Steinbach (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Gießen (Hessen)Datei:Landkreis Gießen Fernwald.png Die Ortschaft Steinbach mit derzeit ca. 3.000 Einwohnern gehört heute zur Kommune Fernwald im mittelhessischen Landkreis Gießen - ca. zehn Kilometer östlich der Kreisstadt Gießen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Steinbach, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Gießen', Andreas Trepte 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY.SA 2.5).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts stellte die jüdische Bevölkerung ca. 10% der Steinbacher Einwohnerschaft.

Jüdische Ansässigkeit im hessischen Dorf Steinbach ist seit der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts zu verzeichnen; allerdings waren es stets nur sehr wenige Familien, die vom Vieh- und Landesproduktenhandel lebten.

Die kleine jüdische Gemeinde in Steinbach erreichte ihren zahlenmäßigen Zenit in den 1860er Jahren; danach wanderte ein Teil der Familien nach Nordamerika aus, andere verzogen in größere Städte.

In einem in jüdischen Besitz befindlichen Gebäude richtete man Anfang der 1850er Jahre die Synagoge ein; dazu wurde das Haus umgebaut: neben einem Männer-Betraum gab es für die Frauen eine Empore im zweigeschossigen Gebäude.

Zur Besorgung rituell-religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Religionslehrer in Anstellung; die Besetzung dieser Stelle war einem häufigen Wechsel unterworfen.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch ein eigener Friedhof, der um 1885 auf einem angekauften Ackergelände angelegt wurde; zuvor waren Verstorbene in Großen-Linden begraben worden.

Juden in Steinbach:

--- 1785 ..........................  2 jüdische Familien,

--- 1815 ..........................  5     “        “   ,

--- 1828 .......................... 38 Juden (ca. 5% d. Dorfbev.),

--- 1844 .......................... 52   “  ,

--- 1861 .......................... 93   “   (ca. 10% d. Dorfbev.),

--- 1895 .......................... 42   “   (ca. 4% d. Dorfbev.),

--- 1903 .......................... 35   “  ,

--- 1910 .......................... 28   “  ,

--- 1939 .......................... eine Jüdin.

Angaben aus: Steinbach, aus: alemannia-judaica.de

 

Auf Grund der Abwanderung löste sich die winzige Gemeinde wenige Jahre vor Beginn des Ersten Weltkrieges auf. Verbliebene jüdische Dorfbewohner schlossen sich der liberalen Kultusgemeinde Gießen an.

Das Synagogengebäude, in dem schon längere Zeit keine Gottesdienste mehr abgehalten worden waren, ging 1919 in Privatbesitz über; später diente es als Tischlerwerkstatt. Nach Umbauten wird das heute noch erhaltene Gebäude zu Wohnzwecken genutzt.

In der Pogromnacht 1938 wurde der israelitische Friedhof verwüstet und geschändet und das Tahara-Häuschen in Brand gesteckt. 1940/1941 ließ der hiesige Lehrer den Friedhof von seinen Schülern einebnen. Ein Teil der entfernten Grabsteine wurde danach in Fundamenten von Neubauten verwendet.

1939 lebte nur noch eine „in Mischehe“ verheiratete Jüdin im Dorf; sie wurde noch im Febr. 1945 (!) nach Theresienstadt deportiert, überlebte dort und kehrte nach Kriegsende zu ihrer Familie nach Steinbach zurück.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich zehn aus Steinbach stammende Juden Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/steinbach_gi_synagoge.htm).

 

Nach Kriegsende musste der jüdische Friedhof auf Anweisung der US-Militärbehörden - soweit überhaupt möglich - wiederhergestellt werden. In der Folgezeit verwahrloste das Gelände; ein Teil wurde zu einer Grünanlage mit Kinderspielplatz umgestaltet.

Etwa ein Dutzend „wieder aufgefundene“ Grabsteine – angelehnt an eine Bruchsteinmauer - und ein Gedenkstein erinnern heute daran, dass hier die Steinbacher Juden ehemals ihre Toten begruben.

Jüdischer Friedhof (Fernwald-Steinbach) 04.JPG

Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof Fernwald-Steinbach (Aufn. Ch., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Der im Jahre 1988 aufgestellte Gedenkstein trägt die folgende Inschrift: „Zur Erinnerung an die 50. Wiederkehr der Reichskristallnacht und den Leidensweg jüdischer Bürger, die durch unmenschlichen Rassenhass verfolgt oder in den Tod getrieben wurden. Fernwald, den 9./10. November 1988“

Seit 2008 erinnert eine bronzene Gedenktafel auf dem Kirchvorplatz an die Steinbacher Juden, die der Shoa zum Opfer gefallen sind.

 

Anm.: Im hessischen Steinbach (ehem. Altkreis Hünfeld) gab es auch eine kleine jüdische Gemeinde (siehe unter: Burghaun/Hessen).

 

 

 

Weitere Informationen:

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, Teil II, Königstein/Ts. 1994, S. 72

Hanno Müller, Juden in Steinbach, Fernwald 1988

Steinbach (Fernwald), in: alemannia-judaica.de

Hanno Müller, Juden in den Landämtern Gießen und Hüttenberg 1809 – 1822, in: "Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins", 92/2007, S. 271 – 283

Hanno Müller/Friedrich Damrath, Juden in Steinbach, Fernwald-Steinbach, 2. Aufl., 2010

Jüdischer Friedhof in Steinbach soll schöner werden, in: „Gießener Allgemeine“ vom 17.12.2014

bf (Red.), Erinnerung an Opfer des NS-Terrors wach halten, in: „Gießener Allgemeine“ vom 9.4.2019 (mit namentlichen Angaben der Opfer)