Pribram (Böhmen)

Die einstige ’königliche Bergstadt’ Pribram (auch Freiberg in Böhmen genannt) - etwa 60 Kilometer südwestlich von Prag, in unmittelbarer Nähe des ältesten Marien-Wallfahrtsortes Tschechiens gelegen - ist die heutige tschechische Stadt Příbram mit derzeit ca. 36.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: wikipedia.org/wiki/Böhmische_Westbahn, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Tschechien' mit Příbram rot markiert, K. 2005, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im 14. und 15. Jahrhundert sollen in Pribram zeitweilig einige jüdische Familien gelebt haben; ein erster urkundlicher Hinweis stammt bereits aus dem Jahre 1238. Ende der 1560er Jahre erfolgte die Vertreibung der hier lebenden jüdischen Familien, die seitdem meist in den Dörfern der Umgebung unterkamen, so z.B. in Deutsch-Duschnik (tsch. Trhové Dušníky). Eine Gemeinde konstituierte sich in Pribram offiziell erst 1858. Die relativ schnell wachsende Gemeinde errichtete 1873/1874 einen Synagogenneubau, der von maurischen Stilelementen geprägt war.

 

 Synagogengebäude (Aufn. um 1940, aus: zanikleobce.cz) und Synagogeninnenraum (Stadtarchiv)

Eine eigene jüdische Schule existierte in der Stadt nicht; die Kinder besuchten die öffentlichen Schulen.

Anfang der 1880er Jahre wurde ein eigener Friedhof angelegt, der weit außerhalb der Stadt lag. An welcher Stelle die mittelalterliche Begräbnisstätte sich einst befand, ist nicht bekannt.

Juden in Pribram:

         --- um 1840 ......................... keine Juden,

    --- 1880 ............................ 332 Juden (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1890 ............................ 412   “  ,

    --- 1900 ............................ 415   “  ,

    --- 1921 ............................ 298   “  ,

    --- 1930 ........................ ca. 230   “  ,

    --- 1948 ........................ ca.  50   "  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 1026

und                   The Jewish Community of Pribrans (Pribram), Hrg. Beit Hatfutsot - The Museum of the Jewish People

 

Fotogalerie: V Pražské ulici skončily některé obchody, co s tím?Hauptstraße - hist. Aufn. (aus: zpravypribram.cz/)

 

Im Laufe des Jahres 1942 wurden die in Pribrans lebenden Juden nach Theresienstadt abtransportiert; von hier aus wurden sie in Vernichtungslager deportiert.

Seit 1954 erinnert ein Mahnmal an die während des Holocaust umgekommenen jüdischen Gemeindeangehörigen.

                           Synagogengebäude nach 1945 (Aufn. Stadtarchiv)

Das Synagogengebäude wurden Ende der 1960er Jahre von den städtischen Behörden zum Abriss freigegeben.

Das jüdische Friedhofsgelände in Příbram macht heute einen sehr gepflegten Eindruck.

Friedhofsgelände und Trauerhalle in Příbram (Aufn. Fet'our, 2012, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Eine der im deutschen Sprachkreis Böhmens bekannten jüdischen Dichter des 19.Jahrhunderts war Moritz Hartmann, der 1821 im Dörfchen Duschnik nahe von Pribrans geboren wurde. Nach zahlreichen Reisen in europäische Großstädte (in Paris lernte er Heinrich Heine kennen) kehrte Moritz Hartmann nach Böhmen zurück. Als radikaler Vertreter der demokratischen Linken in der Frankfurter Nationalversammlung war er aktiv beteiligt an der Revolution in Wien und in Baden (1848). Nach zweijährigem Exil in der Schweiz u. in Frankreich war er dann in der Folgezeit journalistisch tätig. 1867 war er kurzzeitig Chefredakteur der in Stuttgart erscheinenden Zeitschrift „Freya“, nachdem er zuvor für einige Jahre eine Professur für deutsche Literatur an der Universität Genf gehabt hatte. Seit Ende der 1860er Jahre hatte er die Position des Feuilleton-Redakteurs der "Neuen Freien Presse" in Wien inne.
Sein literarisches Wirken umfasste vor allem Gedichte, daneben aber auch Prosawerke, u. a. Der Krieg um den Wald, Erzählungen eines Unsteten, Die Diamanten der Baronin sowie die Satire Reimchronik des Pfaffen Maurizius und den Reisebericht Tagebuch aus Languedoc und Provence.

 

Jinrich Kohn (1874-1935), engagierter Verfechter des tschechischen Judentums, wurde als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie in Pribrans geboren. Nach einem Jurastudium arbeitete er zunächst in Prag bzw. Pilsen. Neben seinem Engagement in der Politik war er eine der führenden Persönlichkeiten des Judentums in der Tschechoslowakei. Kohn starb 1935 in Prag.

 

 

 

 

 

Etwa 15 Kilometer nordöstlich von Pribrans liegt die Ortschaft Doberschisch (tsch. Dobříš, derzeit ca. 9.000 Einw.), in der seit der Mitte des 17.Jahrhunderts Ansiedlungen von Juden nachgewiesen sind. Ihren Lebensunterhalt verdienten die hier lebenden Familien im Handel mit Landesprodukten. Eine 1777 erbaute Synagoge wurde 30 Jahre später durch Brand zerstört, aber alsbald wieder aufgebaut; 1904 weihte man einen Neubau mit neoromanischen Stilelementen ein. Um 1900 umfasste die Gemeinde knapp 250 Mitglieder; drei Jahrzehnte später war auf Grund der Abwanderung in größere Städte die Zahl auf unter 100 Personen gesunken. 1942 wurde die verbliebene jüdische Minderheit nach Theresienstadt deportiert; von hier aus führte der Weg in die Vernichtungslager. Nur acht Personen sollen den Holocaust überlebt haben.

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. 2009, aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)       

Das einstige Synagogengebäude - der Turm wurde entfernt - dient heute als Kulturhaus; das bis 1904 benutzte alte Synagogengebäude wurde 1960 abgerissen.

Der auf einem Hügel, bereits aus dem 16.Jahrhundert stammende Friedhof – seit 1988 als schützenswertes Kulturdenkmal eingestuft – weist heute noch ca. 250 Grabsteine auf.

File:Dobris, jewish cemetery (4).jpg Jüdischer Friedhof in Dobris (Aufn. H., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 1.2)

 

 

 

In Draschkow (tsch. Drážkov, derzeit kaum 200 Einw.) – östlich von Pribrans gelegen – ist eine kleine jüdische Gemeinschaft seit der Mitte des 18.Jahrhunderts urkundlich belegt. Um 1850 lebten im Ort ca. 20 jüdische Familien; ein halbes Jahrhundert später war die Gemeinde in Auflösung begriffen.

Auf einem hügeligen Gelände weit außerhalb des Dorfes befand der Friedhof; der älteste aufgefundene Grabstein auf dem mit einer Bruchsteinmauer umgebenen Areal datiert bereits aus dem ausgehenden 17.Jahrhundert.

ŽH Drážkov, brána 01.jpgŽH Drážkov, starší náhrobky 04.jpg

Jüdischer Friedhof in Drážkov (Aufn. J. Erbenová, 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Aus den 1850er Jahren stammt der Synagogenbau; er hat die Zeiten überstanden und dient heute als Sitz lokaler Behörden.

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. J. Erbenová, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Klucenitz (tsch. Klučenice, derzeit knapp 500 Einw.) – einem Dorfe im Bezirk Pribrans - gab es eine kleine jüdische Gemeinschaft, die neben einer unscheinbaren Synagoge auch über eine eigene Schule verfügte; diese war den 1880er Jahren eingerichtete worden und bestand bis 1918.

Das Synagogengebäude wurde in den 1930er Jahren zu einem Wohnhaus umgebaut, das bis heute erhalten ist.

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. J. Erbenová, 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)SG Klučenice 02.jpg

 

 

 

In Mirowitz (tsch. Mirovice, derzeit ca. 1.600 Einw.) - ca. 25 Kilometer südlich von Pribrans gelegen - ist die Existenz jüdischer Bewohner seit 1581 belegt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der dem Orte schwere Verwüstungen zugefügt hatte, bildete sich eine Gemeinde. 1680 legte man vor dem Städtchen einen Begräbnisplatz an. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts besaß die israelitische Gemeinde von Mirowitz ihren zahlenmäßigen Höchststand; im Bezirk Mirowitz sollen damals ca. 600 Juden gelebt haben. Während der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg wurde die Gemeinde ausgelöscht. Das frühere jüdische Viertel, das nach 1945 dem Verfall preisgegeben war, wurde schließlich abgerissen. Einzig das ehemalige Synagogengebäude - in den 1970er Jahren zu Wohnzwecken umgebaut - ist noch erhalten. Der jüdische Friedhof ist auch noch vorhanden.

File:Židovský hřbitov v Mirovicích. (5).jpgŽidovský hřbitov v Mirovicích. (11).jpg

Jüdischer Friedhof in Mirovice und ehem. Taharahaus (beide Aufn. Richenza, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Etwa fünf Kilometer nordöstlich von Mirowitz/Mirovice entfernt liegt das Dorf Saluschan/Zaluzan (tsch. Zalužany, derzeit ca. 300 Einw.), in dem auch eine kleine jüdische Gemeinde lebte; um 1850 besaß diese ca. 80 Angehörige. Zu Beginn des 18.Jahrhunderts legte man einen eigenen Friedhof an; auf dem Areal befinden sich heute noch ca. 70 Grabstellen. Nachdem die jüdische Gemeinde um 1890 durch Abwanderung erloschen war, wurde der Friedhof bis in die Zeit der deutschen Okkupation von der jüdischen Gemeinde Bresnitz/Březnice gepflegt. In den 1980er Jahren wurden Friedhofsmauer und das Taharahaus abgebrochen; heute ist der Friedhof ein nationales Kulturdenkmal.

Blick auf den jüdischen Friedhof (Aufn. Fet'our, 2011, aus: wikipedia.org, CCO)

Das inzwischen völlig verfallene ehemalige Synagogengebäude wurde in den letzten Jahrzehnten als Lagerhaus benutzt.

          Synagogenruine (Aufn. JB, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Im Dorf Steine (tsch. Kamenná, derzeit ca. 500 Einw. ) – heute ein Ortsteil der Kommune Milín, etwa sechs Kilometer südlich von Pribrans (Příbram)erinnert noch heute der mit einer Bruchsteinmauer umfriedete jüdische Friedhof an die ehemals hier lebende Bevölkerung mosaischen Glaubens. Die ältesten noch vorhandenen Grabsteine sollen aus der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts stammen – aufgestellt nur wenige Jahrzehnte nach dessen Anlage. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts sollen im Ort bereits keine jüdischen Bewohner mehr gelebt haben.

Jewish cemetery in Kamenná 17.JPG

Jüdischer Begräbnisplatz bei Kamenná (Aufn. Fet‘our, 2012, aus: wikipedia.org, CCO)

 

Knapp 30 Kilometer östlich von Pribrans liegt die kleine Ortschaft Čelina (heute Ortsteil von Borotice), in der es heute noch ein im 19.Jahrhundert errichtetes, längst aber profaniertes Synagogengebäude gibt. Auf dem jüdischen Friedhof, der vermutlich im 18.Jahrhundert angelegt wurde, findet man noch eine Reihe von Grabstätten.

Aufn. Milos Hlávka, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

 

 

Weitere Informationen:

Jaroslav Polák-Rokycana (Bearb.), Dejiny Zidu v Ceskem Brode-Pristoupimi, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn/Prag 1934, S. 518/519

Klement Salac (Bearb.), Geschichte der Juden in Dobris, in: Hugo Gold, Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit u. Gegenwart, Brünn/Prag 1934, S. 100 - 107

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol.1, S. 317 und Vol. 2, S. 1026

Ruth Kestenberg-Gladstein, Heraus aus der ‘Gasse’ - Böhmens Juden im 19.Jahrhundert, LIT-Verlag, Münster/Hamburg/London 2002, S. 69 ff.

The Jewish Community of Pribrans (Pribram), Hrg. Beit Hatfutsot - The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/pribram-74010

Jewish Families from Přibram, Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-P%25C5%2599ibram-Bohemia-Czech-Republic/15305

The Jewish Community of Dobris, Hrg. Beit Hatfutsot - The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/dobris

Jewish Families from Dobříš, Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Dob%25C5%2599%25C3%25AD%25C5%25A1-Bohemia-Czech-Republic/15140

The Jewish Community of Drazkov, Hrg. Beit Hatfutsot - The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/drazkov

Jewish Families from Klučenice, Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-Klu%25C4%258Denice-Bohemia-Czech-Republic/15274

Jewish Families from Mirovice and Mirotice (Mirowitz und Mirotitz), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-Mirovice-and-Mirotice-Mirowitz-und-Mirotitz-Bohemia-Czech-Republic/15337