Regisheim (Elsass)
Das in der Oberrheinebene liegende oberelsässische Regisheim mit derzeit ca. 1.800 Einwohnern ist das frz. Réguisheim - zwischen Colmar und Mülhausen/Mulhouse gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Regisheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
In den Jahrzehnten nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges konnten sich jüdische Familien dauerhaft in Regisheim niederlassen; sie bildeten alsbald eine Gemeinde. Bereits in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts hatten im Ort Juden gelebt; doch mit der von der vorderösterreichischen Landständen geforderten und von Erzherzog Ferdinand II. dekretierten „Außschaffung“ der wenigen geduldeten Juden (1573) war Regisheim mehr als ein halbes Jahrhundert „judenfrei“. Doch auf Grund der durch den Westfälischen Frieden veränderten politischen Bedingungen konnten sich nun wieder Juden hier niederlassen.
Ihren Lebensunterhalt bestritten die Juden in Regisheim vornehmlich vom Viehhandel (z.T. in Verbindung mit dem Metzgergewerbe) und vom Kleinhandel.
Eine erste Synagoge wird bereits um 1695 erwähnt. Zu ihrer Blütezeit errichtete die Gemeinde um 1840 einen Synagogenneubau, der dem beträchtlichen Wachstum der Gemeinde Rechnung trug. Den von Säulen getragenen und mit Zinnen bekrönten Baldachin über der Treppe zum Thoraschrein schuf der Müllheimer Bildhauer Martin Schwab für die Gemeinde.
Baldachin über dem Thoraschrein (hist. Aufn.)
Eine Religionsschule und eine Mikwe ergänzten die rituellen Einrichtungen.
Verstorbene Gemeindemitglieder fanden auf dem großen Friedhof in Jungholtz ihre letzte Ruhe.
Die Regisheimer Gemeinde gehörte dem Bezirksrabbinat von Bollweiler an.
Juden in Regisheim:
--- um 1540 ...................... 8 jüdische Haushaltungen,
--- um 1750 .................. ca. 10 “ Familien,
--- 1784 ......................... 18 “ “ ,
--- 1846 ......................... 328 Juden,
--- 1861 ......................... 238 “ ,
--- 1890 ..................... ca. 100 " ,
--- 1900 ......................... 132 “ ,
--- 1910 ......................... 52 “ ,
--- 1936 ......................... 29 “ .
Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S.
Ihren personellen Höchststand erreichte die Regisheimer Kultusgemeinde um 1840/1850 mit knapp 350 Angehörigen. Nach dem Ersten Weltkrieg zeichnete sich aber bereits die Auflösung der jüdischen Gemeinde ab, die seit Mitte des 19.Jahrhunderts einen stetigen Mitgliederschwund zu verzeichnen hatte. Als dann Anfang der 1930er Jahre nur noch wenige Familien am Ort verblieben waren, feierte man letztmalig 1935 einen Gottesdienst in der hiesigen Synagoge; danach löste sich die Gemeinde ganz auf. Unter deutscher Okkupation wurden die noch verbliebenen jüdischen Personen 1940 nach Südfrankreich deportiert.
Von den aus Réguisheim stammenden bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesenen jüdischen Bürgern wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ 16 Personen Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/reguisheim_synagogue.htm).
Das aufgegebene Synagogengebäude diente später als Getreidespeicher; seit Anfang der 1990er Jahre ist es ohne Nutzung und zusehends dem Verfall preisgegeben.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. G. Boll)
Im Jahre 1992 wurden auf dem Dachboden des ehemaligen Regisheimer Synagogengebäudes ca. 20 teils vollständig, teils nur noch fragmentarisch erhaltene Mappot entdeckt.*
* Einige Fundstücke wurden in der Folgzeit in einer Mappot-Ausstellung in München, Osnabrück und Frankfurt der Öffentlichkeit gezeigt.
Wenige Kilometer südlich von Regisheim liegt Ensisheim (siehe obige Landkarte). Im hohen Mittelalter war es Hauptort der elsässischen Besitzungen der Habsburger und Sitz des Landvogts. Hier lebten im 13./14.Jahrhundert nur wenige Juden, die in der Pestzeit verfolgt und getötet wurden. Bekannt wurde Ensisheim in der jüdischen Geschichte durch die langjährige Inhaftierung von Meir ben Baruch von Rothenburg, der seit 1286 von Rudolf von Habsburg auf der Festung Ensisheim festgehalten wurde.
[vgl. dazu: Rothenburg o.T. (Bayern)]
Bis ca. 1575 lebten wieder vereinzelt Juden in Ensisheim; danach wurden sie von hier vertrieben. Um 1690 wurden – gegen Zahlung eines hohen Schutzgeldes - erneut einige wenige Juden im Ort geduldet, allerdings nur für eine kurze Dauer. Erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts ließen sich dauerhaft einige jüdische Familien im Ort nieder; der kleinen Gemeinschaft gehörten um 1850 ca. 70 Personen an. Das Vorhandensein eines Betraumes im Ort kann nicht belegt werden.
Erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts ließen sich dauerhaft einige jüdische Familien im Ort nieder; der kleinen Gemeinschaft gehörten um 1850 ca. 70 Personen an. Mitte der 1930er Jahre lebten ca. 35 Juden in der Kleinstadt; die meisten wurden unter der deutschen Besatzung 1940 nach Südfrankreich deportiert
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden elf aus Ensisheim stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ensisheim_synagogue.htm).
Weitere Informationen:
Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992, S. 51 f.
Günter Boll/Denis Ingold, Une pierre dans un berceau vide - Les exactions commises contre la communaut' juive de Réguisheim le 24 février 1840, in: "Annuaire N° 13/2000 de la Société d'Histoire de la Hardt et du Ried", S. 81 - 84
Réguisheim, in: alemannia-judaica.de
Ensisheim, in: alemannia-judaica.de
Gunter Boll, Handel und Gewerbe der Regisheimer Juden. Zur Rolle der Dorfjuden in der Agrarökonomie des 18.Jahrhunderts (als PDF-Datei online zugänglich)
Günter Boll, Kaufmann Wahl. Metzger, Cabaretier und Rabbiner in Regisheim, in: "Maajan - Die Quelle", Heft 93/2009, Zürich 2009
Gunter Boll, Die Synagoge von Regisheim (als PDF-Datei online zugänglich)
Günter Boll, Dokumente zur Geschichte der Regisheimer Juden, Teil 1: 1540 - 1693 und Teil 2: 1686 - 1789 (PDF-Dateien, online zugänglich)