Mendig/Eifel (Rheinland-Pfalz)

Datei:Landkreis koblenz.jpg – Wikipedia https://www.ortsdienst.de/img/maps/region207.gif Mendig ist heute eine Kommune mit derzeit ca. 9.000 Einwohnern im Landkreis Mayen-Koblenz und Verwaltungssitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde – ca. 20 Kilometer westlich von Koblenz gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, CCO und Kartenskizze 'Landkreis 'Mayen-Koblenz', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/mayen-koblenz).

 

Der erste Hinweis auf die Existenz von Juden in Niedermendig findet sich in einem erzbischöflichen Dekret aus dem Jahre 1663. In diesem wurden Juden Nutzungsrechte an Weiden und Wald zugestanden. Zwei Jahrzehnte später fand erstmalig ein Jude des Ortes namentlich Erwähnung. Für die Ansiedlung von Juden im 18.Jahrhundert liegen verschiedene Dokumente vor.

Bis Anfang der 1860er Jahre versammelten sich die Juden aus Nieder- und Obermendig zu Gottesdiensten in einer Betstube eines Privathauses in Niedermendig. Eine neue Synagoge in Niedermendig wurde im August 1886 feierlich eingeweiht; sie befand sich in der Wollstraße; über dem Eingangsportal war in hebräischer Schrift zu lesen: „ Aber ich, in der Fülle Deiner Güte, darf dein Haus betreten.”

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20231/Niedermendig%20Synagoge%20110.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20231/Niedermendig%20Synagoge%20111.jpg

Ansicht von Niedermendig mit Synagoge rechts im Bild (hist. Postkarte) und Skizze Synagogengebäude (Kerstin Kranz, 1982)

Zum damaligen Zeitpunkt war die Mendiger Judenschaft nicht als Synagogengemeinde konstituiert; die Bildung derselben scheiterte 1863 daran, dass Kottenheim sich dieser anschließen sollte; aus diesem Grunde bildete man sog. „Synagogengesellschaften“ mit Sitz in Niedermendig und Thür.

Zeitgleich mit der Synagoge in Niedermendig war auch in Thür ein Gotteshaus errichtet worden.

In den 1820er Jahren besuchte ein Teil der jüdischen Kinder die katholische Ortsschule, ein Teil die jüdische Schule in Thür; zwei Jahrzehnte später gab es in Niedermendig einen jüdischen Privatlehrer. Den Eltern war es freigestellt, ihre Kinder von diesem unterrichten zu lassen oder in die öffentliche Schule zu schicken. Seit 1902 erhielten die jüdischen Kinder Mendigs Religionsunterricht von einem Lehrer aus Andernach.

1890 wurde den jüdischen Einwohnern von Nieder- und Obermendig die Genehmigung erteilt, einen eigenen Begräbnisplatz inmitten von Feldern in der Gemarkung Niedermendig anzulegen.

Juden in Mendig:

--- 1769 ..........................  5 Juden,*     * Niedermendig

--- 1808 .......................... 43   “  ,**    ** Ober- u. Niedermendig

--- 1856/58 ....................... 83   “  ,**

--- 1871 .......................... 64   “  ,*

--- 1896 .......................... 59   “  ,**

--- 1910 .......................... 68   “  ,*

--- 1925 .......................... 44   “  ,*

--- 1931 .......................... 39   “  (in 13 Familien),*

--- 1936 .......................... 78   “ ,***    *** Niedermendig und Umland

--- 1942 (Juli) ................... keine.

Angaben aus: Erich Kayer (Hrg.), Städtebuch Rheinland-Pfalz, S. 328

 

Bis ins 20.Jahrhundert hinein lebten die Juden Mendigs streng nach religiös-rituellen Gesetzen; so wurden die Gemeindeangehörigen z.B. mit geschächtetem Fleisch aus Thür versorgt.

In den 1920er Jahren lebten nur noch in Niedermendig jüdische Familien.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Synagoge in Niedermendig in Brand gesetzt und zerstört; wenig später wurde die Ruine abgerissen.

Diejenigen jüdischen Bewohner, die nicht mehr emigrieren konnten, wurden Opfer des Holocaust. Ende Juli 1942 war Mendig „judenrein” - wie es im NS-Jargon hieß

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 30 aus Mendig stammende Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/mendig_synagoge.htm).

 

  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20228/Niedermendig%20Synagoge%20270.jpg Gedenkstein in Nieder-Mendig (Aufn. J. Hahn, 2009)

Am einstigen Standort der Mendiger Synagoge - heute befindet sich hier eine Grünanlage - steht seit 1988 ein Gedenkstein in Niedermendig, der folgende Inschrift trägt:

                                                                                      Hier stand von 1886 - 9.11.1938 die Synagoge der jüdischen Gemeinde                                                                                                                                                                                                                   Wer seine Fehler verheimlicht hat kein Gedeihen. Wer sie aber bekennet und verlässt, dem wird Versöhnung.     Salomon 28.13

Die ersten 24 sog. „Stolpersteine“ wurden 2014 vor den letzten Wohnsitzen der verfolgten/ermordeten jüdischen Bürger Mendigs verlegt; weitere neun Steine folgten später (Stand 2020).   

          Gegen das Vergessen | Schülerinnen und Schüler der Realschule plus und  Fachoberschule Mendig polieren Stolpersteine in Niedermendig – Realschule  plus und FOS Mendig drei Stolpersteine (Aufn. aus: realschuleplus-mendig.com)

Einziges bauliches Relikt der ehemaligen kleinen Gemeinde ist ihr Friedhof in Niedermendig, der nach Erschließung neuer Bauplätze nun in einem Wohngebiet liegt. Auf dem während der NS-Zeit stark in Mitleidenschaft gezogenen Friedhofsgelände sind noch ca. 35 Grabstelen erhalten geblieben; allerdings stehen die Grabmale, deren Inschriften z.T. nicht mehr lesbar sind, nicht mehr an ihren angestammten Stellen.

Friedhof in Niedermendig (Aufg. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In der östlich von Mendig gelegenen Ortschaft Kruft - heute Teil der Verbandsgemeinde Pellenz - erreichte die hier beheimatete kleine jüdische Gemeinde mit ca. 60 Angehörigen um 1850/60 ihren Höchststand; erste Nachweise jüdischen Lebens stammen hier bereits aus der Zeit des 16.Jahrhunderts. Den sog. Judenschutz hatte das Kloster Maria Laach inne, das enge wirtschaftliche Verbindungen – hier ging es vor allem um Kreditvergaben - zu den jüdischen Geschäftsleuten unterhielt.

Neben einer Betstube besaß die Gemeinde vermutlich seit ca. 1800 auch einen Begräbnisplatz; Beerdigungen sollen aber auch auf dem jüdischen Friedhof in Nickenich erfolgt sein.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20319/Nickenich%20Israelit%2025091869.jpg Aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 25.Sept. 1869

1925 lebten nur noch 25 Juden im Ort. Nachweislich fanden in der NS-Zeit sieben gebürtige Krufter Juden einen gewaltsamen Tod.

           http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20325/Koblenz%20Sto%20Kahn%20010.jpg Zwei „Stolpersteine“ für ehem. Krufter jüdischer Bewohner (in Koblenz verlegt)

 

 

 

Im unmittelbar bei Kruft gelegenen Nickenich - ebenfalls zur Verbandsgemeinde Pellenz gehörig - gab es im 19.Jahrhundert eine winzige jüdische Gemeinschaft, die um 1850 etwa 50 Angehörige erreichte. Um 1925 wohnten in Nickenich nur noch elf Juden.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte zunächst eine Betstube, die gegen Mitte des 19.Jahrhunderts von einem Synagogengebäude (in der Untergasse) abgelöst wurde.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20292/Nickenich%20Synagoge%20290.jpgSynagogengebäude in Nickenich (hist. Aufn.)

Anfang der 1930er Jahre übernahm ein Handwerker das schon längere Zeit leerstehende Gebäude, das nun als Schmiedewerkstatt genutzt wurde. Um 1960 wurde das Gebäude abgerissen.

Zeitweilig wurde auch eine Religionsschule betrieben. https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20319/Nickenich%20Israelit%2025091869.jpg aus: "Der Israelit" vom 25.9.1865

Ein jüdischer Friedhof lag der an der Straße nach Mendig - etwa 900 m vom Ortskern entfernt in der Flur 'An der Eichenheck'.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden elf gebürtige Nickenicher Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/nickenich_synagoge.htm).

Auf dem vermutlich um 1800 (oder einige Jahrzehnte spätere ?) angelegten Begräbnisareal (ca. 1.600 m²) sind ca. 60 Gräber dokumentiert; die letzte Beerdigung fand hier 1926 statt.

Jüdischer Friedhof in Nickenich (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Heute erinnert in Nickenich eine Gedenkmauer mit dort eingelassenen Namenstäfelchen an Opfer der NS-Gewaltherrschaft.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20292/Nickenich%20Gedenken%20182.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20292/Nickenich%20Gedenken%20190.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20292/Nickenich%20Gedenken%20189.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20292/Nickenich%20Gedenken%20181.jpg  

 

 

 

Die Bildung einer israelitischen Gemeinde in Thür reicht ins ausgehende 18.Jahrhundert zurück; ihr waren auch die wenigen Familien aus Kottenheim angeschlossen. Die Zahl der Gemeindeangehörigen erreichte zu keiner Zeit mehr als 40 Personen.

Seit dem frühen 19.Jahrhundert war ein Betraum vorhanden; dieser wurde Mitte der 1880er Jahre durch ein neues Synagogengebäude in der Hagelstraße ersetzt. Seit 1894 gab es hier einen Friedhof; zuvor waren Verstorbene in Mayen beerdigt worden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20309/Kottenheim%20Dok%20120.jpg Anzeige der Schlachterei Benni Gottschalk, Kottenheim

Anfang der 1930er Jahre bestand die Gemeinde aus ca. 25 Personen, die zumeist von hier verzogen bzw. auswanderten. Beim Novemberpogrom wurde die Synagoge völlig zerstört. Während elf jüdische Bewohner sich durch Emigration vor dem Zugriff der Nazis retten konnten, wurden die verbliebenen im April 1942 „in den Osten umgesiedelt“.

Zehn gebürtige bzw. längere Zeit in Thür ansässig gewesene Juden wurden Opfer der Shoa; aus Kottenheim waren es 16 Personen mosaischen Glaubens (zumeist Angehörige der Familie Gottschalk), die während der NS-Gewaltherrschaft gewaltsam ums Leben kamen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/thuer_synagoge.htm).

Auf dem Gelände des 1894 angelegten ehemaligen jüdischen Friedhofs in Thür – Grabsteine wurden während der NS-Zeit entfernt – erinnert heute eine Gedenkstein an die hier einst begrabenen Juden.


Jüdischer Friedhof von Thür und Gedenkstein (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

In der Gedächtniskapelle auf dem alten Friedhof in Kottenheim sind mehrere Gedenktafeln zu finden, die dem Gedenken jüdischer Familien gewidmet sind.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20317/Kottenheim%20Kapelle%20041.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20309/Kottenheim%20Gedenken%20010.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20374/Tafel%20WKahn%20und%20JKaufmann%20010.jpg

2015 wurde auf Initiative des hiesigen Kultur- u. Verschönerungsvereins eine Gedenkstele für die ehemaligen jüdischen Bürger der Gemeinde an der Ecke Mendiger Straße/Hagelstraße aufgestellt (Aufn. Franz G. Bell, 2015).

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20391/Thuer%20Gedenkstein%202015%20021.jpg Eine Tafel trägt den folgenden Text: "Zur Erinnerung an die Thürer Juden und ihre Synagoge. Fast 200 Jahre lebten Juden in Thür, ehe in nationalsozialistischer Zeit dieses friedliche Zusammenleben ein schreckliches Ende fand. Die Thürer Synagoge - gemeinsam genutzt von Thürer und Kottenheimer Juden - wurde 1884 auf einem Grundstück zwischen Hagel- und Hochstraße erbaut und 1938 während des November-Pogroms beschädigt und abgerissen". 

 

 

 

Weitere Informationen:

Hoellen, Vor 50 Jahren: „Gegen das Weltjudentum und seine schwarzen Bundesgenossen”, in: "Kreis-Heimatjahrbuch des Kreises Mayen-Koblenz 1988"

Johannes Andernach (Bearb.), Geschichtliches aus Nickenich. Der Judenfriedhof und die jüdische Synagoge, online abrufbar unter: ? (Nov. 2001)

Hans-Peter Kranz, Historische Daten der jüdischen Gemeinde Niedermendig, Manuskript, Mendig 2004

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 222, und S. 267/268 und S. 290

Elmar Veeser, "Grüß all die von mir, die mich noch kennen wollen". Die Geschichte der Krufter Juden von 1927 bis 1945, hrg. von der Gemeindeverwaltung Kruft 2011

Franz G. Bell, Erinnerungen an die Thürer Juden, in: 900 Jahre Thür - Dorfchronik, 2012 (von dem Autor stammen zahlreiche Beiträge zu jüdischen Personen aus Kottenheim und Thür)

Niedermendig mit Obermendig, in: alemannia-judaica.de

Thür mit Kottenheim, in: alemannia-judaica.de (mit diversen personenbezogenen Dokumenten)

Nickenich, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Kruft, in: alemannia-judaica.de

Patrick Grosse (Red.), „Stolpersteine“ sollen in Mendig an Opfer erinnern, in: „Rhein-Zeitung“ vom 27.1.2014 

Carsten Männlein (Red.), Stolpersteine in Mendig erinnern an die Opfer der Nazis, in: „Rhein-Zeitung“ vom 14.5.2014

Jutta Hansen/Martin Roggatz, Bet Olam – Haus der Ewigkeit, Der jüdische Friedhof von Nickenich, hrg. vom Nickenicher Geschichtsverein e.V., Nickenich 2016

N.N. (Red.), Nickenicher Judenfriedhof im Fokus: Geschichtsfans schreiben Buch, in: „Rhein-Zeitung“ vom 26.8. 2016

Hilko Röttgers (Red.), Mendig. Novemberpogrom: Der Morgen, als Mendigs Synagoge brannte, in: „Rhein-Zeitung“ vom 9.11.2018

Realschule Mendig und Fachoberschule (Red.), Gegen das Vergessen, online abrufbar unter: realschuleplus-mendig.com  von 2022/2023 (betr. Stolpersteine)