Strasburg/Uckermark (Mecklenburg-Vorpommern)

Bildergebnis für landkreis vorpommern-greifswald karte Das derzeit ca. 4.500 Einwohner zählende Strasburg ist die einzige uckermärkische Stadt, die heute zum Bundesland Mecklenburg-Vorpommern (Landkreis Greifwald-Vorpommern) gehört (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Kreis Vorpommern-Greifswald', aus: ortsdienst.de/mecklenburg-vorpommern/vorpommern-greifswald).

Strasburg um 1650 - Stich von M. Merian (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Zwei Jahrzehnte nach der Wiederaufnahme von Juden in Brandenburg 1671 lässt sich die Existenz einer ersten jüdischen Familie in Strasburg und der gesamten Uckermark nachweisen. Im folgenden Jahrzehnt zogen einige weitere Familien zu; allerdings besaßen nur vier von insgesamt 14 jüdischen Familien einen Schutzbrief; mehrheitlich handelte es sich um unvergleitete Juden, die zumeist als Hausierer ihren kargen Lebensunterhalt verdienten und stets von Ausweisung bedroht waren.

Mit dem Zuzug der ersten jüdischen Familien wurden 1692 auch 55 Hugenotten-Familien in Strasburg aufgenommen, die eine der größten „französischen Kolonien“ in Brandenburg bildeten. Ihnen war es zu verdanken, dass in Strasburg der Tabakanbau heimisch wurde und die Kleinstadt eine gewisse Bedeutung erlangte. Während die Tabakproduktion in den Händen der hugenottischen Zuwanderer lag, dominierten die Juden der Region in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts den Tabakhandel; ein königliches Privileg erlaubte ihnen den Aufkauf des Rohtabaks und den gewinnbringenden Weiterverkauf. Um 1770 brachen allerdings Tabakanbau und -handel hier gänzlich zusammen.

                              Grundriss von Strasburg   1 = Judenstraße, 2 = Tempel

Anfänglich fanden gottesdienstliche Zusammenkünfte der Strasburger Juden in privaten Räumlichkeiten statt; so befand sich seit ca. 1700 im Wohnhaus des Gemeindegründers (Samuel Hirsch) eine kleine Schule und Synagoge. Jahre später wurde ein eigener kleiner "Tempel" genutzt, dessen gewölbte Decke mit einem Sternenhimmel bemalt gewesen sein soll. Dieses Gotteshaus befand sich in der Judenstraße (ab 1933 Steinstraße). Um 1900 war das Gebäude derart marode, dass es auf Abbruch verkauft wurde.

                                                                                  Siegel der jüdischen Gemeinde, um 1825

Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte ein Friedhofsgelände nördlich der Feldstraße. Strasburg gehörte - wie auch Brüssow - als Filialgemeinde der Kultusgemeinde Prenzlau an.

Juden in Strasburg/Uckermark:

    --- 1692 .......................... eine jüdische Familie,

    --- 1702 ..........................   4      “       “   n,

    --- 1714 ..........................  14      “       “    ,

    --- 1747 ..........................  75 Juden,

    --- um 1780 .......................  11 jüdische Familien,

    --- um 1800 ................... ca.  75 Juden,

    --- 1817 ..........................  69   “  ,

    --- 1846 ..........................  55   “   (in 14 Familien),

    --- 1900 ..........................  29   “  ,

    --- 1911 ..........................   7 jüdische Familien,

    --- 1927 ..........................   6     “       “    ,

    --- 1933 ..........................   8 Juden.

Angaben aus: Hans-Jürgen Kopp/Carla Schultz, Leistung und Schicksal. Juden in Strasburg (Um.), Strasburg 2003

 

Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges lebten nur noch ca. 25 Juden - eine verschwindend kleine Minderheit - in Strasburg; sie verdienten ihren Lebensunterhalt zumeist als Textilhändler.

Die wenigen Juden, die in der NS-Zeit noch in Strasburg lebten, mussten während der Novembertage 1938 miterleben, wie das Textilwarengeschäft Bieber in der Altstädter Straße demoliert wurde. Die letzten drei jüdischen Bewohner Strasburgs wurden 1943 deportiert, keiner überlebte.

 

Der jüdische Friedhof Strasburgs am Rande der Altstadt (auf dem sog. "Sinai-Hügel") wurde in der NS-Zeit nicht zerstört und ist heute das einzig sichtbare Relikt jüdischer Geschichte in der Stadt; das Gelände befand sich jahrzehntelang in einem verwahrlosten Zustand; Anfang der 1990er Jahre wurde der Friedhof zu einer würdigen Ruhestätte umgestaltet. 2002 wurden hier mehrere Grabsteine von "Unbekannten" umgestoßen.

Seit den 1960er Jahren befindet sich in der Bahnhofstraße ein Denkmal, das an alle Opfer des Faschismus erinnert.

Seit 2011 ist der ehemalige Standort der Synagoge mit einem Gedenkstein versehen.

2017 wurden in der Baustraße die ersten vier sog. "Stolpersteine" verlegt, die an Angehörige der jüdischen Familie Wiersch erinnern; zwei Jahre später fanden weitere vier Steine ihren Platz in der Gehwegpflasterung der Pfarrstraße. Jüngst wurden mehrfach diese Steine von „Unbekannt“ beschädigt.

WIERSCH, SIEGFRIED verlegt in der Baustraße, (Aufn. Zellmer, 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

und Pfarrstraße JACOBSOHN, GEORGJACOBSOHN, HULDA ‚HULDI‘JACOBSOHN, GERHARDJACOBSOHN, LISELOTTE ‚LILO‘(Aufn. E., 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

W. Lippert, Geschichte der Stadt Strasburg i.d. Uckermark, o.O. o.J.

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 627 - 628

Hildegard Wegener, Juden in Strasburg/Uckermark, in: Festschrift 750 Jahre Strasburg (Um.), Strasburg 2000, S. 57 - 64

Hans-Jürgen Kopp/Carla Schultz, Leistung und Schicksal. Juden in Strasburg (Um.), Hrg. Kulturverein Pomerania e.V., Strasburg 2002 (Broschüre)

Auflistung der in Strasburg/Uckermark verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Strasburg_(Uckermark)

Winfried Wagner (Red.), Wieder Stolpersteine in Strasburg beschädigt – Täter noch flüchtig, in: „Ostsee-Zeitung“ vom 13.2.2019

A. Baasch/B. Rüdiger/I. Schröder/R. Wunnicke (Hrg.). Auf den Spuren von Migration in Strasburg (Uckermark) – Eine Handreichung zur Spurensuche lokaler Migrationsgeschichte in Ostdeutschland (darin: Jüdisches Leben in Strasburg S. 32 - 38), Berlin 2023