Skotschau (Schlesien)

Herzogtum Teschen um 1855/1880 (Ausschnitt aus hist Karte von 1855, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze P., aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Skotschau - nördlich der Schlesischen Beskiden ca. 20 Kilometer westlich von Bielitz gelegen und einst zu Österreich-Schlesien gehörend - ist das heutige poln. Skoczów mit derzeit ca. 14.000 Einwohnern. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts setzte sich die Bevölkerung Skotschaus etwa jeweils zur Hälfte aus deutsch- und aus polnischen-sprechenden Bewohnern zusammen; daneben gab es noch eine tschechisch-sprechende Minderheit.

 

In Skotschau bestand eine israelitische Kultusgemeinde, die aber erst seit den 1890er Jahren Autonomie besaß.

Die Anwesenheit jüdischer Händler in Skotschau ist bereits für das 15.Jahrhundert belegt; doch eine Ansiedlung weniger jüdischer Familien erfolgte erst im 18.Jahrhundert; sie bestritten ihren Lebensunterhalt vom wenig Gewinn bringenden Kleinhandel und der Vermarktung von Alkohol. Alsbald waren erste Ansätze einer Gemeinde zu erkennen.

Die Synagoge war im Jahre 1853 eingerichtet worden. Nachdem dann später die Zahl der Gemeindeangehörigen deutlich angewachsen war, wurde 1899/1900 der junge Architekt Ernst Lindner, der aus einer der alteingesessenen, wohlhabenden Familie der Skotschauer Judenschaft stammte, mit dem Um- bzw. Erweiterungsbau der Synagoge beauftragt.

 

Synagoge in Skotschau (Karte von 1901 und hist. Aufn. um 1925, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Anfang der 1890er Jahre wurde ein eigener Friedhof westlich der Ortschaft nahe des Dorfes Wilmesau (poln. Wilamovice) angelegt; auf dem Gelände fanden auch verstorbene Juden aus der Region ihre letzte Ruhe. Zuvor waren Verstorbene auf dem jüdischen Friedhof in Teschen begraben worden. Eine Beerdigungsbruderschaft gründete sich in Skotschau in den 1920er Jahren.

Juden in Skotschau:

--- 1737 ..........................    3 jüdische Familien,

--- 1752 ..........................   27     “        “   ,

--- 1910 ...................... ca.  250 Juden (ca. 6,5% d. Bevölk.)

--- 1914 ...................... ca.  600   “   (ca. 15% d. Bevölk.),

--- 1931 ..........................   74   “   (ca. 2% d. Bevölk.).

Angaben aus: Skoczów, aus: sztetl.org.pl

 

Um 1900 spielten jüdische Familien im wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Stadt eine wichtige Rolle; neben den Familien Spitzer und den Gebrüdern Heilpern, die eine Gerberei bzw. eine Textilfabrik betrieben, waren die Gebrüder Schanzer Gründer und Eigentümer der „Schlesischen Fabrik von Zement- und Kunststein“.

Lederfabrik David Spitzer (Lithographie, um 1900)

In der Zeit des Ersten Weltkrieges lebten in Skotschau etwa 600 jüdische Personen (etwa 15% der Bevölk.); Anfang der 1930er Jahre waren es nicht einmal mehr 100; denn auch hier hatte der zunehmende Antisemitismus zur Abwanderung jüdischer Bewohner geführt.

Während der deutschen Okkupation wurde die Synagoge niedergebrannt; auch der Friedhof wurde verwüstet. Während die jüdischen Männer im Oktober 1939 in ein Zwangsarbeitslager deportiert wurden, mussten alle Frauen und Kinder in einem Wohnblock zusammenleben; im Sommer 1940 wurden sie dann in ein Ghetto deportiert.

 

Die wenigen überlebenden Rückkehrer verließen in den 1950/1960er Jahren die Stadt. Der jüdische Friedhof, dessen Grabsteine in seiner Mehrzahl entwendet bzw. zweckentfremdet worden waren, verfiel in der Folgezeit. Erst gegen Mitte der 1990er Jahre wurde das Areal wieder in einen würdigen Zustand versetzt, die noch erhaltenen ca. 50 Grabsteine aufgestellt und zudem ein Mahnmal an die Opfer des Holocaust errichtet.

Cmentarz żydowski w Skoczowie | Jewish cemetery in Skoczów - YouTube Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof Skoczów (Aufn aus: youtube.com)

Seit 1994 erinnert am einstigen Standort der Synagoge ein Mahnmal an das jüdische Gotteshaus. Bei Grabungsarbeiten wurden 2013 die Fundamentreste des ehemaligen Synagogengebäudes freigelegt.

Ernst Lindner (geb. 1870) stammte aus einer der alteingesessenen, wohlhabenden Familien der Skotschauer Judenschaft. Nach einem Architekturstudium in Wien machte er sich dort als Synagogenarchitekt einen Namen. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte er mit seiner Familie in Wien und leitete bis zu seiner Pensionierung (1935) die Technische Abteilung der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde. Ende 1938 gelang ihm die Flucht nach Großbritannien; von dort emigrierte er 1943 in die USA; hier verstarb er 1956.

 

 

Ustron SynagogueAuch die 1901/1902 erbaute Synagoge im nahen Ustron (poln. Ustroń, derzeit ca. 16.000 Einw.) war ein Werk des Architekten Franz Lindner (hist. Aufn., aus: wikipedia.org, CCO und Zeichnung, aus: kslrfamily.com). Nur wenige Jahre später wurde auch ein Friedhof angelegt. Die dortige israelitische Gemeinde, deren Anfänge um 1840 datieren, zählte um 1910 etwa 110 Angehörige, 1921 waren es ca. 140. 1939 wurde das Synagogengebäude niedergebrannt. Die hier lebende jüdische Minderheit wurde im Herbst 1942 nach Treblinka deportiert und dort ermordet.

Der um 1905 angelegte jüdische Friedhof wurde während des Zweiten Weltkrieges verwüstet; einige verbliebene Grabsteine wurden später auf den kommunalen Friedhof transferiert. Seit 1997 erinnert ein Denkmal an die ehemalige Synagoge Ustrons.

 

 

 

In Wilamowitz (poln. Wilamowice) – heute eine Ortschaft der Kommune Skoczòw/Skotschau mit derzeit ca. 400 Einwohnern – ist noch ein jüdischer Friedhof vorhanden, der Verstorbene aus den Dörfern der nahen Umgebung als letzte Ruhestätte gedient hatte. Auf dem Gelände, das im Zweiten Weltkrieg verwüstet worden war, findet man noch ca. 50 Grabsteine.

Cmentarz żydowski w Wilamowicach8.jpg Aufn. P., 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0

 

 

 

Weitere Informationen:

Peter Maser/Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, Teil I: Historischer Überblick, in: "Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien, Landeskundliche Reihe 3.1", Gebr. Mann Verlag, Berlin 1992

Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, in: Zur Geschichte der deutschen Juden. Ostdeutschland - Böhmen - Bukowina, Kulturpolitische Korrespondenz 61/1993

Jack Proszyk, Der jüdische Friedhof in Wilamowicach Nähe Skoczowa - Juden in Skoczowie in der Zwischenkriegszeit

Janusz Spyra,Materialien zur Geschichte der Juden in den Gerichtsbezirken Skoczow und Strumieri das Ende des 19. Jahrhunderts, in: "Die Stimme von Cieszyn", No. 21 vom 23.5.1997

Janusz Spyra, In the shadow of the Skorzow synagogue, Bielsko-Biala 1998

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 3, S. 1193

Ursula Prokop, Ernst Lindner (1870 – 1956), der vergessene Synagogenarchitekt, in: "DAVID – Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 86, Ausg. 9/2010

Skoczów, in: sztetl.org.pl