Saarburg (Rheinland-Pfalz)

Bildergebnis für landkreis trier saarburg karteSaarburg a.d. Saar ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 6.500 Einwohnern im rheinland-pfälzischen Landkreis Trier-Saarburg – ca. 25 Kilometer südlich von Trier gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu  und  Kartenskizze 'Landkreis Trier-Saarburg', TUBS 2009, aus: commons.wikimedia, CC BY-SA 3.0).

 

Die jüdische Gemeinschaft in Saarburg hat sich stets nur aus sehr wenigen Familien zusammengesetzt. Erstmals wurde 1321 ein Jude in Saarburg namentlich erwähnt; dabei handelte es sich um den als Geldverleiher tätigen Juden Samuel, genannt Malder, der vermutlich aus Frankreich stammte. Da Saarburg in den Memor-Büchern nicht unter den Orten aufgeführt war, in denen Pestpogrome stattfanden, kann davon ausgegangen werden, dass in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts hier keine bzw. nur sehr wenige Juden gelebt haben. Erst nach 1400 lassen sich wieder einzelne in Saarburg ansässige jüdische Familien nachweisen; eine genaue Auflistung stammt aber erst aus dem Jahre 1697.

Saarburg merian.jpeg

Blick auf Saarburg - Merian-Stich, um 1645 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Über ein als Bethaus genutztes Gebäude verfügte die kleine jüdische Gemeinschaft seit 1885 am Schlossberg, in der Nähe des Wasserfalls des Flüsschens Leuk; im Erdgeschoss befand sich der Gebetsraum, das Obergeschoss diente Wohnzwecken. Bereits in den Jahrzehnten zuvor hatte es im Ort einen Betraum gegeben

Zur Saarburger Gemeinde gehörten auch die in Beurig und Wiltingen lebenden Juden. Eine autonome Kultusgemeinde bestand in Saarburg allerdings erst seit der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts; bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Juden Saarburgs zur Gemeinde in Freudenburg gezählt.

Das Begräbnisgelände stand den Saarburger Juden im nahen Niederleuken zur Verfügung; der erstmals 1804 urkundlich erwähnte Friedhof wurde vermutlich bereits im 18.Jahrhundert genutzt. Das relativ große Areal diente auch den verstorbenen Juden aus Beurig, Könen, Wawern und Wiltingen als letzte Ruhestätte.

Juden in Saarburg:

    --- 1715 ..........................   6 jüdische Familien,

    --- um 1750 .......................   4     “       “    ,

    --- 1808 ..........................   2     “       “    ,

    --- 1843 ..........................  10 Juden,

    --- 1854 ..........................  16   “  ,

    --- 1861 ..........................  25   “  ,

    --- 1895 ..........................  34   “  ,

    --- 1925 ..........................  11   “  ,

    --- 1933 (Juni) ...................  40   “  ,

    --- 1938 ..........................  21   “  ,

    --- 1939 (Dez.) ...................  keine.

Angaben aus: Rudolf Müller, Die Judengemeinde, in: Saarburg - Geschichte einer Stadt, Band 2

 

Zu Beginn der NS-Zeit lebten etwa 40 Juden in Saarburg. Bald wurden sie auch hier diskriminiert und entrechtet; immer mehr jüdische Bewohner verließen nun die Stadt und den Kreis Saarburg.

Im „Trierer Nationalblatt” hieß es am 22.August 1935:

‘Waih geschrieen’ - Raus mit euch !

Saarburg. Ja, ist es möglich, die in Systemzeiten so gehätschelten und bedienerten Juden ziehen es vor, aus zahlreichen Orten unseres Kreises zu entweichen ! Die Krätze löst sich, der Patient, der so lange vom schmutzigen, eklen jüdischen Schorf bedeckt war, hat die Krise überstanden. Denn in den letzten Tagen haben zahlreiche Juden ihren Schnappsack, den sie so lange zum Schaden unserer geplagten Volksgenossen handhabten, auf den Buckel genommen, um sich mit Weib und Kind und Kegel eine neue Heimat zu suchen. So wird aus Freudenburg berichtet ... Die gleichen Meldungen kommem ... aus Zerf und Kirf.

In endlicher Erkenntnis, wirklich überflüssig und lästig zu sein, ziehen sie denn dahin, diese Kinder Israels, nachdem sie Jahrhunderte auch in diesen Gegenden Fürsten und Herren, Bauern und fahrendes Volk begaunert, ausgezogen und ihrem Unglück überlassen haben. ... ‘Waih geschrieen’ - diesmal schert uns das Gejammere einen Katzendreck. Wir rufen ihnen einen guten deutschen Abschiedsgruß zu: Raus mit euch ! Die Zeit des ‘auserwählten’ Volkes ist in Deutschland endgültig zu Ende. ...

 

Am 10. November 1938 versammelte sich in Saarburg eine Menschenmenge auf dem Marktplatz und zog von hier aus zur nahegelegenen Synagoge; die Inneneinrichtung wurde herausgeschleppt und anschließend auf dem Marktplatz zertrümmert und verbrannt; auch einzelne Wohnungen sollen beschädigt worden sein. Eine Zeitungsmeldung des „Saarburger Kreisblatt” berichtete am 11.11.1938:

Auch im Kreise Saarburg kam es in den Orten, wo noch Juden wohnen, zu antijüdischen Kundgebungen und Aktionen. In den Häusern wurden die Fenster eingeschlagen und die Einrichtungsgegenstände zum Teil zertrümmert. Am Abend wurde das Mobiliar der Saarburger Synagoge auf dem Marktplatz verbrannt.

 

Als Anfang 1939 die „Arisierung“ jüdischen Besitzes in Saarburg abgeschlossen und damit den Saarburger Juden jegliche wirtschaftliche Betätigung genommen war, verließen die allermeisten jüdischen Bewohner die Stadt und siedelten zumeist nach Trier über. Die letzten wurden im Rahmen der sog. „Freimachung“ zu Kriegsbeginn nach Trier verbracht. Wer von hier nicht mehr emigrieren konnte, wurde zwischen Ende 1941 und Anfang 1943 in Sammeltransporten in die „Lager des Ostens“ deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 36 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene Saarburger Bewohner mosaischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft; weitere zwölf ermordete Juden stammten aus Beurich und fünf aus Wiltingen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/saarburg_synagoge.htm).

 

Das ehemalige Synagogengebäude wurde 1962 abgerissen. Seit 1982 erinnert dort eine Gedenkplakette an dessen ehemalige gottesdienstliche Nutzung.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20215/Saarburg%20Synagoge%20200.jpg Gedenktafel am Schlossberg (Aufn. J. Hahn, 2009)

2013 wurden in Saarburg für die jüdischen NS-Opfer 32 sog. „Stolpersteine“ in das Gehwegpflaster verlegt; die Initiative dafür kam von einem aus mehreren Privatpersonen gebildeten Arbeitskreis.

Stolpersteine in der Graf-Siegfried-Straße (aus: geschichte-saarburg.de)

Stolperstein Saarburg Graf-Siegfried-Straße 20 Inge Königsfeld.JPG Stolperstein Saarburg Klosterstraße 08 Silwe Wolf.JPG Stolperstein Saarburg Klosterstraße 08 Silve Kurt Wolf.JPG Stolperstein Saarburg Graf-Siegfried-Straße 39 Meta Kahn.JPG Stolperstein Saarburg Graf-Siegfried-Straße 39 Margot Schmelzer.JPG 

Stolpersteine, die an jüdische Kinder/Jugendliche erinnern (alle Aufn. Gmbo, 2015, aus: wikipedia.org, CCO)

 

Der jüdische Friedhof in Saarburg-Niederleuken ist nach Freudenburg die mit ca. 2.000 m² Fläche größte von insgesamt 15 jüdischen Begräbnisstätten im gesamten Kreisgebiet Trier-Saarburg. Von dem in den 1930er Jahren schwer geschändeten Friedhof blieben nur ca. zwölf Grabsteine unzerstört, die einige Jahre nach Kriegsende wieder aufgerichtet wurden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20215/Niederleuken%20Friedhof%20221.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20215/Niederleuken%20Friedhof%20210.jpg

Die wenigen erhalten gebliebenen Grabsteine und Relikte zerschlagener Steine (Aufn. J. Hahn, 2009)

 

 

Im wenige Kilometer nördlich von Saarburg gelegenen Wiltingen wurden für Angehörige der fünfköpfigen jüdischen Familie Meyer in der Bahnhofstraße „Stolpersteine“ verlegt.

Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier drei der fünf Stolpersteine (Aufn. aus: kulturdb.de)

 

 

In Niederzerf – östlich von Saarburg – lebten ab den 1830er Jahren sehr wenige jüdische Familien; zusammen mit einzelnen Familien aus Greimerath, Losheim a. See, Pellingen und Schillingen bildeten sie eine winzige Gemeinschaft, die kaum mehr als 20 bis 30 Personen zählte. Neben einem Betraum gab es einen um 1905 angelegten Friedhof. Ende der 1920er Jahre wurde ein angekauftes Gebäude zu einer Synagoge umgebaut, die 1930 eingeweiht wurde. Doch nur wenige Jahre war das Gotteshaus Mittelpunkt des religiösen Lebens der jüdischen Familien in Niederzerf und Umgebung. Nach vor dem Novemberpogrom 1938 wurde das Gebäude verkauft; 1945 fiel es Kriegseinwirkungen zum Opfer.

An die jüdische Ortsgeschichte erinnert heute noch der kleine Friedhof mit seinen elf Grabsteinen.

Jüdische Begräbnisstätte in Niederzerf (Aufn. J. Hahn, 2009)  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20215/Zerf%20Friedhof%20204.jpg

 

 

 

In Greimerath - zwischen Saarburg und Merzig gelegen, heute der Verbandsgemeinde Saarburg-Kell zugehörig - erinnern heute mehrere „Stolpersteine“ in der Hauptstraße an Angehörige der Familie Herrmann; einigen Familienmitgliedern gelang es, die NS-Zeit zu überleben.

Stolpersteine Greimerath 20190731.jpgStolpersteine für Fam. Herrmann (Aufn. A.D., 2019, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

In Losheim am See – nordöstlich von Merzig gelegen – erinnern seit 2009 vier sog. „Stolpersteine“ an die beiden jüdischen Ehepaare Hanau und Herrmann, die der NS-Gewaltherrschaft zum Opfer fielen. Die nur wenigen Juden Losheims hatten zur israelitischen Gemeinde von Niederzerf gehört

Aufn. A., 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

Hinweis: Im gleichnamigen lothringischen Saarburg (Sarrebourg) gründete sich in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine israelitische Gemeinde, die schnell wuchs und in den 1880er Jahren mehr als 1.000 Angehörige gezählt haben soll (?). Im Zuge der sog. „Hepp-Hepp-Krawalle“ von 1819 war es in der Stadt zu gewaltsamen antijüdischen Ausschreitungen gekommen. An Stelle eines kleinen Bethauses hatte die Gemeinde 1858 einen Synagogenneubau errichten lassen. Ab der Jahrhundertwende ging die Zahl der Juden der Kultusgemeinde Sarrebourgs deutlich zurück. Zusammen mit den Juden des Elsass wurden in der Zeit der deutschen Okkupation die jüdischen Bewohner Sarrebourgs nach Südfrankreich deportiert; 75 von ihnen wurden Opfer der Shoa.  vgl. Saarburg (Lothringen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Germania Judaica, Band II/2, Tübingen 1968, S. 726/727 und Band III/2, Tübingen 1995, S. 1284/1285

Richard Laufner, Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung im Gebiet des heutigen Kreises Trier-Saarburg, in: "Kreisjahrbuch Trier-Saarburg 1979", S. 166 f.

Arno Kirsch/u.a., Terrormaßnahmen der Nationalsozialisten aus rassischen, politischen und religiösen Gründen im ehemaligen Kreis Saarburg, dargestellt an ausgewählten Beispielen, Arbeit im Rahmen des “Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte” 1980/81

Rudolf Müller, Die Judengemeinde, in: Saarburg - Geschichte einer Stadt, Band 2, Saarburg 1991, S. 25 - 30

Günter Heidt, Auch hier bei uns .... Saarburg und der Nationalsozialismus, in: Saarburg - Geschichte einer Stadt, Band 2, Saarburg 1991, S. 67 ff.

Rudolf Müller, Der Friedhof der jüdischen Gemeinde in Saarburg, in: "Landeskundliche Vierteljahrsblätter" 3/1993

Cilli Kasper-Holtkotte, Juden im Aufbruch - Zur Sozialgeschichte einer Minderheit im Saar-Mosel-Raum um 1800, in: "Schriftenreihe der Gesellschaft zur Erforschung der Juden e.V.", Hrg. H.Castritius/u.a., Band 3, Hannover 1996

Rudolf Müller, Vor 60 Jahren: Reichspogromnacht und ‘Entjudung’ der deutschen Wirtschaft - Das Beispiel Saarburg 1938/1939, in: "Landeskundliche Vierteljahrsblätter" 44/1998, S. 163 - 174

Robert Reichard/Thomas Heidenblut, Synagogen im Landkreis Trier-Saarburg, Trier 1988 (2000), S. 90 - 93

Günter Heidt/Dirk S.Lennartz, Fast vergessene Zeugen - Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321 – 1943,

Saarburg 2000, S. 29 f., S. 151 ff., S. 200 f. und S. 218 f.

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 1140

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 329/330 (Saarburg) und S. 413/414 (Niederzerf)

Saarburg, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Bild- u. Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Niederleuken (Friedhof), in: alemannia-judaica.de

Niederzerf mit Greimerath und Schillingen, Pellingen sowie Losheim am See, in: alemannia-judaica.de

Thomas Müller, Kleine Gedenksteine am Straßenrand. Stolpersteine erinnern auch im Landkreis an Opfer des Nationalsozialismus, in: "Jahrbuch des Kreises Trier Saarburg 2008",  S. 234 - 239 (Anm. hier auch Biografisches zur jüdischen Familie Meyer aus Wiltingen)

Henry Selzer, Unrecht auf dem Land – die Geschichte der Losheimer Juden. Ein alternatives Heimatbuch, in: „Losheimer Reihe zur Heimatgeschichte“, No. 8, Losheim am See 2010

Alexander Schumitz (Red.), „Nazi-Dreck schlummert in vielen Köpfen“ - Verfolgung von Juden in Saarburg. Gunter Demnig verlegt in Saarburg 32 Stolpersteine, in: volksfreund.de vom 27.8.2013

Auflistung der in Saarburg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Saarburg

Auflistung der in Greimerath verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: dewiki.de/Lexikon/Liste_der_Stolpersteine_in_Greimerath_(bei_Trier)

Auflistung der in Wiltingen erlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Wiltingen

Kulturdatenbank – Stolpersteine in Wiltingen (mit detaillierten biografischen Angaben), online abrufbar unter: kulturdb.de/einobjekt.php?id=

Auflistung der in Losheim a.See verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Losheim_am_See

N.N. (Red.), Neue Webseite zeigt Schicksale hinter Stolpersteinen in Saarburg – wider das Vergessen, in: volksfreund.de vom 26.1.2021

N.N. (Red.), Selbst steinerne Bruckstücke erzählen Geschichte, in: volksfreund.de vom 21.6.2021 (betr. jüdischer Friedhof in Saarburg-Niederleuken neben dem Grundbach)

N.N. (Red.), Neuauflage der Stolperstein-Broschüre stellt die Schicksale der Menschen in Saarburg vor, in: „Saar-Mosel-News“ vom 21.10.2022