Springe/Deister (Niedersachsen)

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/0/0f/Lage_Kreis_Pyrmont.jpgDatei:Springe in H.svg Springe ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 30.000 Einwohnern – etwa 20 Kilometer südwestlich der Landeshauptstadt Hannover bzw. nördlich von Hameln gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Region Hannover', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Ansicht von Springe – M. Merian, Stich um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Aus den Hildesheimer Gerichtsprotokollen von 1451 stammt der erste Hinweis auf den Aufenthalt von zwei Juden in der Nähe von Springe. Der erste sichere Beleg für jüdisches Leben in Springe, einem kleinen Städtchen im Calenberger Lande, liegt aus der Mitte des 18.Jahrhunderts vor; zu dieser Zeit sollen drei „Schutzjuden“ mit ihren Familien hier ansässig gewesen sein. Bis ins beginnende 19.Jahrhundert hinein sorgten Klein- und Trödelhandel für ihren schmalen Lebenserwerb.

Um 1840 gab es in Springe eine kleine Synagoge in einem schmalen Fachwerkhaus; die Frauen fanden auf einer Art Empore im Dachgeschoss Platz; im Erdgeschoss lag eine kleine Lehrerwohnung. Eine Mikwe war in der Echternstraße vorhanden. Eine Mitte des 19.Jahrhunderts eingerichtete jüdische Elementarschule existierte bis ca. 1880; dann wurde sie wegen sinkender Schülerzahl geschlossen. Religionsunterricht erteilte fortan ein Lehrer, der aus Hannover bzw. Eldagsen hierher kam. Um 1880 umfasste die Gemeinde nur noch einige Dutzend ältere Mitglieder. Den Gottesdienst zelebrierte in unregelmäßigen Abständen ein auswärtiger Rabbiner; seit Beginn des 20.Jahrhunderts soll der Synagogenraum kaum mehr benutzt worden sein.

In Springe hat es im Laufe der Zeit drei jüdische Friedhofe gegeben; der älteste Begräbnisplatz war bereits 1743 vor dem Tore „Auf der Kluß“ angelegt worden. Das im Anschluss genutzte Friedhofsgelände lag im Domänenhof, dem heutigen Volkspark; hier sollen die ersten Begräbnisse im 19.Jahrhundert stattgefunden haben. Ab Ende des Jahrhunderts diente ein Gelände vor der Stadt („Auf der Großen Höhe“) als neuer Friedhof.

Zur Synagogengemeinde Springe im Landrabbinat Hannover gehörten die Orte Benningsen und Völksen, zeitweilig auch Flegessen.

Juden in Springe:

         --- um 1745 ..................... ca. 20 Juden,

    --- 1824 ............................ 43   “  ,

    --- 1861 ............................ 54   “  ,

    --- 1871 ............................ 50   “  ,

    --- 1885 ............................ 39   “  ,

    --- 1895 ............................ 47   “  ,

    --- 1905 ............................ 27   “  ,

    --- 1925 ............................ 12   “  ,

    --- 1931 ............................ 21   “  ,

    --- 1933 ............................  6   “  ,

    --- 1938 ............................  5   “  ,

    --- 1942 (März) .....................  ein “ ().

Angaben aus: Friedel Homeyer, Gestern und heute - Juden im Landkreis Hannover, Hannover 1984, S. 100

Ak Springe am Deister, Partie in der BohnstraßeBohnstraße in Springe (Abb. aus: akpool.de)

 

Ihre größte Zahl erreichte die jüdische Gemeinde in Springe in den 1860er Jahren mit mehr als 50 Angehörigen; dies entsprach etwa 2,5% der Gesamtbevölkerung des Landstädtchens. In den Jahrzehnten danach ging die Zahl der jüdischen Familien stetig zurück. Schon vor der Zeit des Nationalsozialismus lebten in Springe nur noch etwa 20 meist ältere Juden; fast alle als Kaufleute tätig; ihre Kundschaft war vor allem die ländliche Bevölkerung des nahen Umlandes. Ausdruck des relativen Wohlstandes der Juden Springes waren deren Wohn- und Geschäftshäuser im Zentrum der Kleinstadt, in der Langen Straße. Spannungen zwischen den Christen und Juden soll es in Springe nicht gegeben haben; vielmehr waren Juden in das kommunale Leben voll integriert. Auch nach der NS-Machtübernahme 1933 gab es in der Lokalpresse keine antisemitische Hetze; einige von NSDAP-Mitgliedern am Ortseingang aufgestellte Schilder mit der Aufschrift „Die Juden sind unser Unglück” sollen bereits nach einigen Tagen wieder entfernt worden sein.

Unter den mehr als 1.000 im Frühjahr 1942 deportierten Juden aus dem Zuständigkeitsbereich der Gestapoleitstellen Braunschweig, Hannover und Münster befanden sich auch einige aus Springe. Die Spuren der Deportierten verloren sich in Trawniki bei Lublin.                       

 

Die ehemalige Synagoge in der Langen Straße - zunächst als Wohnhaus, danach als Lagerraum benutzt - ist dem Verfall preisgegeben. Der 1981 aufgefundene Thora-Schrein befindet sich in Obhut der Gemeinde Hannovers.

Bei einem ökumenischen Jugendprojekt in Springe entstand 1997 an der St. Andreas-Kirche ein steinernes Denkmal, das christliche und jüdische Symbole trägt und die Verbundenheit beider Religionen symbolisieren soll; einer der bearbeiteten Blöcke zeigt z.B. eine Menora.

Bearbeitete Gedenkblöcke (Aufn. aus: hannover.de)

Seit 2005 erinnern zwei sog. „Stolpersteine“ in der Fußgängerzone „Zum Niederntor“ an die beiden ehemaligen Bewohner Emilie Goldschmidt geb. Weil und ihren Sohn.

Aufn. D.m.t., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

Im Museum auf dem Burghof gibt es eine Dauerausstellung über die Geschichte der Synagogengemeinden in Springe und Eldagsen.

vgl. dazu:  Eldagsen (Niedersachsen)

 

In Gestorf – heute Ortsteil von Springe – erinnert unterhalb des Limberges ein kleiner Friedhof mit ca. 20 Grabsteinen an die jüdische Geschichte des Dorfes. Das Begräbnisgelände soll in den 1780er Jahren angelegt worden sein. Die wenigen jüdischen Familien des Dorfes waren der Synagogengemeinde Eldagsen angeschlossen.

Auf dem Friedhof - an der Kreisstraße nach Völksen gelegen – findet man heute 22 Grabsteine; der älteste stammt aus dem Jahr 1783.

Gestorf Juedischer Friedhof.JPG 

Eingangspforte und Blick auf den jüdischen Friedhof (Aufn. D., 2015 und  C. Franz, 2012, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Seit 2015 erinnern drei sog. "Stolpersteine" an Angehörige der jüdischen Familie Abrahamson, deren letzter Wohnsitz In der Welle war.

       Stolperstein Isaak AbrahamsonStolperstein Bertha AbrahamsonStolperstein Ella AbrahamsonAufn. D.m.t., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

Im Springer Ortsteil Völksen findet man auch ein jüdisches Friedhofsgelände, das heute allerdings nur noch einen einzigen Stein aufweist

einziger Grabstein (Aufn. D.m.t., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Friedel Homeyer, Der Jüdische Friedhof in Springe, in: Gestern und heute - Juden im Landkreis Hannover, Hannover 1984, S. 195 und S. 264 - 266

Friedel Homeyer, Der Jüdische Friedhof in Gestorf, in: Gestern und heute - Juden im Landkreis Hannover, Hannover 1984, S. 260 – 263

Friedel Homeyer, Der Jüdische Friedhof in Völksen, in: Gestern und heute - Juden im Landkreis Hannover, Hannover 1984, S. 267

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Niedersachsen II (Regierungsbezirke Hannover und Weser-Ems), Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1986, S. 69 f.

Albert Marx, Geschichte der Juden in Niedersachsen, Fackelträger-Verlag GmbH, Hannover 1995

Hans-Christian Rohde, Das Schicksal der jüdischen Bürger in Eldagsen und Springe - Ein Stück Geschichte über 200 Jahre, Manuskript 1998

Hans-Christian Rohde, “Wir sind Deutsche mit jüdischer Religion”. Geschichte der Juden in Eldagsen und Springe, Bennigsen, Gestorf, Völksen, in: "Hallermunter Schriften", No. 2, Springe 1999

Rüdiger Kröger (Bearb.), Springe, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Bd. 2, S. 1397 – 1404

Springe, in: Netzwerk - Erinnerung + Zukunft in der Region Hannover, online abrufbar unter: erinnerungundzukunft.de

Christian Zeit (Red.), Neuer Vorstoß für Stolpersteine, in: „Neue Deister Zeitung“ vom 7.3.2013 

Leon Strohmaier (Red.), Drei Zeichen gegen das Vergessen, in: „Hannoversche Allgemeine“ vom 24.11.2015

Auflistung der in Springe verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Springe

Ralf T. Mischer (Red.), Eine Hommage an das jüdische Leben in Springe, in: „Neue Deister Zeitung“ vom 27.1.2020

N.N. (Red.), Gesachichte: So wurden Juden im Altkreis Springe verfolgt – Sonderausstellung im Museum Bad Münder, in: „Neue Deister-Zeitung“ vom 4.11.2023