Straßburg (Elsass)

Hochstift Straßburg um 1547Jüdische Gemeinde - Kolbsheim (Elsass)Straßburg/Strasbourg ist mit derzeit ca. 292.000 Einwohnern die größte Stadt im Elsass. Als „Hauptstadt Europas“ ist heute Strasbourg Sitz mehrerer europäischer Behörden (hist. Karte von ca. 1550 'Hochstift Straßburg', aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Ausschnitt aus hist. Karte "Elsaß-Lothringen" von 1905, aus: wikipedia.org, PD-alt-100).

 

Die jüdische Gemeinde von Straßburg zählt zu den ältesten und größten Europas; innerhalb Frankreichs besitzt sie heute – nach Paris und Marseille – die meisten Angehörigen.

Die Ansässigkeit jüdischer Familien in Straßburg ist seit Ende des 12.Jahrhunderts urkundlich nachweisbar; vermutlich waren Juden während des 2. Kreuzzuges hierher geflohen. Nach Angaben eines spanischen Juden namens Benjamin de Tudela von 1188 war die junge Straßburger Gemeinde eine der blühendsten im Reich. Die Juden Straßburgs lebten vermutlich ghettoartig in einem abgegrenzten Stadtbereich.

Der Friedhof der Gemeinde war die älteste jüdische Begräbnisstätte im Elsass; für das Areal musste die Straßburger Judenschaft eine Jahrespacht zahlen. Die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Straßburg muss sehr vermögend gewesen sein; so gehörte sie zu denen mit den höchsten Abgaben im Reich. Die hiesigen Juden bedeuteten für den Kaiser eine willkommene Einnahmequelle; dabei ging Rudolf von Habsburg sogar so weit, dass er die Straßburger Juden verpfändete. 1260/1280 ging das Judenregal vom Kaiser an den Straßburger Bischof über.

Von Philipp dem Schönen 1306 aus dem Königreich Frankreich vertrieben, strömten zu Beginn des 14.Jahrhunderts massenhaft jüdische Einwanderer ins Elsass, so auch nach Straßburg. Damals lebten die zahlreichen jüdischen Familien in der „Judengasse“ (Rue des Juifs) und bestritten ihren Lebensunterhalt zumeist als Handwerker, Händler und Krämer. Mit dem Auftreten der Pest war 1349 das Ende der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde Straßburgs besiegelt: In einem von den Zünften initiierten Pogrom - kurz zuvor war das in der Stadt bislang herrschende patrizische Bürgertum durch einen erfolgreich verlaufenden Umsturz entmachtet worden - sollen innerhalb von fünf Tagen bis zu 2.000 Juden der Stadt öffentlich verbrannt worden sein. Ihr Besitz fiel an die Stadt.


Gemälde Èmile Schweitzer: Judenpogrom in Straßburg am 14.Febr. 1349 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

                  Der zeitgenössische Chronist Jakob Twinger von Königshofen berichtete folgendermaßen über die Ereignisse:

„ ... Im Jahr 1349 war das größte Sterben, das je gewesen. Es ging von einem Ende der Welt bis zum anderen ... Wegen dieser Pest verleumdete man die Juden in der Welt und bezichtigte sie, dies verursacht zu habe, indem die Gift in das Wasser und die Brunnen getan hätten. ...  Da verbrannte man sie in vielen Städten und schrieb diese Geschichte nach Straßburg, Freiburg und Basel, damit sie dort auch ihre Juden verbrannten. Da meinten die Mächtigsten in diesen drei Städten, die die Gewalt in Händen hatten, man solle den Juden nichts tun. ... Auf einer Tagung zu Benfeld kamen der Bischof von Straßburg, alles Landesherren vom Elsaß und die Boten der drei genannten Städte zusammen. Die von Straßburg wurden befragt, was sie mit ihren Juden zu tun gedächten; sie antworteten, sie wüßten keine Bosheit von ihren Juden. Da sagte man zu den Straßburgern, warum sie dann ihre Brunnen verschlossen und die Eimer herabgenommen hätten. Es entstand ein großer Lärm und ein Geschrei über die Straßburger. So kamen der Bischof, die Herren und die Reichsstädte überein, man solle die Juden beseitigen. Sie wurden nun in vielen Städten verbrannt, etliche auch ausgetrieben, die wurden dann von den Bauern gefangen, erstochen und ertränkt. ...“

                    (aus: Bernhard Pollmann (Hrg.), Lesebuch zur deutschen Geschichte, Dortmund 1989, S. 324 f.)

Kaiser Karl IV. verzieh der Stadt den Judenmord und den Raub ihres Eigentums. Nach erneuter kurzzeitiger Ansiedlung von Juden (ab 1369) wurden sie 1388/1389, als der Schutzvertrag zwischen Stadt und Judengemeinde abgelaufen war, endgültig aus der Stadt vertrieben. Es sollte fast vier Jahrhunderte dauern, ehe sich wieder eine jüdische Gemeinde in Straßburg bildete.

Anm.: Die vertrieben jüdischen Familien lebten fortan im Umland, so u.a. in den Dörfern Bischheim und Kolbsheim. Tagsüber durften sie aber weiterhin Straßburg aufsuchen, um hier Handel zu treiben oder der christlichen Bevölkerung als Geldverleiher zu dienen. Mit dem Ton des sog. „Grüselhorn“ (vom Münster herab) hatten sie bei Eintritt der Dunkelheit die Stadt wieder zu verlassen.

Wie an vielen mittelalterlichen Kathedralen finden sich auch am Straßburger Münster bildliche Hinweise auf das Verhältnis zwischen Christen und Juden; dabei handelt es sich um die Abbilder zweier Jungfrauen: der ‚Ecclesia’ und der ihr untergeordneten ‚Synagoga’. Die ‚Synagoga’ - Personifikation des Judentums - hat die Augen verbunden - Symbol für die jüdische Blindheit gegenüber dem Kommen des Messias; ihre demütige Haltung und die zerbrochene Lanze stehen für die Niederlage des Judentums gegenüber der christlichen Kirche. Solche symbolischen und allegorischen Darstellungen sollten das Bewusstsein der breiten, leseunkundigen Bevölkerung prägen.

Ecclesia (= Kirche)und Synagoga  Portalfiguren am Straßburger Münster

     [vgl. Trier (Rheinland-Pfalz)]

Insgesamt gab es im 19.Jahrhundert etwa 175 jüdische Gemeinden im Elsass; dies waren fast 70% aller auf französischen Boden existierenden Gemeinden. Die jüdischen Stadtgemeinden im Elsass - in Colmar, Molsheim, Straßburg, Hagenau, Rosheim, Schlettstadt und Weissenburg - verschwanden Mitte des 14.Jahrhunderts, da die dortige jüdische Bevölkerung fast ausgerottet wurde.

Im 16.Jahrhundert sollen insgesamt nur etwa 100 bis 120 jüdische Familien im Elsass gelebt haben. Um sich gegen die Willkür der Städte und kleinen Landesherrschaften zur Wehr zu setzen, hatten sich die Elsässer Juden in Landständen zusammengeschlossen; Vorsteher der Juden im Unterelsass war Josel von Rosheim (1478-1554), der als „Oberster aller Juden deutscher Nation“ anerkannt wurde.

Rosheim - eigentlich Geldwechsler von Beruf - erhielt eine rabbinische Ausbildung bei einem Verwandten. Wegen seines Eintretens für die Rechte seiner Glaubensgenossen wurde Rosheim alsbald Sprecher für die Belange seiner Gemeinde; unter Kaiser Maximilian I. vertrat er die Interessen aller jüdischen Gemeinden im Unterelsass. 1529 wählten ihn die Juden des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation zu ihrem "Regirer" – auch anerkannt vom damaligen Kaiser Karl V. Auf zahlreichen Reichstagen bzw. bei Prozessen, in denen Juden unter Anklage standen, trat er auf, um möglichst milde Urteile für die jüdischen Angeklagten zu erstreiten – was ihm aber nicht immer gelang. Bis zu seinem Tode (1554) war er unermüdlich für die „jüdische Sache“ engagiert, wenn es galt, das Existenzrecht der Juden und die Ausübung ihrer Religion zu sichern.

 

Erst nach Ende des Dreißigjährigen Krieges - das Elsass war unter französische Herrschaft gefallen - zogen Juden wieder vermehrt zu. Die im europäischen Maßstab vergleichsweise judenfreundliche Rechtslage im Elsass führte im Laufe des 18.Jahrhunderts zu einem starken Wachstum des jüdischen Bevölkerungsteils; besonders markant war dieses Wachstum im südelsässischen Sundgau. Unter der Herrschaft Ludwig XVI. waren insgesamt knapp 20.000 Juden im Elsässer Raum ansässig.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/88/Absolute_Strasbourg_1644_Merian_01.jpg Ansicht Straßburg - Stich Merian, um 1645 (aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Die elsässischen Dorfjuden des 18. und 19.Jahrhunderts waren zumeist im wenig geachteten ambulanten Gewerbe - im Kleinhandel und Kreditwesen - tätig. Bis Mitte des 19.Jahrhunderts wurden sie von ihrer christlichen Umgebung angefeindet, was sich in antijüdischen Schmähschriften und pogromartigen Ausschreitungen dokumentierte. Die strenggläubigen „Landjuden“ hielten die rituellen Vorschriften strikt ein. So kehrte der jüdische Familienvater am Freitagnachmittag rechtzeitig von seinen ‚Geschäftsreisen’ zurück, um im Kreise seiner Familie den Sabbat zu begehen.

Ehemalige jüdische Gemeinden um und nördlich von Straßburg:

 

                                                                                                      aus: E. de Thoisy (Hrg.), Le Judaisme Alsacien. Histoire, Patrimoine, Traditions. Straßbourg 1999, S. 29

Als 1681 Straßburg an Frankreich fiel, blieben Juden weiterhin vom städtischen Leben ausgeschlossen; erlaubt war ihnen in der Stadt nur der Pferdehandel. Beim Betreten der Stadt mussten sie den sog. „Judenleibzoll“ entrichten. Bis ins 18. Jahrhundert mussten die Juden nach ihrer Tätigkeit die Stadt wieder verlassen, wenn um 22 Uhr die Münsterglocken schlugen (Anm. Diese "Judenglocke" existiert heute noch).

Bis in die Zeit nach der Französischen Revolution hielt Straßburg an den restriktiven Maßnahmen gegenüber Juden fest. Eine erste jüdische Familie konnte sich 1767 hier dauerhaft niederlassen.

Als im Jahre 1767 Cerf Berr - 1726 in Medelsheim/Pfalz als Naphtali Ben Dov geboren - nach Straßburg zog, gab es in der Stadt immer noch keine jüdische Gemeinde.
  Cerf Berr war ein gebildeter Mann, der der religiösen Tradition tief verbunden war. Als Geschäftsmann sorgte er für den Nachschub an Verpflegung und Pferden für die Garnisonen im Elsass. Dank dieser unentbehrlichen Dienste durfte er sich den Verboten zum Trotz - Juden durften keinen dauerhaften Wohnsitz in der Stadt haben - im Jahr 1767 mit seiner Familie in Straßburg niederlassen. Cerf Berr sollte künftig zum ständigen Vertreter der „jüdischen Nation im Elsass“ bei den staatlichen Stellen werden. Beer erwarb ausgedehnten Grundbesitz im Elsass und in Paris; so gehörten ihm in Straßburg mehrere Patrizierhäuser, die er mit seiner Großfamilie bewohnte. Sogar mit dem französischen König Ludwig XVI. stand er in Kontakt. - Cerf Beer engagierte sich mit Kräften für die Emanzipation der Juden und die Gewährung der bürgerlichen Freiheiten für die in Frankreich lebenden Juden. Cerf Beer starb 1793 im Alter von 67 Jahren in Straßburg; sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Rosenweiler (Rosenwiller).

 

Im Zuge der Revolutionsereignisse seit 1789 brachen in ganz Frankreich Agrarunruhen aus, die im Elsass von antijüdischen Pogromen begleitet waren; mehr als 1.000 elsässische Juden sollen damals in der Schweiz Zuflucht gesucht haben. Noch 1793 mussten die Juden im Elsass um ihr Leben fürchten. Nachdem Frankreich als erstes europäisches Land den Juden die volle Gleichberechtigung zugestanden hatte, entwickelten sich die meisten der elsässischen Juden zu patriotischen Franzosen. Diese Haltung wurde 1871 deutlich, als das Elsass nach dem Deutsch-Französischen Krieg vom Deutschen Reich annektiert worden war und zahlreiche, vor allem wohlhabende Elsässer Juden ins französische Kernland - zumeist nach Paris - abwanderten.

Juden in Straßburg:

    --- um 1320 ................... ca. 300 - 400 Juden,

    --- um 1770 ..........................     68   “  ,

    --- um 1835 ...................... ca.  1.500   “  ,

    --- 1846 .............................  1.990   “  ,

    --- 1861 .............................  2.820   “   (3,4% d. Bevölk.),

    --- 1890 ......................... ca.  4.000   “  ,

    --- 1939 ......................... ca. 10.000   “  ,

    --- um 1975 ...................... ca. 15.000   “  ,

    --- 1996 ......................... ca. 16.000   “  ,               

    --- 2000 ......................... ca.  2.000 jüdische Familien.

Angaben aus: judaisme.sdv.fr

 

Die zu Beginn des 19.Jahrhunderts in Straßburg lebenden jüdischen Familien trafen sich zunächst zu Gottesdiensten im während der Revolution als Theater genutzten „Poêle des drapiers”; ab 1834 wurde ein verlassenes Kloster in der Rue Sainte-Hélène zur Synagoge umfunktioniert.

Nach der Gleichstellung des israelitischen Kultus 1831 setzte ein Aufschwung der elsässischen Gemeinden ein, der den zahlreichen Landgemeinden, aber auch der Straßburger Judengemeinde zu Gute kam.

1898 errichtete die stark angewachsene Straßburger jüdische Gemeinde - eine Folge der Landflucht - ihre monumentale Synagoge am Quai Kleber; das im neoklassizistischen Stile erbaute Gebäude konnte mehr als 1.600 Gläubige aufnehmen.

Strasbourg ancienne gare de la Compagnie de l’Est et Synagogue du quai Kléber vers 1900.jpg Synagoge (links) u. Markthalle (rechts), hist. Postkarte um 1900

                  

                                 Straßburger Synagoge am Quai Kleber (1898)                                        Historische Bildpostkarte, um 1890/1900

Innenansicht (Aufn. 1898, aus: wikipedia.org, gemeinfrei) 

 

Nachdem der 1801 angelegte Friedhof in Königshofen (frz. Königshoffen) Anfang des 20.Jahrhunderts mit fast 4.000 Gräbern belegt war, erwarb man in Kronenburg (Cronenbourg) ein Areal zur Anlage eines neues Friedhofs, das erstmalig 1911 genutzt wurde.

In ihrer Ausgabe vom 21.Okt. 1910 berichtete die „Allgemeine Zeitung des Judentums“:

J. W. Straßburg u.E., 14. Oktober. Die hiesige jüdische Gemeinde hat ihren neuen Friedhof in Kronenburg eingeweiht. Oberrabbiner Ury hielt die Weihrede, in der er auf die Geschichte des Friedhofes zu sprechen kam. Nach ihm richtete Rabbiner Dr. Marx nochmals ernste Worte an die zahlreiche versammelte Zuhörerschaft, wie sie der feierlichen Stätte des Todes angemessen sind. Die Anlagen sind sehr geräumig. Es ist Raum für 3.200 Erwachsene und 300 Kinder. Der eingezäunte Teil umfasst bloß die Hälfte des ganzen Komplexes und wird ungefähr 30 bis 40 Jahre ausreichen. Die Eingangshalle ist sehr praktisch und einfach gehalten. In den Seitenhalle befinden sich die Leichenhalle, die Leichenwaschhalle. Ebenso ist die große Halle geräumig genug, um 400 Personen aufzunehmen. Es ist eine Wohnung für den Friedhofverwalter vorhanden. Die gesamte würdige Anlage, ein Muster wahrer Friedhofeskunst macht den Erbauern, den Architekten Wolf und Falk, alle Ehre.

jüdische Friedhöfe in Königshofen (Aufn J., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) und in Kronenburg (Aufn. J. Hahn, 2004)

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts waren zahlreiche osteuropäische Juden vor Pogromen ins Elsass geflüchtet; eine zweite Einwanderungswelle erfolgte nach dem Ersten Weltkrieg. Nach einer Volkszählung waren 1931 fast 40% der Juden Straßburgs fremder Herkunft. Mentalitätsunterschiede und die mangelnde Integrationsbereitschaft der ostjüdischen Immigranten, aber auch die Ablehnung seitens des alteingesessenen jüdischen Bevölkerungsteils führten zu heftigen Spannungen innerhalb der Straßburger Judenschaft.

Vor der Okkupation durch die deutsche Wehrmacht war etwa ein Drittel der elsässischen Bevölkerung evakuiert worden, darunter zahlreiche jüdische Bewohner. 1940 wurden Tausende Elsässer Juden vertrieben, zumeist in den unbesetzten Teil Frankreichs; doch auch hier waren sie nicht sicher, da auch die Vichy-Regierung eine antisemitische Judenpolitik verfolgte.

Am 12.Sept. 1940 brannten deutsche Besatzer die Synagoge am Quai Kleber nieder und ebneten das Gelände völlig ein.

          Letztes Photo der Synagoge vor ihrer Zerstörung (Stadtarchiv)

Etwa 800 Juden Straßburgs fielen der NS-Herrschaft zum Opfer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten elsässische Juden wieder in ihre Heimat zurück. In den Nachkriegsjahrzehnten hat sich das Judentum im Elsass wieder zu einer beachtlichen Größe entwickelt; doch ist das Judentum heute ein rein städtisches. Auf dem Lande erinnern meist nur noch die alten jüdischen Friedhöfe an die einstigen Gemeinden, so in Benfeld, Brumath, Ettenheim, Gundershoffen, Hatten, Lauterbourg, Niederrödern, Rosenwiller und anderswo.

In Straßburg lebten in den 1970er Jahren etwa 15.000 Menschen israelitischen Glaubens; 2004 gehörten etwa 2.000 Familien der jüdischen Gemeinde Straßburg an. Ein Teil waren Zuwanderer aus Tunesien, Marokko und Algerien; sie hatten um 1960 wegen antisemitischer Tendenzen ihre Heimatländer verlassen. Die Straßburger Gemeinde stellte sich in den letzten Jahrzehnten als eine traditionalistische dar, die einen Mittelweg zwischen liberalem und orthodoxem Judentum zu gehen versucht.

Im Frühjahr 1958 wurde in Straßburg die neue Synagoge an der Avenue de la Paix eingeweiht, die nach Plänen des Architekten Claude Meyer-Levy errichtet worden war.

               Neue Synagoge in Straßburg (Aufn. aus: strasbourg.eu)

Darüber hinaus gibt es heute noch weitere Synagogen in Straßburg. Zudem verfügt die Gemeinde über drei Jeschiwot, mehrere Schulen und ein Altenheim.

Unweit des Eingangs zum jüdischen Friedhof im Stadtteil Cronenbourg erinnern Namenstafeln an die ermordeten Gemeindemitglieder.

Denkmal (Aufn. C.Truong-Ngoc, 2015, aus: wikimedia.org, CC BY-SA 3.0) Cimetière israélite de Cronenbourg mémorial Shoah 27 janvier 2015-2.jpg

Schon mehrfach war das Begräbnisgelände Ziel von Schändungen.

                      Geschändete Grabstätten (Aufn. Johanna Leguerre, AFP)

Am einstigen Standort der 1940 zerstörten Synagoge entstand 2012 die „Allee der Gerechten“, die an 34 Elsässer erinnert, die während der NS-Zeit Juden versteckt und damit deren Leben gerettet hatten. Ein Metallband im Boden stellt die Fundamente der Synagoge dar, zwei Stelen symbolisieren den früheren Eingang.

           "Judengasse " in Straßbourg - hist. Aufn. von ca. 1900 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Seit 2018 steht in der Straßburger Altstadt (Rue des Carpentiers) die sanierte mittelalterliche Mikwe für die Besichtigung zur Verfügung. Das lange in Vergessenheit geratene jüdische Ritualbad ist in den 1980er Jahren zufällig bei Bauarbeiten entdeckt worden.

mittelalterliche Mikwe in Straßbourg (Aufn. C. Truong-Ngoc, 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

2019 hat man in Straßbourg begonnen, sog. „Stolpersteine“ zu verlegen.

                     Stolpersteine Nathan Schenkel 6 rue de Barr Strasbourg.jpgStolpersteine Esther Schenkel 6 rue de Barr Strasbourg.jpgStolpersteine Cécile Schenkel 6 rue de Barr Strasbourg.jpgStolpersteine Isaac Schenkel 6 rue de Barr Strasbourg.jpgStolpersteine Jacques Schenkel 6 rue de Barr Strasbourg.jpgStolpersteine Maurice Schenkel 6 rue de Barr Strasbourg.jpgStolpersteine Alfred Schenkel 6 rue de Barr Strasbourg.jpgverlegt für Fam. Schenkel (Aufn. C.Truong-Ngoc, 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

... und fünf weitere Steine

 

 

 

In Eckwersheim – der Ort liegt ca. fünf Kilometer nördlich von Straßburg – bestand seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts eine winzige jüdische Gemeinde. Im Laufe ihres Bestehens zählte sie zu keiner Zeit mehr als 40 Angehörige. Gottesdienste wurden vermutlich in einem Privathause abgehalten.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20224/Eckwersheim%20Alsace%20FrfIsrFambl%2018091908.jpg Kurznotiz aus: „Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 18.9.1908

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg lebten im Dorf ca. 30 jüdische Bewohner; Mitte der 1930er Jahre war deren Zahl auf zehn gesunken. Vier Juden aus Eckwersheim wurden Opfer der Shoa.

 

 

 

Weitere Informationen:

Straßburger Chronik des Fritsche Closener, in: E. Hegel (Hrg.), Chroniken der oberrheinischen Städte, Leipzig 1870, S. 127 ff.

Élie Scheid, Histoire des Juifs d’Alsace, Paris 1887 (Anmerkung: Hier wird auch über einige südpfälzische Orte berichtet)

Alfred Glaser, Geschichte der Juden in Straßburg. Von der Zeit Karls d.Gr. bis auf die Gegenwart, Straßburg 1894 (2.Aufl. 1924)

Emil von Borries, Geschichte der Stadt Straßburg, Straßburg 1909

Max Ephraim, Geschichte der Juden im Elsaß von der Mitte des 13. bis Ende des 14.Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung von Straßburg, Freiburg i. Br. 1923 (Dissertation)

Max Dienemann, Die jüdischen Gemeinden in Elsaß-Lothringen 1871 - 1918, in: "Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland", Jg. 1937, Heft 2 (1937)

Paula E. Hyman, The Emancipation of the Jews in Alsace. Acculruration and tradition in the nineteenth century, New Haven/London 1946

Konrad Schilling (Hrg.), Monumenta Judaica - 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein – Katalog. Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum Okt. 1963/März 1964, 3. Aufl., Köln 1963, Abb. 312 (‘ Judenordnung’ von 1375)

Germania Judaica, Band II/2, Tübingen 1968, S. 798 – 806, Band III/2, Tübingen 1995, S. 1418 - 1432 und Band III/3, Tübingen 2003, S. 2023 - 2026

Freddy Raphael/Robert Weyl, Juif en Alsace. Culture, societé, histoire, Toulouse 1977

Karl Lillig, Cerf Beer von Medelsheim (1725 - 1793) Hof- und Handelsjude saarländischer Herkunft, in: "Saarheimat", 7/8 (1980), S. 171 ff.

Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, 355 ff. und Teil 2, Abb. 322 – 326

Alfred Haverkamp, Die Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes im Gesellschaftsgefüge deutscher Städte, in: A. Haverkamp (Hrg.), Zur Geschichte der Juden in Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Monographien zur Geschichte des Mittelalters 24/1981, S. 27 - 93

Paul Assall, Juden im Elsaß, Elster Verlag Moos GmbH, Bühl-Moos 1984

Vicki Caron, Between France and Germany. The Jews of Alsace-Lorraine 1871 - 1918, Stanford University Press, Stanford (Califonia), 1988

Jüdisches Museum der Schweiz (Hrg.), Juden im Elsaß. Begleitpublikation des Museums für Völkerkunde und Schweizerischen Museums für Volkskunde, Basel 1992

Gerd Mentgen, Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß, in: "Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung A: Abhandlungen", Band 2, S. 125 - 184 u. a., Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1995

Jean Daltroff, 1898 - 1940: La Synagogue consistoriale de Strasbourg, Strasbourg 1996

Eliane de Thoisy (Hrg.), Le Judaisme Alsacien. Histoire, Patrimoine, Traditions, Straßbourg 1999

Jean Daltroff (Red.), Le cimetière israélite de Strasbourg-Koenigshoffen et ses personnalités, in: "Annuaire - Société des Amis du Vieux Strasbourg", 2000, No. 27, S. 129 - 140

Pascal Cornuel, Die jüdische Gemeinde Straßburg - kurzer historischer Abriß, in: www.arte-tv.com/societe/jmberlin/dtext/gemeinde/strasbourg

www.sdv.fr/judaisme/histoire

Paul Assall, Zwischen den Welten, die sich verneinen - Juden im Elsaß, in: Manfred Bosch (Hrg.), Alemannisches Judentum - Spuren einer verlorenen Kultur, Edition Isele, Eggingen 2001, S. 24 - 33

Max Warschwawski, Histoire des Juifs d’Alsace, in: http//trans.viola.fr

Henri Hochner, Le cimetière de Koenigshoffen, in: judaisme/synagog/basrhin

Dirk Jäckel (Bearb.), Judenmord – Geißler – Pest. Das Beispiel Straßburg, in: Mischa Meier (Hrg.), Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart, S. 162 - 178

Daniel Gerson, Die Kehrseite der Emanzipation in Frankreich. Judenfeindschaft im Elsass 1778 bis 1848, hrg. vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, Klartext-Verlag, Essen 2006, S. 46 f.

Jean Daltroff, La synagogue du quai Kléber de Strasbourg (1898-1941), I.D. l'Édition, Bernardswiller 2012

Les collections juives du Museée alsacien, Hrg. Musées de la Ville de Strasbourg, Strasbourg 2013

André-Marc Haarscher/Freddy Raphaël/Malou Schneider/Elisabeth Shimells (Bearb.). Mémoires du judaïsme en Alsace. Les collections du Musée alsacien, Hrg. Musées de la ville de Strasbourg, Strasbourg 2013

Bärbel Nückles (Red.), Niemand suchte nach der Mikwe, in: „Badische Zeitung“ vom 27.7.2018

Auflistung der in Straßburg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_der_Region_Grand_Est#Herrlisheim-près-Colmar

Debra Kaplan (Bearb.), Zusammenarbeit und Koexistenz trotz aufgezwungener Trennung – Leben im Rhythmus des Grüselhorns, aus: sharedhistoryproject.org/essay/ (Febr. 2021)

Michel Krempper, Histoire des Juifs d‘Alsace, Yoran Verlag, Fouesnant 2021