Steinbach (Baden-Württemberg)
Steinbach ist seit seiner Eingemeindung (1930) ein Ortsteil der Stadt Schwäbisch Hall (Kartenskizze 'Landkreis Schwäbisch Hall', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Ortsteilkarte von Schwäbisch Hall, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Comburg und Steinbach um 1820 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Die ersten Juden in Steinbach wurden von dem Comburger Stiftsdekan Georg von Wiesentau unmittelbar vor dem Dreißigjährigen Kriege aufgenommen und mit Schutzbriefen ausgestattet; dabei handelte es sich nur um wenige Familien. Nach zeitweiliger Vertreibung durften sie um 1700 wieder nach Steinbach zurückkehren. Traditionell lebten die Steinbacher Juden weitgehend vom Viehhandel; zwar besaß um 1810 jede Familie ein Haus, doch können die wirtschaftlichen Verhältnisse insgesamt als ärmlich bezeichnet werden. Ihr Wohngebiet konzentrierte sich auf die frühere "Judengasse" (heute Neustetter Straße).
Seit den 1760er Jahren existierte eine kleine Gemeinde, die sich im Dachgeschoss eines Privathauses einen Betraum eingerichtet hatte; anschließend diente das Schulgebäude diesem Zweck. Erst 1808/1809 konnte die kleine Kultusgemeinde - trotz großer finanzieller Schwierigkeiten - einen bescheidenen Synagogenbau in der Neustetter Straße realisieren; die Genehmigung dazu hatte der württembergische König Friedrich persönlich erteilt.
Ehem. Synagogengebäude (Abb. aus: wikipedia.org, PD-alt-100) - Synagoge erstes Haus links im Bild (Stich um 1820)
Synagoge Bildmitte (hist. Karte, Ausschnittsvergrößerung)
Die wenigen jüdischen Kinder in Steinbach besuchten zunächst die christliche Volksschule; da aber nach Auffassung der jüdischen Eltern „besonders in religiöser Hinsicht dem Bedürfnisse eines Unterrichts nicht genügend entsprochen” wurde, rief man 1829 in Steinbach eine eigene israelitische Elementarschule ins Leben; die winzige Schule war in einem an die Synagoge angebauten Raum untergebracht. Auch die Kinder aus Schwäbisch-Hall besuchten bis in die 1850er Jahre die Steinbacher Schule; um 1870 wurde diese dann wegen Schülermangels aufgelöst.
Die verstorbenen Gemeindemitglieder wurden zunächst auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Schopfloch, ab Mitte des 18.Jahrhunderts dann in Braunsbach beerdigt. Ein eigenes Friedhofsgelände in Steinbach wurde erst um 1810 am Flusshang des Kocher (gegenüber der Haller Stadtmühle) angelegt.
Das obige Grabstein-Ornament zeigt die Fassade der Steinbacher Synagoge (Aufn. aus: H. Kohring)
Juden in Steinbach:
--- um 1650 ........................ 6 jüdische Familien,
--- um 1735 ........................ 4 “ “ ,
--- 1802/03 ........................ 13 “ “ ,
--- 1822 ........................... 78 Juden (in 18 Familien),
--- 1841 ........................... 83 “ ,
--- 1850 ........................... 88 “ ,
--- 1864 ........................... 46 “ ,
--- 1880 ........................... 22 “ ,
--- 1890 ........................... 12 “ ,
--- 1900 ........................... 10 “ ,
--- 1910 ........................... 6 “ ,
--- 1933 ........................... 3 “ .
Angaben aus: Gerhard Taddey, Kein kleines Jerusalem - Geschichte der Juden im Landkreis Schwäbisch Hall, S. 239
Ende des 19.Jahrhunderts ging die Zahl der Gemeindemitglieder durch Abwanderung nach Schwäbisch Hall stark zurück, sodass sich die Kultusgemeinde auflöste. Die wenigen, in Steinbach verbliebenen Juden wurden der Haller Kultusgemeinde eingegliedert.
[vgl. Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg)]
Im Gefolge der „Reichskristallnacht“ setzten Schwäbisch-Haller Nationalsozialisten die Synagoge in Steinbach in Brand; nur die Außenmauern blieben stehen.
Einige Monate später übertrug die jüdische Gemeinde das Synagogengrundstück der Stadt, die "als Gegenleistung" sich verpflichtete, "das Grundstück ... in einen ordnungsmäßigen, den Verhältnissen zweckentsprechenden Zustande zu bringen". 1940 wurde das Grundstück weiter verkauft, auf diesem dann ein Mehrfamilienhaus errichtet. Bis heute ist dieses Gebäude, in dem die Mauerreste der früheren Synagoge verbaut wurden, als Wohnhaus erhalten.
In der NS-Zeit wurde der jüdische Friedhof mehrfach geschändet; das Gelände und die umgestürzten Grabsteine gingen 1943/1944 in Kommunalbesitz über. Nach 1945 wurden die etwa 120 noch vorhandenen Grabsteine wieder aufgerichtet. Der größte Teil des insgesamt ca. 3.500 m² großen Geländes ist heute eine Grünfläche ohne Grabsteine.
jüdischer Friedhof in Steinbach (Aufn. Weigand, 2021, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
1947 wurde von Überlebenden der DP-Lager in Schwäbisch-Hall ein Gedenkstein aufgestellt, der an die etwa 150 ehemaligen KZ-Häftlinge des Außenkommandos Hessental erinnert, die hier begraben wurden. Die hebräischen Inschriften enthalten Zitate aus der Bibel, gedenken aller Opfer des KZ Hessental und der Shoa insgesamt und rufen die Strafe Gottes auf die Täter herab.
Mahnmal für die jüdischen Opfer (Aufn. J. Hahn, 2004)
Eine Gedenktafel in der Neustetterstraße weist seit 1989 auf den Standort der ehemaligen Synagoge hin.
Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2003, aus: alemannia-judaica.de)
Hinweis: Neben der Vertäfelung der Unterlimpurger Synagoge ist im Hällisch-Fränkischen Museum auch die der „Frauenschul“ von Steinbach als Exponat zu sehen. Beide Synagogenräume waren gegen Ende der 1730er Jahre von dem polnischen Wandermaler Elieser Sussmann ausgeschmückt worden.
Weitere Informationen:
Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag Stuttgart 1966, S. 164
Eva Maria Kraiss/u.a., Der jüdische Friedhof in Schwäbisch Hall - Steinbach. Eine Dokumentation, Gemeinschaftsprojekt der Schüler der Realschule im Schulzentrum West, Schwäbisch Hall, hrg. vom Informationsamt der Stadt Schwäbisch Hall, 1985
Joachim Hahn, Synagogen in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987
Gerhard Taddey, Kein kleines Jerusalem - Geschichte der Juden im Landkreis Schwäbisch Hall, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1992, S. 217 ff., S. 239, S. 306 ff. und Abb. 54 - 57
Heinrich Kohring, Der jüdische Friedhof in Schwäbisch Hall – Steinbach, 1996
Andreas Maisch, Mayer Seligmann, Judt zu Unterlimpurg: Juden in Schwäbisch Hall und Steinbach 1688 - 1802, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Schwäbisch Hall", Band 14/2001
Eva Maria Kraiss/Marion Reuter, Bet Hachajim - Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Württembergisch Franken, Swiridoff Verlag, Künzelsau 2003, S. 62 - 69
Andreas Maisch/Daniel Stihler, Schwäbisch Hall. Geschichte einer Stadt, Swiridoff Verlag, Künzelsau 2006 (Anm. ein Kapitel befasst sich mit der Vernichtung der jüdischen Gemeinde)
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 426 - 429
Hällisch-Fränkisches Museum (Bearb.), Vom Bretterhaufen zum Vorzeigeobjekt – Die neu entdeckte Synagogenvertäfelung von Eliezer Sussmann (um 1738), Pressemitteilung Juli 2007
Steinbach: in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie, u.a. mit zahlreichen Abbildungen)
Armin Panter, Die Haller Synagogen des Elieser Sussmann im Kontext der Sammlung des Hällisch-Fränkischen Museums, Swiridoff Verlag Künzelsau 2015