Schweppenhausen (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Waldhilbersheim (Rheinland-Pfalz) Schweppenhausen mit derzeit ca. 900 Einwohnern ist heute ein Teil der Verbandsgemeinde Langenlonsheim-Stromberg im Landkreis Bad Kreuznach - ca. 15 Kilometer nördlich der Kreisstadt gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Bad Kreuznach', aus: kvplusr.de).

 

Die kleine jüdische Gemeinde Schweppenhausens, deren Wurzeln vermutlich im 18.Jahrhundert liegen, erreichte gegen Mitte des 19.Jahrhunderts ihren personellen Höchststand; allerdings gehörten der Gemeinde zu keiner Zeit mehr als 75 Angehörige an. Eine Synagoge gab es im Dorf seit den 1840er Jahren; diese wurde zeitweilig auch von den Glaubensgenossen aus Windesheim aufgesucht. Nachdem das Gebäude um 1860 bei einem Brand zerstört worden war, weihte die kleine Gemeinde drei Jahre später ein neues Synagogengebäude mit Schulzimmer und Lehrerwohnung ein.      

Über die Einweihungsfeierlichkeit, die unter Leitung des Kreuznacher Rabbiners Bamberger stattfanden, berichtete die Zeitschrift „Der Israelit” am 28.Oktober 1863 wie folgt:

Schweppenhausenbei Kreuznach, (verspätet). Gott hat geholfen, unsere Synagoge ist vollendet und wir haben bereits am verflossenen Sabbat unseren Gottesdienst in derselben begonnen. Die Unterzeichneten finden sich daher, ..., ihren wärmsten Dank allen ...auszusprechen, die mit Rath und That dazu beigetragen haben, daß unser Gotteshaus seine Vollendung, ja so bald seine Vollendung erreicht hat. Das Andenken an die Freude der Einweihung wird zeitlebens nicht aus unserm Herzen sowie aus dem unserer Kinder und Enkel weichen. Man konnte diese Einweihung ein wahres religiöses Volksfest nennen. Die ganze Umgegend, Israeliten wie Nichtisraeliten betheiligten sich daran ... Die Straßen des Dorfes sowie die Synagoge wurden von unseren christlichen Mitbürgern mit Blumen, Kränzen, Bäumchen etc. geschmückt, besonders war dabei Herr Postmeister Lang von hier recht tätig.
Die Einweihung begann Freitag, nachmittags 5 Uhr mit Minchagebet in der Stube, die seitdem unsere alte Synagoge ein Raub der Flammen geworden, als Betlokal diente und nachdem hierauf Herr Rabbiner Bamberger aus Kreuznach eine kurze, aber herzliche Abschiedsrede gesprochen, begann ein unabsehbarer Zug von diesem Betlokal aus sich zur neuen Synagoge hin zu bewegen. .... Herr Cantor N. Cahn aus Bingen leistete hierbei Vortreffliches. Drei Thorarollen, von den Ältesten der Gemeinde unter einem Himmel getragen, bildeten den Anfang des Zuges. An der Synagoge angelangt, überreichte der Herr Bürgermeister Dheil von Windesheim dem Herrn W. P. Heymann aus Copenhagen, der unsere Gemeinde mit einer prachtvollen Sepher Thora beschenkt hatte und sich, da er gerade auf Reisen in unserer Gegend sich befand, bei unserm Feste einfand, den Schlüssel zur Synagoge, der sie, nach vorausgeschickten herzlichen Glückwünschen öffnete. ... Nach dem Eintritte ward in der Synagoge Ma towu ("Wie lieblich…") gesungen und einige passende Psalmen vom Cantor und der Gemeinde rezitiert. Hierauf hielt der Rabbiner die Einweihungsrede über Psalm 24,1-6, die einen ungeteilten Beifall sowohl bei Israeliten wie bei Nichtisraeliten erntete. Unter den zahlreichen christlichen Anwesenden befanden sich auch der königliche Friedensrichter von Stromberg, die Herren Bürgermeister von Windesheim und Stromberg und andere Persönlichkeiten höheren Ranges. Ein eigentliches Festessen fand wohl nicht statt, allein in jeder Familie wurden so viele herbeigekommenen Gäste bewirthet, dass man sagen konnte, in einem jeden Hause fand ein Festmahl statt.
So hat nun der allgütige Gott unserer kleinen Gemeinde einen Tag geschenkt, der nie aus unserm Gedächtnisse schwinden wird.
Friedrich Albenberg, Vorsteher

Marx, Vorsteher.

Der jüdische Friedhof am Kallenberg, ca. einen Kilometer südlich des Ortes gelegen, wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts angelegt.

Juden in Schweppenhausen:

         --- 1808 .......................... 52 Juden (ca. 12% d. Dorfbev.),

    --- 1827 .......................... 72   “  ,

    --- 1858 .......................... 63   “   (ca. 10% d. Dorfbev.),

    --- 1895 .......................... 35   “  ,

    --- 1925 .......................... 19   “  ,

    --- 1933 .......................... 10   "  ,

    --- 1939 ..........................  6   “  ,

    --- 1942 ..........................  keine.

Angaben aus: Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, S. 341

 

Als sich die Auflösung der kleinen Gemeinde abzeichnete, wurde das Synagogengebäude wenige Wochen vor dem Novemberpogrom 1938 an einen hiesigen Landwirt verkauft, der das Gebäude fortan als Scheune nutzte. Die wenigen Juden Schweppenhausens suchten nun die Synagoge in Seibersbach auf. 

Während der NS-Zeit wurde der jüdische Friedhof verwüstet, Grabsteine umgeworfen bzw. entwendet; bei Kriegsende soll das Areal völlig zugewuchert gewesen sein.

1942 wurden die letzten vier verbliebenen jüdischen Dorfbewohner "in den Osten" deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 18 aus Schweppenhausen stammende jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe. alemannia-judaica.de/schweppenhausen_synagoge.htm).

 

Von dem nach 1945 wiederhergerichteten Friedhof - das leicht hügelige Waldgelände liegt etwa einen Kilometer südlich der Ortsmitte – zeugen auf einer Fläche von ca. 1.200 m² noch etwa 35 Grabsteine von der einstigen jüdischen Gemeinde des Dorfes; der älteste noch lesbare Stein datiert von 1869.

Jüdischer Friedhof bei Schweppenhausen (Aufn. J. Hahn, 2005)

 

 

Seit 2019 erinnern in der Staatsstraße in Stromberg fünf sog. „Stolpersteine“ an Angehörige der jüdischen Familie Jungblut; vier von ihnen wurden deportiert und ermordet; nur die 1926 geborene Lydia J. konnte mit fremder Hilfe in Holland überleben.

Stromberg Stolperstein Staatsstraße 11 Isaak Jungblut.jpgStromberg Stolperstein Staatsstraße 11 Klara Jungblut.jpgStromberg Stolperstein Staatsstraße 11 Max Jungblut.jpgStromberg Stolperstein Staatsstraße 11 Franziska Jungblut.jpgStromberg Stolperstein Staatsstraße 11 Lydia Jungblut.jpg

  Aufn. Alfons Tewes, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

Weitere Informationen:

Kreisverwaltung Bad Kreuznach (Hrg.), Die jüdischen Synagogen im Landkreis Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 1988, S. 37/38

Dokumentation: Jüdische Grabstätten im Kreis Bad Kreuznach. Geschichte und Gestaltung, in: "Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach", Band 28, 1995, S. 379 - 389

Denkmalschützer wollen alte Synagoge für die Nachwelt sichern, in: "Rheinzeitung Bad Kreuznach" vom 17.5.1998

Schweppenhausen, in: alemannia-judaica.de

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 341

Norbert Krupp (Red.), Stadt Stromberg: Stadtrat befürwortet Stolpersteine, in: „Allgemeine Zeitung – Rhein-Main-Presse“ vom 14.12.2017

Norbert Krupp (Red.), Fünf Stolpersteine in Stromberg verlegt, in: „Allgemeine Zeitung – Rhein-Main-Presse“ vom 29.6.2019