Scheinfeld (Mittelfranken/Bayern)

Datei:Scheinfeld in NEA.svg Scheinfeld ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 4.800 Einwohnern im Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim – zwischen Würzburg (im NW) und Nürnberg (im SO) gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Neustadt a.d. Aisch - Bad Windsheim', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In den Jahrzehnten um die Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die jüdische Gemeinde ihren personellen Zenit; zeitweilig war damals jeder 8.Ortsbewohner mosaischen Glaubens.

Vermutlich gehörten die ersten jüdischen Bewohner von Scheinfeld zu den 1499 aus Nürnberg vertriebenen Familien, die sich auf dem Gebiet des Fürstentums Schwarzenberg ansiedeln durften. Erstmals wird die Existenz eines Juden in Scheinfeld 1525 im Zinsregister der Stadt erwähnt. Aus dem Jahre 1644 stammt ein Schutzbrief des Grafen Johann Adolf von Schwarzenberg, in dem er die Erlaubnis erteilte, „in der Grafschaft zu wohnen, eine Synagoge zu halten, Rabbiner, Vorsänger und Schulmeister aufzunehmen und zu ihren jüdischen Ceremonien, wie zu Prag, Frankfurt, Worms, oder sonst im Röm. Reich und Land zu Franken es üblich und Herkommen ist, zu gebrauchen.

Im 17./18.Jahrhundert sollen in Scheinfeld relativ viele jüdische Familien gelebt haben, die - mit zahlreichen Privilegien ausgestattet - unter besonderem Schutz der fürstlichen Landesregierung standen. Mit der christlichen Bevölkerungsmehrheit gab es zuweilen Konflikte, die sich zumeist an wirtschaftlichen Fragen entzündeten. Die jüdischen Familien wohnten ghettoartig in der „Judengasse“, der heutigen Bogenstraße.

  Jüdisches Viertel/Judengasse, Holzschnitte von Elly Jüngling-Wiesner

In der „Judengasse“ stand seit Mitte des 17.Jahrhunderts auch das Bethaus; es war auf einem 1651 vom Grafen von Schwarzenberg veräußerten Grundstück erstellt worden. Eine neue Synagoge wurde 1800 erbaut und 1926 renoviert.

           aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18.Januar 1904

Ein Schulhaus mit Lehrerwohnung und eine Mikwe gehörten ebenfalls zum Besitz der Gemeinde. Die im 19.Jahrhundert eingerichtete jüdische Elementarschule wurde Mitte der 1920er Jahre geschlossen.

Verstorbene Gemeindeangehörige fanden anfänglich auf dem zentralen Friedhof in Rödelsee, später dann auf dem in Ullstadt ihre letzte Ruhe.

Die jüdische Gemeinde gehörte bis Ende der 1870er Jahre dem Distriktrabbinat Uehlfeld an, danach unterstand sie dem Bezirksrabbinat Fürth.

Juden in Scheinfeld:

          --- 1587 .........................  6 jüdische Familien,

    --- 1701 ........................  15     "        "   ,

    --- 1737 ........................   7     “        “   ,

    --- 1765 ........................  20     “        “   ,

--- um 1810 .....................  81 Juden (ca. 8,5% d. Bevölk.),

    --- 1837 ........................ 110   “   (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- um 1865 .....................  28 jüdische Familien,

    --- 1871 ........................ 125 Juden (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- 1900 ........................  84   "  ,

    --- 1910 ........................  89   "   (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1925 .................... ca.  70   “  ,

    --- 1933 ........................  49   “  ,

    --- 1935 (Mai) ..................  38   “  ,

    --- 1938 (Okt.) .................  18   “  ,

         (Dez.) .................   2   “  ,

    --- 1941 (Dez.) .................   keine.

Angaben aus: Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 222         

         Scheinfeld Illustration Stumpf 1852.jpg  Scheinfeld um 1850 (Abb. aus: commons.wikimedia. gemeinfrei)

         

Lehrstellenangebote jüdischer Geschäftsleute: Anzeigen aus den Jahren 1892, 1898 und 1903

 

Um 1930 lebten die meisten jüdischen Bewohner Scheinfelds vom Viehhandel; einige führten kleine Textilgeschäfte. Auf Grund des Wirtschaftsboykotts und der gesellschaftlichen Ausgrenzung verließen die meisten jüdischen Bewohner bis 1938 die Kleinstadt.

Das gesamte Inventar und alle Ritualien des Synagogengebäudes wurden während des Novemberpogroms von SA-Angehörigen zerstört; baulich blieb das Synagogengebäude zunächst erhalten, später wurde es aber abgerissen. SA-Trupps drangen auch in von jüdischen Familien bewohnte Häuser ein, holten die Menschen heraus und setzten sie im städtischen Gefängnis fest, in dem auch Juden der Umgebung inhaftiert wurden. Dem hiesigen Bürgermeister gelang schließlich ihre Freilassung. Weitere Gewaltakte sollen hier unterblieben sein, auch jüdischer Besitz wurde nicht angetastet. Unmittelbar nach dem Pogrom wurden die verbliebenen Scheinfelder Juden gezwungen, ihren Besitz zu verkaufen und den Ort innerhalb einer Woche zu verlassen; bis zum 18.November 1938 hatten sich alle Scheinfelder Juden polizeilich abgemeldet.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..."  wurden insgesamt 34 gebürtige bzw. längere Zeit in Scheinfeld ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/scheinfeld_synagoge.htm).

Drei Jahre nach Kriegsende fand vor dem Landgericht Nürnberg/Fürth ein Prozess gegen ca. 20 am Novemberpogrom in Scheinfeld Beteiligte statt; 13 Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.

 

Anfang 1993 wurde in Scheinfeld ein Gedenkstein enthüllt, der eine Tafel mit der folgenden Inschrift trägt:

EWIGE ERINNERUNG

Uns Lebenden zur Mahnung, den kommenden Generationen zur eindringlichen Lehre.

Unweit dieser Stelle befand sich bis 1938 die Synagoge in der ehemaligen Judengasse.

Dem ehrenden Andenken ihrer jüdischen Mitbürger widmet die Stadt Scheinfeld diesen Gedenkstein.

Am 7.Nov. 1990

Der Stadtrat der Stadt Scheinfeld

Eingebunden sei ihre Seele im Bündel des Lebens

 Gedenktafel (Aufn. Jürgen Hanke, aus: alemannia-judaica.de)

Das ehemalige jüdische Schulhaus wird heute als Wohnhaus genutzt; am Gebäude befindet sich eine Informationstafel zur Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde.

2008 wurde der erste (und bislang einzige) sog. „Stolperstein“ in der Würzburger Straße verlegt.

  Aufn. Chr. Michelides, 2020, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 

 

 

In Burgambach - heute Stadtteil von Scheinfeld - bestand bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde. Erstmals wurden 1599 zwei Juden im Dorf genannt. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten ein Betraum, eine Religionsschule und eine Mikwe. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Ullstadt beerdigt. In den 1860er Jahren lebten am Ort noch vier jüdische Familien. In diese Zeit fiel auch die Auflösung der Gemeinde; das Bethaus wurde veräußert, in den 1920er Jahren abgerissen.

 

 

Im Dörfchen Schnodsenbach - heute Ortsteil der Stadt Scheinfeld - gab es vom 18.Jahrhundert bis um 1900 eine jüdische Kultusgemeinde; der Ort war Teil der Grundherrschaft der Fürsten Schwarzenberg. Bei Aufstellung der Matrikel in den 1820er Jahren wurden ca. 20 jüdische Familien/Haushaltungen genannt. Ihren Lebenserwerb bestritten sie zumeist im Klein- bzw. Schacherhandel und im Viehhandel.

Die Zahl der Gemeindeangehörigen betrug in den 1830er Jahren etwa 80 Personen; um 1870 lebten noch zwölf Familien im Dorf. Außer einem Friedhof – verstorbene Juden aus Schnodsenbach wurden in Ullstadt begraben – verfügte man über Betsaal, Schulraum und Frauenbad. Nach Auflösung der kleinen Gemeinde gehörten die verbliebenen jüdischen Bewohner der Scheinfelder Kultusgemeinde an; 1913 lebten noch fünf, 1925 dann nur noch drei Personen im Dorf.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..."  wurden sieben aus Schnodsenbach stammende jüdische Bewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/schnodsenbach_synagoge.htm).

Das einstige als Gotteshaus genutzte Gebäude – es war bereits 1899 veräußert worden - ist in seiner Bausubstanz bis heute erhalten.

   http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20247/Schnodsenbach%20Synagoge%20122.jpg

Ehem. Synagogengebäude (links: Israel Schwierz, 1992 - rechts: Jürgen Hanke, 2004, aus: alemannia.judaica.de)

 

 

Weitere Informationen:

Max Bernhard Schwab, Geschichte der Stadt und Pfarrei Scheinfeld im ehemaligen Fürstentum Schwarzenberg (Mittelfranken), Scheinfeld 1912

Karl Fürst zu Schwarzenberg, Judengemeinden Schwarzenbergischer Herrschaften, in: "Schwarzenbergischer Almanach 1968", S. 284 - 298

Protokolle der Israelitischen Cultusgemeinde Scheinfeld 1842 - 1935, zugänglich unter www.nicoly.de/cultusgemeinde

Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, München/Wien 1979, S. 222/223

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern - eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 188 und S. 190

Scheinfeld, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Text- und Bildbeiträgen)

Schnodsenbach, in: alemannia-judaica.de 

Burgambach, in: alemannia-judaica.de

B. Eberhardt/H.-Chr. Haas, Scheinfeld, in: Mehr als Steine ... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band II: Mittelfranken, Kunst Verlag Josef Fink, Lindenberg 2010, S. 563 - 574

Leonard van Rooyen (Bearb.), Protokolle der israelitischen Cultusgemeinde Scheinfeld, online abrufbar unter: nicoly.de/cultusgemeinde/israel.htm

Wolfgang Wüst (Bearb.), Christlich-jüdisches Dorfleben im bayrischen Kataster – Der mittelfränkische Fall Schnodsenbach, in: E. Schneider, Altfränkische Bilder 16/2021, Würzburg 2020, S. 23 - 25