Schaffhausen (Schweiz)
Schaffhausen ist eine Stadt am Hochrhein mit derzeit ca. 35.000 Einwohnern, Hauptort des Schweizer Kantons Schaffhausen (Kartenskizze, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die Stadt, die bis 1415 dem habsburgischen Herzögen von Vorder-Österreich unterstand und danach Reichsfreiheit erlangte, beherbergte in ihren Mauern stets nur wenige jüdische Familien.
Im Februar 1349 wurden die Juden wegen angeblicher Brunnenvergiftung verbrannt; Geständnisse waren unter der Folter erpresst worden. Zu den zum Feuertod Verurteilten zählten der Rabbiner Aaron ben Mose und weitere ca. 40 Juden. Ihre Häuser kamen in den Besitz der Stadt bzw. der Herzöge von Österreich. Die Schulden der Bürger bei den Juden wurden für nichtig erklärt.
Nach den Verfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes (1349) ist dann 1370 erneut ein Jude in Schaffhausen bezeugt; zwei Jahrzehnte später sollen es immerhin 17 Familien (mit ca. 60 Personen) gewesen sein, die sich hier in der oberen Neustadt, im Stadthof und am Roßmarkt, niedergelassen hatten. Ihren Lebenserwerb bestritten sie vor allem im Geldverleih. Eine „Judenschule“ (Synagoge) ist Ende des 14.Jahrhunderts dokumentiert.
1401 kam es wegen eines angeblichen Ritualmordes in Diessenhofen zu weiteren Verfolgungen; ein Gerücht und eine falsche Mordbeschuldigung führten in Schaffhausen (und auch in Winterthur) zu einem Blutbad unter der jüdischen Bevölkerung; so wurden etwa 30 erwachsene Juden/Jüdinnen - etwa die Hälfte aller jüdischen Stadtbewohner - einer grausamen Folter unterzogen und am 25. Juni 1401 verbrannt.
aus der Luzerner Chronik des Diebold Schilli
Nach kurzzeitigen Vertreibungen (1401), die von der Stadt ausgegangen, vom Landesherrn aber nicht gebilligt worden waren, kehrten einige Familien wieder in die Stadt zurück. Ein kollektiver Schutzbrief des Landesherrn schützte nun die Juden Schaffhausens in den Folgejahrzehnten vor möglichen Übergriffen; auch der Magistrat übertrug ihnen zeitlich unbefristete Privilegien und nahm sie „zu ihren eingesessenen Bürgern“ auf. Allerdings waren Juden verpflichtet, ein rotes judenhutförmiges Abzeichen sichtbar auf ihrer Kleidung zu tragen.
Ihre Toten wurden damals vermutlich auf dem Überlinger Friedhof begraben.
Bis zum endgültig erlassenen Aufenthaltsverbot (1472) hielten sich stets bis zu fünf Familien in Schaffhausen auf. Um 1550 wurde es Juden verboten, auch nur in der Stadt zu übernachten. Den Höhepunkt der Judenfeindschaft hielt der Chronist mit dem schlichten Satz fest: „1562 am 22. Juli wurde der letzte in Schaffhausen wohnende Jude verbannt.“
Schaffhausen um 1850 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts war eine Niederlassung jüdischer Familien in Schaffhausen untersagt.
Danach wurden die jüdischen Bewohner im Kanton Schaffhausen mit den christlichen gleichgestellt. 1852 zählte man in der Stadt neun jüdische Einwohner, um 1875 waren es ca. 25, 1917 dann etwa 40 Personen im Kanton Schaffhausen. Zur Gründung einer Gemeinde kam es hier aber nicht.
In der NS-Zeit war der Kanton Schaffhausen ein zentraler Anlaufpunkt für verfolgte deutsche Juden. Wurden die Flüchtlinge aus Deutschland zunächst „geduldet“, so änderte sich diese Haltung im August 1938: Der legale und illegale Grenzübertritt war fortan kaum mehr möglich, da die Grenzsicherung von deutscher und schweizerischer Seite verstärkt wurde und aufgegriffene Menschen zurückgeschickt wurden.
Seit 2018 erinnert eine (neue) Gedenktafel in der Schaffhauser Neustadt an die vor mehr als sechs Jahrhunderte geschehene Ermordung der damaligen jüdischen Bevölkerung.
Anmerkung.: Inschriftentext siehe: peterneukomm.ch/mahnmal-fuer-toleranz
Stein, eine Kleinstadt an Rhein und Untersee, beherbergte in ihren Mauern im späten Mittelalter eine kleine jüdische Gemeinschaft. Die wenigen Familien - es waren kaum mehr als fünf - standen zunächst unter dem Schutz der Freiherrn von Hohenklingen, danach unter dem der Stadt. Nach den Verfolgungen der Pestzeit sind seit dem beginnenden 15.Jahrhundert erneut Juden in Stein urkundlich bezeugt; sie verdienten ihren Lebensunterhalt zumeist im Geldhandel in der Region. Nachdem die Stadt 1488 die Schutzbriefe nicht erneuerte, mussten die jüdischen Familien die Stadt verlassen.
Anmerkungen: Die Region Fricktal liegt im Kanton Aargau östlich von Basel, bestehend aus den aargauischen Verwaltungsbezirken Rheinfelden und Laufenburg a. Rh. sowie aus Teilen der Verwaltungsbezirke Brugg im Osten und Aarau im Süden. Im Norden grenzt die Region an Deutschland. Nachdem das Fricktal ab ca. 1390 ein Teil des vorderösterreichischen Verwaltungsgebietes (zum Breisgau zählend) geworden war, gelangte es im Jahre 1803 zum Kanton Aargau.
Im Fricktal haben Juden zwar keine sichtbaren Spuren (wie z.B. Friedhöfe, Synagogen) hinterlassen, ebenfalls fehlt es an originären jüdischen Beiträgen, doch waren sie hier – allerdings in stark begrenzter Zahl – über Jahrhunderte hinweg präsent. Angezogen durch neue Märkte und die judenfreundliche Politik der österreichischen Herzöge kamen bereits Ende des 13.Jahrhunderts jüdische Geldverleiher und Kaufleute in die neu gegründeten Städte Rheinfelden und Laufenburg. Nach der Vertreibung aller Juden aus Vorderösterreich erreichten aber weiterhin jüdische Waren-, Pferde- und Viehhändler aus dem Elsass, der Markgrafschaft Baden sowie aus Endingen u. Lengnau das Fricktal und versorgten die dort ansässige christliche Bevölkerung mit Gebrauchwaren, Nutztieren und kurzfristigen Krediten, was den Widerstand der einheimischen Kaufmannschaft hervorrief.
Auch nach ihrer Emanzipation (1862) wurden die hier lebenden Juden weiterhin als „unwillkommene Fremde“ angesehen, was sich z.B. in Schikanen der Stadtmagistrate von Laufenburg und Rheinfelden dokumentierte. Folge dieser antijüdischen Haltung war dann die gegen Ende des 19.Jahrhunderts sich vollziehende Abwanderung der relativ wenigen Juden in die Großstädte des Landes.
In Diessenhofen - einem Grenzort wenige Kilometer östlich von Schaffhausen - ist nach den Verfolgungen Mitte des 14.Jahrhunderts erstmals wieder 1396 ein Jude urkundlich nachgewiesen. Ein angeblicher Ritualmord an einem christlichen Jungen führte wenige Jahre später zu Exzessen gegen Juden der Region (siehe oben).
Gegen Ende des 15.Jahrhunderts sollen hier sich bis zu zwölf Familien aufgehalten haben; einige davon hatten doppelte Wohnsitze in Konstanz, Schaffhausen, Winterthur oder Zürich. Ihr Haupterwerb lag im Geldhandel und -verleih; Schuldner waren Adlige und Bürger im Raum Konstanz – Zürich. 1401 war Diessenhofen Schauplatz eines angeblichen Ritualmordes an einem christlichen Jungen; das Grab des „unschuldigern Konrads“ galt lange Zeit als Pilgerstätte. Mit Ablauf ihrer Schutz- und Privilegienbriefe wurden die Juden 1491 aus dem nun zur Eidgenossenschaft gehörenden Diessenhofen vertrieben.
Im 19./20.Jahrhundert gab es in Diessenhofen einige jüdische Gewerbebetriebe, die von Familien aus dem gegenüberliegenden Gailingen betrieben wurden.
Anm.: Die jüdischen Bürger der Hochrheingemeinde Gailingen feierten von ca. 1860 bis 1933 ihre eigene Fasnacht; so wurde Purim in großem Stil mit Umzügen und Bällen begangen. So sollen Hundert Juden aus der Region und aus Orten der Nordschweiz sich in Gailingen u. Diessenhofen versammelt haben, um hier ausgiebig das Purim-Fest zu feiern; dabei sollen sie auch Bräuche der alemannischen Fastnacht angenommen haben.
vgl. dazu auch: Gailingen (Baden-Württemberg)
Weitere Informationen:
Hans Wilhelm Harder, Ansiedlung, Leben und Schicksale der Juden in Schaffhausen, in: "Beiträge zur vaterländischen Geschichte", 1/1863, S. 33 – 70
Leopold Löwenstein, Geschichte der Juden am Bodensee und Umgebung, 1879
Germania Judaica, Band II/2, Tübingen 1968, S. 740/741, Band III/1, S. 230 – 232 (Diessenhofen), Band III/2, Tübingen 1995, S. 1307 – 1315 (Schaffhausen) und S. 1407/1408 (Stein a.Rhein)
Oliver Landolt, „Wie die juden zu Diessenhofen ein armen knaben ermurtend, und wie es inen gieng“. Ritualmordvorwurf und die Judenverfolgungen von 1401, in: "Schaffhauser Beiträge zur Geschichte", 73/1996, S. 161 – 194
Franco Battel, „Wo es hell ist, dort ist die Schweiz“. Flüchtlinge und Fluchthilfe an der Schaffhauser Grenze zur Zeit des Nationalsozialismus, in: "Schaffhauser Beiträge zur Geschichte", Chronos-Verlag Zürich o.J.
Helmut Fidler, Jüdisches Leben am Bodensee, Frauenfeld/Stuttgart/Wien 2011
Schaffhausen, in: alemannia-judaica.de
Diemuth Königs, Juden im Fricktal – Geschichte einer Minderheit vom 13. bis zum 20.Jahrhundert, Schwabe-Verlag, Basel 2016
Hans Christof Wagner (Red.), Toleriert, aber nicht willkommen. Historikerin schreibt ein Buch über die Juden im Fricktal, in: „Aargauer Zeitung“ vom 1.7.2016
Ralph Denzel (Red.), Jüdische Flüchtlinge in Schaffhausen während des Krieges, in: "Schaffhauser Nachrichten“ vom 27.1.2018
Adriana Schneider (Red.), Die Stadt Schaffhausen entschuldigt sich nach 600 Jahren, in: „Kirchenbote“ vom 14.9.2018
Ralph Denzel (Red.), Wie 1401 ein Gerücht allen Juden in Schaffhausen das Leben kostete, in: „Schaffhauser Nachrichten“ vom 17.9.2018
Mareike Heering, Jüdisch-christliche Interaktion am Bodensee im Spätmittelalter: Eine Spurensuche in den Archiven von Konstanz und Schaffhausen, in: Schriftenreihe Konstanzer Geschichts- u. Rechtsquellen, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2024