Prichsenstadt (Unterfranken/Bayern)

Datei:Prichsenstadt in KT.svg Prichsenstadt ist eine Kleinstadt im unterfränkischen Landkreis Kitzingen mit derzeit etwa 3.500 Einwohnern – ca. 35 Kilometer östlich von Würzburg gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Kitzingen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste Hinweise auf jüdisches Leben in Prichsenstadt stammen aus einem Zollprivileg von 1381; eine länger andauernde Ansässigkeit ist erstmals 1413 bzw. 1421 belegt. Die in Prichsenstadt lebenden Juden mussten damals keine besonderen Abgaben bzw. Schutzgeldzahlungen leisten.

Aus dem 16.Jahrhundert sind mehrere Schutzbriefe - ausgestellt von den Brandenburger Markgrafen - erhalten. Inwieweit während des Dreißigjährigen Krieges jüdische Bewohner sich in Prichsenstadt (der Ort wurde in diesen Jahrzehnten mehrfach erobert u. geplündert) aufgehalten haben, kann nicht eindeutig belegt werden.

Anfangs verdienten die hiesigen Juden ihren Lebensunterhalt ausschließlich im Kreditgeschäft, später spielte der Viehhandel eine gewichtige Rolle; Ende des 19.Jahrhunderts lebten allein sechs der zwölf jüdischen Familien in Prichsenstadt vom Viehhandel. Schutzbriefe garantierten den jüdischen Familien zwar nicht alle Bürgerrechte, doch durften sie Haus- und Grundbesitz innerhalb der Stadt erwerben; Ende des 18.Jahrhundert sollen ihnen uneingeschränkt alle bürgerlichen Rechte und Pflichten zugestanden worden sein. Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 waren in Prichsenstadt zehn Familienvorstände aufgelistet.

Eine erste „Judenschul“ gab es nachweislich seit 1835, doch dürfte diese wohl schon eher bestanden haben; nach ihrem Abriss (1898) wurden Gottesdienste in einem Saal eines ehemaligen Gasthauses abgehalten, ehe ein Synagogenneubau ins Auge gefasst wurde. Erst 1912 weihte die Gemeinde ihre neue Synagoge ein.

                                                     

Rekonstruktionsskizze Synagoge (um 1910, aus: W. Steinhauser)  -  jüdisches Schulhaus, Synagoge links im Hintergrund (hist. Aufn. um 1935)

                  In der Lokalzeitung „Der Bote vom Steigerwald” wurde am 3.9.1912 über die Einweihung der Synagoge wie folgt berichtet:

Bei herrlichem Wetter nahmen die Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Synagoge dahier einen glänzenden Verlauf. Nach der Abschiedsfeier am Freitag Nachmittag im bisherigen Betsaal im Freihof erfolgte unter Musikbegleitung die Abholung der Ehrengäste im Gasthof zum Storch zur Zugaufstellung bei der neuen Synagoge, woselbst sich schon schon eine stattliche Anzahl von Ehrengästen eingefunden hatte. Den Festzug selbst eröffnete die Schuljugend unter Führung ihrer Lehrers Bierschild. ... Der Zug bewegte sich unter den Klängen der Musik durch die Hauptstraßen. Am Portal der Synagoge angelangt, spielte die Musik den Choral “Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre”. (Die Tochter des Kultusvorstandes) ... überreichte dann den Schlüssel des neuerbauten Gotteshauses dem hiesigen Stadtoberhaupt Herrn Bürgermeister Dörrer, welchen solchen ... dem Distriktrabbiner mit den besten Wünschen der Staatsregierung und der hiesigen politischen Gemeinde überreichte. Dieser eröffnete alsdann nach einer trefflichen Ansprache das hübsche Gotteshaus, ... Hierauf erfolgte ... das Einstellen der im Zuge mitgetragenen Thorarollen. Herr Distriktrabbiner Dr.Stein ergriff nun das Wort zu einer längeren, wohldurchdachten, formvollendeten Festpredigt. An solche reihte sich die Rezitation einiger Psalmen. Mit der Thorarolle in der Hand sprach Herr Rabbiner das Gebet für den Landesfürsten ... Abends 7 Uhr fand dann noch der Eröffnungsgottesdienst statt. ... Das am Nachmittag (Samstag) im Gasthaus zum Adler veranstaltete Konzert verlief in der animiertesten Stimmung ... Der abends im Gasthof zum Storch gefolgte Ball bereitete allen Festteilnehmern eine sehr gemütliche Unterhaltung und werden die in jeder Beziehung gelungenen Feierlichkeiten den zahlreich Erschienenen noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben.

In einem Anbau des Synagogengebäudes befanden sich eine Mikwe und die Schule.

Religiös-rituelle Aufgaben verrichtete ein seitens der Gemeinde angestellter Lehrer. Solange die jüdische Nachbargemeinde Kirchschönbach noch einige schulpflichtige Kinder besaß, war die Stelle als "Religionslehrerstelle Prichsenstadt-Kirchschönbach" ausgeschrieben (siehe Anzeige unter Kirchschönbach).

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2093/Prichsenstadt%20Israelit%2010041878.jpg https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2093/Prichsenstadt%20Israelit%2020021902.jpg   

Anzeigen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10.April 1878 und vom 20.Febr. 1902

Verstorbene Prichsenstädter Juden wurden auf dem Verbandsfriedhof in Gerolzhofen beerdigt. Möglicherweise hat es im ausgehenden Mittelalter einen jüdischen Beerdigungsplatz in Prichsenstadt gegeben; der alte Flurname „Judenfriedhof“ deutet jedenfalls darauf hin.

Juden in Prichsenstadt:

         --- um 1460 .........................  8 jüdische Familien,

    --- um 1700 .........................  3     "        "   ,

    --- 1744 ............................  4     "        "   ,

    --- 1801 ............................ 11     "        "   (ca. 45 Pers.),

    --- 1816 ............................ 39   “  ,

    --- 1830 ............................ 46   “   (4,6% d. Bevölk.),

    --- 1837 ............................ 50   "  ,

    --- 1875 ............................ 59   “   (in 12 Familien),

    --- 1880 ............................ 74   "  ,

    --- 1895 ............................ 68   “   (in 11 Familien),

    --- 1900 ............................ 54   “  ,

    --- 1910 ............................ 72   “  ,

    --- 1925 ............................ 55   “   (7,5% d. Bevölk.),

    --- 1933 ............................ 53   “  ,

    --- 1935 ........................ ca. 45   "  ,

    --- 1942 (April) ....................  4   “  ,

             (Okt.) .....................  keine.

Angaben aus: Gerhard Wöppel, Prichsenstadt - Entwicklung und Struktur einer Kleinstadt in Franken

und                  Werner Steinhauser, Juden in und um Prichsenstadt, S. 23

und                  W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1276

 

Seit Ende des 19.Jahrhunderts waren die Juden Prichsenstadts allgemein akzeptiert und in der Dorfgemeinschaft integriert; dies dokumentieren ihre Mitgliedschaften in lokalen Vereinen und ihre Tätigkeiten in der Kommunalverwaltung.

  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20369/Prichsenstadt%201890er%20Jahre%20010.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20369/Prichsenstadt%20Anzeigen%20Lewisohn.jpg  

 Prichsenstadt auf hist. Postkarte (links: Textilgeschäft E. Lewisohn, um 1895  -  rechts: Werbeanzeige der Firma E. Lewisohn)

                   gewerbliche Anzeigen

Nach der NS-Machtübernahme 1933 wurde den jüdischen Familien nach und nach die wirtschaftliche Basis entzogen. Die meisten von ihnen verließen innerhalb weniger Jahre ihren Heimatort und emigrierten zumeist in die USA.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurden Einrichtungen der jüdischen Gemeinde verwüstet; unter Führung eines SS-Trupps, der zuvor bereits Synagogen in Kitzingen, Marktbreit und Rödelsee demoliert hatte, wurde der Synagogeninnenraum wurde total zerstört, die Ritualien herausgeschleppt und anschließend öffentlich verbrannt. Auch Ortsbewohner nahmen am Zerstörungswerk teil. Die Inbrandsetzung der Prichsenstädter Synagoge konnte der damalige Bürgermeister aber verhindern. Von Juden bewohnte Häuser wurden durchsucht und teilweise auch deren Inventar demoliert, Bewohner verhaftet und ins Gerichtsgefängnis von Gerolzhofen eingeliefert; einige verfrachtete man ins KZ Dachau. Mitte September 1942 wurden die letzten drei noch in Prichsenstadt lebenden Juden nach Theresienstadt deportiert, nachdem bereits im April d.J. sieben jüdische Personen nach Krasniczyn (bei Lublin/Ostpolen) verschleppt worden waren. Der Bürgermeister notierte: „Mit dieser Abwanderung ist Prichsenstadt judenfrei geworden.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sollen mindestens 20 gebürtige bzw. längere Zeit in Prichsenstadt ansässig gewesene Juden der „Endlösungzum Opfer gefallen sein (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/prichsenstadt _synagoge.htm).

Nach Kriegsende kehrte kein einziger ehemaliger jüdischer Bewohner nach Prichsenstadt zurück.

Anfang 1950 mussten sich 20 Angeklagte vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt wegen ihrer Beteiligung an den Ausschreitungen des 9. November 1938 verantworten. Nur zwei der Hauptangeklagten - darunter der ehem. Bürgermeister u. NSDAP-Ortsgruppenleiter Sauer -  wurden zu einer Haftstrafe verurteilt; alle anderen wurden entweder mangels Beweisen freigesprochen bzw. das Verfahren wurde eingestellt.

 

Das ehemalige Synagogengebäude - es war 1952 in Privatbesitz übergegangen und umgebaut worden - befindet sich in einem baulich guten Zustand und wird zu Wohnzwecken genutzt; heute ist das Haus äußerlich nicht mehr als ehemaliges jüdisches Gotteshaus zu erkennen. 

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Monandowitsch, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0) 1 Synagoge Prichsenstadt 1.jpg

An der Mauer des christlichen Friedhofs erinnert eine Gedenktafel an die ehemalige jüdische Gemeinde:

Die Stadt Prichsenstadt gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger

Zur ERINNERUNG UND MAHNUNG

2016 wurde mit der Verlegung sog. „Stolpersteine“ in den Gehwegen Prichsenstadts begonnen; inzwischen sind es ca. 20 Steine (Stand 2021), wobei fast alle jüdischen Opfern gewidmet sind; die Initiative für die Stein-Verlegungen ist dem "Verein Alt-Prichsenstadt" geschuldet.

  SteinLöwenberger-2.jpgStolperstein“ in der Luitpoldstraße (Aufn. Wolf-Dieter Gutsch, 2020)

StolpersteineFamFleischmann.jpgStolpersteineFamKünstler.jpg

Stolpersteine für die Fam. Fleischmann, Kirchgasse und Fam. Künstler, Karlsplatz (Aufn. Wolf-Dieter Gutsch, 2020, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Prichsenstadt beteiligt sich - wie zahlreiche andere Kommunen Unterfrankens - mit einer Gepäck-Skulptur am zentralen "DenkOrt Deportationen 1941-1944" in Würzburg (vgl. dazu: Würzburg/Bayern).
2022 wurden am Eingang zum Prichsenstädter Friedhof fünf Gedenktafeln und die Doublette der aus Cortenstahl gefertigten Koffer-Skulptur der Öffentlichkeit übergeben und so der lokale "Gedenkort" eingeweiht.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20469/Prichsenstadt%20Denkort%20010%202022-10-10.jpg https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20469/Prichsenstadt%20Denkort%20010%202022-10-11.jpg

Kofferskulptur mit Gedenktafel am Friedhofseingang (Aufn. Wolf-Dieter Gutsch, 2022)

Eine Erläuterungstafel informiert wir folgt. „Mit diesem Koffer-Denkmal erinnern wir an die jüdischen Menschen aus Prichsenstadt, die durch den NS-Staat und seine Helfer in den Jahren 1933 – 1945 entrechtet, beraubt, deportiert und schließlich ermordet wurden. Ihr Schicksal ruft uns zu Zivilcourage und zum Kampf gegen Hass und Unmenschlichkeit auf. Ein zweites Koffermodell aus Prichsenstadt steht am DenkOrt Deportationen vor dem Hauptbahnhof in Würzburg. Von dort fuhren die meisten Deportationszüge aus Unterfranken ab und brachten insgesamt über 2.000 Menschen in den Tod. Darunter waren 10 Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Prichsenstadt.“


 

  Auf dem Gebiet der heutigen Großgemeinde Prichsenstadt (Skizze Monandowitsch, 2018, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0) existierten insgesamt fünf jüdische Gemeinden, so die in Altenschönbach, Brünnau, Järkendorf und Kirchschönbach.

[vgl.  Altenschönbach (Bayern)]

 

 

Eine kleine israelitische Gemeinde in Brünnau bestand bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren zehn Familienvorstände verzeichnet. Zu ihren gemeindlichen Einrichtungen zählten eine Synagoge mit Schulraum und eine Mikwe. Zeitweilig besaß die kleine Gemeinde einen eigenen Lehrer, der neben der religiösen Unterweisung der Kinder auch für die rituellen Belange (Kantor/Schochet) zuständig war. Später beschäftigte man gemeinsam mit Järkendorf, Lülsfeld und Rimbach einen Religionslehrer.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2093/Bruenau%20Israelit%2002031870.jpgStellenangebot der Gemeinde aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2.3.1870

Ein eigener Friedhof war nicht vorhanden; verstorbene Gemeindeangehörige wurden in Gerolzhofen beerdigt.

          eine gewerbliche Kleinanzeige von 1895http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20190/Bruennau%20Israelit%2011031895.jpg

Die kleine Gemeinde nutzte ihre Synagoge vermutlich bis zu ihrer Auflösung; danach ging es in Privatbesitz über und dient bis heute als Wohnhaus,

Um 1840 waren ca. 60 jüdische Bewohner (bei einer Gesamtzahl von ca. 280) im Dorf wohnhaft; sechs Jahrzehnte später hatte sich ihre Zahl halbiert; die hier verbliebenen Familien hatten sich als Filialgemeinde der Kultusgemeinde Gerolzhofen angeschlossen. Wenige Jahre später erfolgte die Auflösung der Brünnauer Gemeinde.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 20 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene Juden Brünnaus Opfer der NS-Verfolgung geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/bruennau_synagoge.htm).

 

 

Im Dörfchen Järkendorf - heute Ortsteil der Großgemeinde Prichsenstadt - bestand im 18. und 19.Jahrhundert eine winzige israelitische Gemeinde, die maximal sechs bis acht Familien umfasste (um 1830 etwa 30 Pers.). In der Matrikelliste von 1817 sind für Järkendorf acht Haushaltsvorstände aufgeführt. Ihren schmalen Lebenserwerb bestritten die Familien damals mit Vieh- und Kleinwarenhandel. Zu Gottesdiensten kamen sie anfänglich in einem privaten Betraum zusammen; ab den 1850er Jahren traf man sich mit den Glaubensgenossen aus Lülsfeld und Rimbach, um einen Minjan zustande zubringen. Anfang der 1880er Jahre hatten alle jüdischen Familien Järkendorf verlassen.

 

 

 

In Kirchschönbach lagen die Wurzeln der winzigen jüdischen Gemeinde im 16.Jahrhundert. Bei der Erstellung der Matrikel (1815) sind zwölf Familienoberhäupter (mit insgesamt ca. 50 Pers.) genannt; ihren Lebenserwerb bestritten die Familien zumeist mit Viehhandel bzw. Handel mit anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen und dem Schmusen (=Vermittlung von Handelsgeschäften). Die rituellen Aufgaben übernahm im 19.Jahrhundert ein jüdischer Lehrer, der auch von der Judenschaft Prichsenstadts mitbesoldet wurde.

            aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1870

Die Verstorbenen der kleinen Gemeinde fanden ihre letzte Ruhe zumeist auf dem jüdischen Friedhof in Gerolzhofen. In den 1870er Jahren löste sich dann die Gemeinde wegen gesunkener Mitgliederzahl auf; die wenigen verbliebenen jüdischen Bewohner gehörten fortan der Gemeinde in Altenschönbach an.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem /Jerusalem) und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden sieben Angehörige der hiesigen Familie Hahn Opfer der NS-Herrschaft. 

 

 

 

In der südöstlich von Prichsenstadt gelegenen kleinen Ortschaft Rehweiler - heute ein Ortsteil von Geiselwind im Steigerwald - bestand von ca. 1720 bis in die 1870er Jahre eine jüdische Gemeinde. Neben einer Synagoge und einer Mikwe zählte auch ein Begräbnisgelände zum gemeindlichen Eigentum. Befand sich der Begräbnisplatz seit 1725 zunächst mitten im Dorf, wurde dieser dann zu Beginn des 19.Jahrhunderts östlich des Dorfes (an der Straße in Richtung Haag) verlegt.

Für die Verrichtung religiös-ritueller Belange hatte die Gemeinde zeitweise einen Lehrer angestellt.

Ende des 18.Jahrhunderts waren hier mehr als 30 % aller Dorfbewohner jüdischen Glaubens. Bei der Erstellung der Matrikellisten wurden für Rehweiler elf Familienvorstände aufgeführt.

Die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts einsetzende Abwanderung führte schließlch 1911 zur Auflösung der Gemeinde.

Das in den 1920er Jahren in Privatbesitz gelangte ehemalige Synagogengebäude diente fortan als Scheune (später als Wohnhaus) und wurde 1979 abgerissen. Vom Beerdigungsareal sind so gut wie keine Spuren mehr erhalten geblieben; in der NS-Zeit sollen die Steine als Baumaterial verwendet worden sein. Nur ein einziger Grabstein hat die Zeiten überdauert; dieser steht auf einem gemauerten Sockel, der folgende Inschrift trägt:

In ehrwürdigem Gedenken an den jüdischen Friedhof Rehweiler,

der auf dem Felde gegenüber dieses Weges lag und eingeebnet wurde.

Künftigen Generationen zur Besinnung und Mahnung.

Am ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Weinhändlers Joseph Friedmann erinnert heute noch eine hebräische u. deutsche Inschrift an dessen einstigen Besitzer: „Gesegnet bist du bei deinem Kommen und bei deinem Gehen“.

 

 

 

Weitere Informationen:

Johann Arnoldt, Chronik des Städtchens Prichsenstadt, Manuskript von 1929

Gerhard Wöppel, Prichsenstadt - Entwicklung und Struktur einer Kleinstadt in Franken, Dissertation, Universität Würzburg 1968, S. 260 f.

Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 386/387

Herbert Schultheis, Juden in Mainfranken 1933 - 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Deportationen Würzburger Juden, in: "Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens", Band 1, S. 227 f., Verlag Max Rötter, Bad Neustadt a.d.Saale, 1980, S. 225

Harm-Heinrich Brandt (Hrg.), Zwischen Schutzherrschaft und Emanzipation: Studien zur Geschichte der unterfränkischen Juden im 19.Jahrhundert, Würzburg 1987

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Bayern, München 1992, S. 113 f.

Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 1995, S. 1154

Werner Steinhauser, Juden in und um Prichsenstadt, Selbstverlag, Prichsenstadt 2002

Prichsenstadt, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Brünnau, in: alemannia-judaica.de

Jüdische Geschichte in Järkendorf, in: alemannia-judaica.de

Rehweiler, in: alemannia-judaica.de

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 131/132 (Brünnau), S. 132 (Kirchschönbach), S. 133/134 (Prichsenstadt), S. 178/179 (Rehweiler)

Guido Chuleck (Red.), Erste Stolpersteine sind verlegt – In Prichsenstadt wird jetzt an MarthaLöwenberger und Pauline Künstler erinnert, in: „Main-Post - Lokalausgabe Kitzingen" vom 28.5.2016

Tessy Korber (Red.), Stolpersteine: Vom Erinnern und Versöhnen, aus: „Main-Post“ vom 8.5.2017

Auflistung der in Prichsenstadt verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Prichsenstadt

Michael Franz (Red.), Altenschönbach diskutiert über Mahnmal für ermordete Juden, in: BR 24 – Regionalnachrichten aus Mittelfranken vom 9.7.2018

Guido Chuleck (Red.), Vier weitere Stolpersteine in Prichsenstadt, in: inFranken.de vom 5.4.2019

Guido Chuleck (Red.), Ein Koffer aus Prichsenstadt am Denkort Aumühle?, in: "Main-Post" vom 26.4.2019

Franziska Schmitt (Red.), Ein Denkmal für die Deportationsopfer, in: „Die Kitzinger“ vom 24.6.2019

Johannes Sander/Hans Schlumberger (Bearb.), Prichsenstadt mit Kirchschönbach, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1257 - 1281

Wolf-Dieter Gutsch (Red.), Prichsenstadt. Juden im Landkreis Kitzingen: Die Flucht der Familie Fleischmann, in: „Main-Post“ vom 26.8.2021

Wolf-Dieter Gutsch (Red.), Rehweiler. Juden im Landkreis Kitzingen: Spuren eines großen Whiskey-Produzenten, in: „Main-Post“ vom 22.9.2021

Wolf-Dieter Gutsch (Red.), Prichsenstadt. Juden im Landkreis Kitzingen: Der letzte jüdische Lehrer von Prichsenstadt, in: "Main-Post" vom 16.12.2021

S. Vankeirsbilck (Red.), „Denkort Prichsenstadt“ wird eingeweiht: Es werden Gedenktafeln und auch ein Kofferdenkmal enthüllt, in: „Fränkischer Tag“ vom 22.9.2022

Guido Chuleck (Red.), Koffer enthüllt: Erinnerung an deportierte Juden in Prichsenstadt, in: „Main-Post“ vom 11.10.2022