennkarte von Hermann Bermann, ausgestellt in Trier 1939 

1939/1940 sollen in Osann-Monzel keine Juden mehr gelebt haben; einigen war noch die Emigration gelungen, andere zumeist nach Trier gezogen, von wo sie dann später deportiert wurden

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 35 aus Osann und drei aus Monzel stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/osann_synagoge.htm).

Nach dem Krieg wurden die Männer, die den jüdischen Leder- u.Schuhhändler Hermann Bermann zu Tode brachten, zu Gefängnisstrafen verurteilt.

 

Das ehemalige Synagogengebäude hat die NS-Zeit überdauert und dient - nach Umbauten - seit Jahrzehnten als Abstellschuppen.

Ehem. Synagogengebäude - Front und Rückseite (Aufn. Carolin Bollig, 2007)

Die über Jahrzehnte hinweg auf dem Speicher des benachbarten Wohnhauses dort abgelegten und unentdeckt gebliebenen Relikte einer Thora wurden 2008 erstmals der Öffentlichkeit gezeigt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20230/Osann%20Tora%20011.jpgFragment der Osanner Thora (Aufn. Armin Kohnz)

Auf Privatinitiative hin ist jüngst gegenüber der Grundschule ein vom Wittlicher Bildhauer Sebastian Langner gestaltetes Mahnmal für die vertriebenen, deportierten und während der Shoa umgekommenen Juden aus Osann aufgestellt worden.

FotoGedenkstele (Aufn. Erich Gerten, 2010 und Aufn. J.B., ?)

Die Beschriftung der Stele lautet: „Zum Andenken an die vertriebenen, deportierten und ermordeten Juden aus Osann. Mit dem Recht nach der Wahrheit zu suchen ist auch die Pflicht verbunden, nicht einen Teil des als wahr Erkannten zu verschweigen (Einstein)".

 

Auf dem jüdischen Begräbnisareal, das vom ausgehenden 18.Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre belegt wurde und eine Fläche von mehr als 2.000 m² aufweist, sind noch etwa 50 Grabsteine - in acht Grabreihen stehend - erhalten.

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Jüdischer Friedhof in Osann (Aufn. Dkvtig, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

Weitere Informationen:

Hesse/Wisniewski, Zur Osanner Geschichte und Judengeschichte, in: dies., Wittlich Land, Bernkastel-Kues, 1990

Dieter Peters/Martina Strehlen, Jüdische Begräbnisstätten. Gedenkstätten in Rheinland-Pfalz, in: "SACHOR - Beiträge zur jüdischen Geschichte u. zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", Heft 16/1998

Tanja Granzow, Vom Geleitbrief zum Persilschein. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Osann-Monzel. Jahresarbeit in Geschichte am Cusanus-Gymnasium in Wittlich, 2001

Uwe F.W.Bauer/Marianne Bühler, Steine über dem Fluß. Jüdische Friedhöfe an der Mosel, in: "Schriften des Emil-Frank-Instituts", Band 6, o.J.

Osann mit Monzel, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen zumeist personenbezogenen Bild- u. Textdokumenten)

Peter Melcher, Ortsfamilienbuch. Die jüdischen Einwohner von Osann-Monzel, Kesten und Maring, 2005

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 307/308

Fritz Kirch/Armin Kohnz/Erich Gerten (Hrg.), 1000 Jahre Osann. Geschichte eines Weindorfes im Moselland, 2008, S. 222 - 225 (betr. jüdischer Friedhof)

Rechnungsbuch der Gemeinde Osann 1714-1821 - Transkription von Fritz Kirch, Trier/Osann 2009

Erich Gerten (Red.), Ein Gedenkstein erinnert an die Osanner Juden, in: "Trierischer Volksfreund" vom 26.10.2010

Willi Körtels, Die jüdische Schule in der Region Trier, hrg. vom Förderverein Synagoge Könen e.V., 2011, S. 119/120

Franz-Josef Schmit (Red.), Novemberpogrom 1938 in Osann. Vertreibung und Verleugnung, in: „Trierischer Volksfreund“ vom 9.11.2019

Christina Bents (Red.), Osann-Monzel. Jüdische Geschichte in Stein geschrieben und aufgearbeitet, in: "Trierer Volksfreund" vom 26.7.2020