Salmünster (Hessen)
Salmünster ist mit derzeit ca. 4.500 Einwohnern ein Kernstadtteil von Bad Soden-Salmünster im südosthessischen Main-Kinzig-Kreis zwischen Schlüchtern und Gelnhausen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: de-academic.com und Kartenskizze 'Main-Kinzig-Kreis', Hagar 2009, aus: wikipedia.-org, CC BY-SA 3.0).
In Salmünster sind Juden erstmals 1384 urkundlich erwähnt; weitere Hinweise auf jüdisches Leben stammen dann erst wieder aus dem ausgehenden 17.Jahrhundert, als am Ort drei Schutzjuden mit ihren Familien genannt werden. Die Ansiedlung jüdischer Handelsleute war der begünstigten Lage an der Frankfurt-Leipziger Handelsstraße geschuldet.
Eine kleine Gemeinde gründete sich aber erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts. Sie verfügte über eine im Jahre 1865 eingerichtete Synagoge in der Schwanengasse (es war der Umbau eines Schafstalls), die einen bestehenden Betraum ablöste. An der Rückseite des zweigeschossigen Fachwerkgebäudes floss der Mühlbach, von dem das rituelle Bad gespeist wurde.
Gemeinsam mit der benachbarten Gemeinde Eckardroth-Romsthal beschäftigte man zeitweilig einen jüdischen Lehrer, wobei die Besetzung der Stelle einem häufigen Wechsel unterworfen war. Nachdem Mitte der 1920er Jahre die Religionsschule Salmünster aufgelöst worden war, wurden die Kinder dann vom jüdischen Lehrer aus Schlüchtern unterrichtet.
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30.7.1885, vom 17.2.1904 und 8.9.1921
Ein kleines Friedhofsgelände am Ortsausgang (Hanauer Landstraße) war seit Anfang der 1920er Jahre vorhanden; zuvor waren Verstorbene in Gelnhausen, später in Eckardroth begraben worden.
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Hanau.
Juden in Salmünster:
--- um 1685 ......................... 3 jüdische Familien,
--- 1813 ............................ 2 “ “ ,
--- 1827 ............................ 10 Juden,
--- 1861 ............................ 33 “ ,
--- 1871 ............................ 41 “ ,
--- 1885 ............................ 42 “ ,
--- 1895 ............................ 42 " ,
--- 1905 ............................ 45 “ ,
--- 1910 ............................ 58 " ,
--- 1925 ............................ 34 “ ,
--- 1933 ........................ ca. 40 “ ,
--- 1938 ............................ keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 244/245
und Georg-Wilhelm Hanna, Geschichte der Juden in Bad Soden-Salmünster
Um die Jahrhundertwende hatte die Gemeinde kanpp 60 Mitglieder und stellte damit ca. 4% der Ortsbevölkerung. Die meisten von ihnen – Kaufleute, Viehhändler und Besitzer von Ladengeschäften - sollen in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen gelebt haben.
Gewerbliche Anzeigen aus den 1890er Jahren:
Am 17. Juli 1935 beschloss die Kommunalvertretung von Salmünster: „Auftragserteilungen an Handwerker, die mit Juden Geschäfte tätigen, werden zukünftig stadtseitig nicht mehr erteilt. Ebenso sollen Lieferanten behandelt werden. Von den betreffenden Geschäftsleuten soll eine Verpflichtung unterzeichnet werden, daß sie Geschäfte mit Juden nicht mehr tätigen.“
Bis Ende 1937 hatten alle jüdischen Familien Salmünster verlassen; ein Teil war nach Übersee emigriert, der andere in größere deutsche Städte (vor allem nach Frankfurt/M.) verzogen. Das Synagogengebäude ging alsbald in Privatbesitz über und wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Die Kultgegenstände waren zuvor nach Schlüchtern gebracht und dort beim Novemberpogrom 1938 zerstört worden.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ fielen dem Holocaust nachweislich 17 aus Salmünster stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden zum Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/salmuenster_synagoge.htm).
Das ehemalige Synagogengebäude wurde Anfang der 1990er Jahre von der Stadt erworben; nach dessen Renovierung wurde hier das kommunale Sozialamt untergebracht.
Ehem. Synagogengebäude und Hinweistafel (Aufn. J. Hahn, 2015)
Initiiert von Angehörigen einer Theater-Gruppe erinnern seit 2018 nahezu 20 sog. „Stolpersteine“ an ehemalige jüdische Bewohner, die Opfer der NS-Schreckensherrschaft geworden sind. Allein neun Steine sind vor dem Haus in der Frankfurter Straße 10 zu finden, die den Angehörigen der Familien Grünebaum und Strauß gewidmet sind.
drei "Stolpersteine" (Aufn. Dominique Brasch, 2022, ais: kinzig.news)
Seit 1966 erinnert auf dem kleinen Friedhof – dieser wurde 1937 geschlossen, danach geschändet und teilzerstört - ein Gedenkstein an die in Salmünster verstorbenen jüdischen Einwohner; dessen Beschriftung lautet: "Den Verstorbenen jüdischen Mitbürgern zum Gedenken. Stern Samuel 1863-1923 - Neuhaus Michael 1850-1925 - Grünebaum Moses 1871-1920 - Stern Karlmann 1858-1931 - Grünebaum Sophie 1917-1932 - Stern Johanna geb. Plaut 1863-1933 - Hess Sabine geb. Grünebaum 1869-1935 - Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Friedhof – fast ohne Grabsteine (Aufn. J. Hahn, 2015) - der älteste Grabstein, Begräbnis 1923 (Aufn. H. Hausmann)
Aus Salmünster stammte Henry Harnischfeger (geb. 1855), der nach seiner Schlosserlehre 1872 in die USA auswanderte und dort Jahrzehmte später ein expandierende Unternehmen (Metallbranche) besaß. Harnischfeger blieb stets seiner Heimatstadt verbunden und stiftete hier eine Schule, die heute seinen Namen trägt.
Anmerkung: Im hessischen Bad Soden (im heutigen Main-Taunus-Kreis) existierte bis in die 1930er Jahre eine kleine israelitische Gemeinde. (vgl. dazu: Bad Soden/Hessen)
In Eckardroth, einem Ortsteil der Kommune Bad Soden-Salmünster, erinnert heute ein jüdischer Friedhof an die einstige israelitische Gemeinde, die gemeinsam von den Familien aus Eckardroth und Romsthal gebildet worden war. Diese Kultusgemeinde zählte gegen Mitte des 19.Jahrhunderts immerhin ca. 160 Mitglieder. Der Betraum befand sich in Eckardroth.
Während die Juden Eckardroths gegen Mitte der 1920er Jahre den Ort verlassen hatten, lebten in Romsthal zu Beginn der 1930er Jahre noch ca. 25 jüdische Einwohner.
vgl. Eckardroth-Romsthal (Hessen)
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 244/245
Georg-Wilhelm Hanna, Geschichte der Juden in Bad Soden-Salmünster, in: "Bergwinkel-Bote", 40/1989, S. 39 - 47 (auch online abrufbar unter: badsoden-salmuenster.de/kultur/stadtgeschichte/die-geschichte-der-juden-in-bad-soden-salmuenster)
Thea Altaras, Das jüdische Rituelle Tauchbad und Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II., 1994, S. 137
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen I: Regierungsbezirk Darmstadt, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1995, S. 199/200
Salmünster mit Bad Soden, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Textbeiträgen zur jüdischen Ortshistorie und Aufnahmen vom jüdischen Friedhof)
Stolpersteine Altstadt Salmünster, online abrufbar unter: ensemble-feelx.de/sonstiges/stolpersteine-salmuenster
bak (Red.), Gedenken an Salmünsterer Juden, in: „Gelnhäuser Neue Zeitung“ vom 19.10.2018
Petra Kloberdanz (Red.), Viele Bürger begleiten bewegenden Erinnerungsakt, in: „Der Bergwinkel – Wochenbote“ vom 19.11.2018
Petra Kloberdanz (Red.), Stolpersteine in Salmünster verlegt, in: „Der Bergwinkel – Wochenbote“ vom 22.11.2018
N.N. (Red.), Stolperstein-Verlegung für Opfer des Nationalsozialismus, in: „Vorsprung - Nachrichten aus der Region Main-Kinzig“ vom 18.9.2022