Taus (Böhmen)
Das ca. 50 Kilometer südwestlich von Pilsen und in Grenznähe zu Bayern gelegene Taus gehörte einst zu den böhmischen Königsstädten; es ist das heutige tschechische Domažlice mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: wikipedia.org/wiki/Böhmische_Westbahn, gemeinfrei und Kartenskizze 'Tschechien' mit Domažlice rot markiert, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Bereits vor 1350 ist jüdische Ansiedlung in Taus nachweisbar; aus dieser Zeit stammt ein jüdischer Friedhof. Nach den Verfolgungen der Pestzeit sind erst wieder 1451 wenige jüdische Familien in Taus bezeugt. Zu welchem Zeitpunkt Juden die Stadt verlassen haben bzw. aus ihr vertrieben wurden, ist nicht bekannt.
Bis Anfang des 19.Jahrhunderts war jüdischen Familien Ansässigkeit in Taus grundsätzlich verwehrt; denn in einem 1541 den Königsstädten zuerkannten Privileg des Königs Ferdinand I. war Juden auch die Anwesenheit in Taus verboten worden; daraufhin mussten die wenigen hier lebenden Familien die Stadt verlassen. Unter der Herrschaft Josef II. gab es wieder eine begrenzte Möglichkeit für Juden, sich hier anzusiedeln. Seit Mitte des 19.Jahrhunderts ließen sich vermehrt Juden aus den Dörfern des Umlandes in Taus nieder; kurz nach der Jahrhundertwende erreichte die Zahl der hier lebenden Juden ihren Höchststand. 1873 bildete sich in der Stadt eine autonome Kultusgemeinde; zu ihren Einrichtungen zählten ein Betsaal, eine einklassige Elementarschule und seit den 1860er Jahren auch ein eigenes Friedhofsgelände (zuvor hatten Begräbnisse auf einem jüdischen Friedhof nahe Havlovice stattgefunden).
Synagoge/Rabbinatsgebäude in Taus (hist. Aufn. um 1920, aus: zanikleobce.cz)
Juden in Taus:
--- 1850 ........................ 3 jüdische Familien,
--- 1857 ........................ 22 Juden,
--- 1873 ........................ 180 “ ,
--- um 1880/90 .............. ca. 150 “ (ca. 2% d. Bevölk.),
--- um 1910 ................. ca. 20 Familien,
--- 1930 .................... ca. 70 Juden,
--- 1942 ........................ 33 “ .
Angaben aus: Ingild Janda-Busl, Auf den Spuren jüdischen Lebens entlang der Böhmisch-Bayrischen Grenze ...
und Institut Terezínské Iniciativy
Zentrum von Taus (hist. Aufn, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Im wirtschaftlichen Leben der überwiegend vom tschechischen Volksteil geprägten Stadt spielten einige jüdische Familien eine dominierende Rolle. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Zahl der in Taus lebenden Juden rückläufig.
Als Folge der deutschen Besatzungspolitik wurden die noch in Taus lebenden Juden verfolgt. Einer ersten Verhaftungsaktion im März 1940 folgte 1942 der Abtransport weiterer jüdischer Bewohner; sie wurden über Theresienstadt in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt.
Nach der Befreiung durch US-Truppen kehrten etwa 20 Juden nach Taus/Domažlice zurück; zur Bildung einer neuen Gemeinde kam es aber nicht.
Auf dem noch erhaltenen Teil des jüdischen Friedhofs - die Begräbnisstätte befindet sich am nördlichen Stadtrand - erinnert heute auch ein Mahnmal an die Opfer der NS-Herrschaft.
Eingang zum jüdischen Friedhof in Domažlice (beide Aufn. A. Koch, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Ca. 15 Kilometer nördlich von Taus liegt das Dorf Putzlitz (tsch. Puclice, derzeit etwa 350 Einw.), in dem sich im 19.Jahrhundert eine sehr kleine jüdische Gemeinde befand. Die ca. zehn Familien lebten inmitten des Dorfes rund um die Synagoge, die um 1825 erbaut worden war. Nach 1750 muss eine Begräbnisstätte angelegt worden sein; die ältesten Grabsteine datieren allerdings erst aus dem frühen 19.Jahrhundert. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts bildeten die wenigen jüdischen Familien zusammen mit denen aus dem nahen Dorf Stankau (tsch. Stankov) zusammen eine Gemeinde. 1930 lebten nur noch zwei jüdische Bewohner in Putzlitz.
Aufn. Krabat, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Im Dorfe Stankau (tsch. Stankov, derzeit ca. 3.300 Einw.) gründete sich eine israelitische Gemeinde erst um 1870; sie war seit den 1890er Jahren eine Filialgemeinde von Taus. Um die Jahrhundertwende gehörten ihr knapp 50 Personen an, 1920 nur noch etwa 30. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden in angemieteten Räumen statt.
Im Marktflecken Lautschim (tsch. Loučim, derzeit kaum 130 Einw.) – etwa zwölf Kilometer südöstlich von Taus – ist seit Anfang des 19.Jahrhunderts jüdische Ansässigkeit bekannt; allerdings waren es stets nur wenige Familien; um 1850 erreichte die kleine israelitische Gemeinschaft mit ca. 50 Angehörigen ihren personellen Höchststand. Bereits um 1900 lebten hier keine Juden mehr. Der um 1840 angelegte Friedhof hat die Zeiten zwar überdauert, doch befindet sich das Gelände heute teilweise in einem recht vernachlässigten Zustand. Der älteste noch vorhandene Grabstein datiert aus der Zeit der Anlegung des Begräbnisplatzes.
Teilansichten des jüdischen Friedhofs in Loučim (Aufn. Krabat, 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Weitere Informationen:
Jiri Fiedler, Jewish Sights of Bohemia and Moravia, Prag 1991, S. 64 (Taus) und S. 156 (Putzlitz)
Heinrich Rubner/Josef Chloupek/Eugen Holub, Die Tauser Juden, in: "Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham", Bd. 11/1994
Heinrich Rubner, Die Tauser Juden in ihrer Umwelt. Aufstieg, Schicksale und Tragödie, in: "Setkani na hranici - Treffen an der Grenze", 1994
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 321
Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 2003, S. 1453/1454
Ingild Janda-Busl, Auf den Spuren jüdischen Lebens entlang der Böhmisch-Bayrischen Grenze im Bereich des Böhmerwaldes, Maschinenmanuskript, Bamberg 2003, S. 24/25