Soborten (Böhmen)
In der 1334 erstmals erwähnten böhmischen Ortschaft Soborten wohnten in der frühen Neuzeit fast ausschließlich Juden. Sie liegt nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt und heißt heute Sobědruhy, seit 1960 mit derzeit ca. 1.100 Einwohnern ein Teil der Stadt Teplitz/Teplice (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europa1900.eu und Kartenskizze 'Tschechien' mit Teplice rot markiert, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Über den Zeitpunkt der ersten Ansiedlung jüdischer Familien in Soborten liegen keine urkundlichen Hinweise vor. Angelockt durch den Bergbau sollen sich die ersten Juden im 14.Jahrhundert hier angesiedelt haben.
Der mündlichen Überlieferung nach soll hier ein hölzerner "Tempel" gestanden haben, der um 1500 durch Brand vernichtet wurde; darauf sollen die jüdischen Familien den Ort verlassen haben. Auch einen jüdischen Friedhof - der älteste lesbare Grabstein stammt aus dem Jahre 1669 - dürfte es damals schon gegeben haben. Bis zur Anlage eines eigenen Friedhofs (um 1750) wurden hier auch verstorbene Juden aus Dresden* und und Tetschen/Děčín beerdigt.
* Wegen des allgemeinen Verbots, Juden in Sachsen zu bestatten, mussten Angehörige verstorbener Dresdner Juden ihre Toten über den Erzgebirgskamm nach Böhmen, zumeist nach Soborten, bringen. Für den ca. 50 Kilometer langen Weg brauchten die Fuhrwerke drei Tage. Erst Kurfürst Friedrich August II. gestand den in Dresden lebenden Juden 1751 zu, einen Friedhof anzulegen (den alten jüdischen Friedhof an der Pulsnitzer Straße in der Dresdner Neustadt).
Lage des Sobortener Judenfriedhofs (rot markiert)
Die ersten urkundliche Belege von der Existenz einer größeren jüdischen Ansiedlung stammen aus der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts; danach sollen sich um 1620 fast 70 jüdische Familien in Soborten aufgehalten haben. Nach kurzzeitiger Vertreibung um 1680 kehrten die meisten Juden wieder hierher zurück. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie vor allem als Metzger, Hausierer und Geldverleiher. Bis um 1850 lebten die Juden Sobortens zumeist in kleinen Häusern in der „Judengasse“.
Um 1750 soll die Synagoge als Geschenk der Kaiserin Maria Theresia eine Uhr erhalten haben; so konnte die Gemeinde ihrem Gotteshaus einen Turm aufzusetzen, um Uhr und Glocke unterzubringen.
Tempelstraße mit Synagoge in Soborten (hist. Aufn.)
1899 wurde ein Gemeindehaus mit einem Winterbetsaal an das Synagogengebäude angebaut. In den folgenden Jahren wurde auch das Synagogengebäude renoviert und 1902 erneut feierlich eingeweiht; mit dem Einbau einer Orgel wandte sich die Gemeinde sichtbar von ihrem bis dato praktizierten konservativen Gottesdienst ab. Seit 1820 gab es in Soborten eine zweiklassige, deutschsprachige jüdische Elementarschule mit fast 100 Schülern; etwa ein Jahrzehnt nach der Einrichtung einer deutschen Schule (1862) besuchten auch die jüdischen Kinder nun diese neugeschaffene Bildungseinrichtung. Die Sobortener Kultusgemeinde umfasste Teile der Bezirke Teplitz, Dux und Karlitz.
Juden in Soborten:
--- um 1620 ......................... 67 jüdische Familien,
--- 1724 ............................ 120 " " , (?)
--- 1733 ............................ 73 “ “ ,
--- um 1820/30 .................. ca. 350 Juden,
--- 1842 ........................ ca. 240 “ ,
--- um 1875 ..................... ca. 120 “ ,
--- 1893 ........................ ca. 390 “ ,* * mit umliegenden Dörfern
--- 1902 ........................ ca. 370 “ ,*
--- um 1930 ..................... ca. 50 “ .
Angaben aus: Hilel Herzl, Geschichte der Juden in Soborten
und Sobedruhy, in: Projekt Shalom
"Judengasse" in Soborten (hist. Ansichtskarte, um 1910 ?)
Im Laufe des 19.Jahrhunderts wanderten viele jüdische Familien ab; gleichzeitig zogen deutsch-christliche Familien zu; langsam wandelte sich das „jüdische Soborten“ in eine christlich geprägte Ortschaft. Trotzdem hatte die jüdische Bevölkerung einen erheblichen Anteil an der Industrialisierung der Kleinstadt.
Mit der deutschen Okkupation 1938 verließen die letzten jüdischen Familien die Stadt; die Gemeinde erlosch.
Während der NS-Zeit wurde das Synagogengebäude schwer beschädigt; in den 1950er Jahren erfolgte der Abriss der Ruine.
Nach dem Krieg wurden etliche Grabsteine des jüdischen Friedhofs als Baumaterial benutzt und die Feierhalle abgebrochen. Der stark beschädigte und von Vegetation überwachsene alte jüdische Friedhof, dessen noch verbliebene Grabsteine tief in den Erdboden gesunken waren, wurde vor wenigen Jahren wieder freigelegt. Ein Teil der insgesamt 400 Grabsteine befindet sich auf Grund fortschreitender Verwitterung in einem schlechten Zustand.
Blick auf den alten Friedhofsteil (Aufn. SchiDD, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Jüngst wurde das denkmalgeschützte Begräbnisareal mit einer Umfriedung versehen; mit Hilfe des „Freundeskreises Dresdner Synagoge“ war ein Spendenaufruf zugunsten der Sanierung des Friedhofs erfolgreich; 2014 wurden die Arbeiten abgeschlossen.
Friedhof in Teplice-Sobědruhy (Aufn. Ladislav Faigl, 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
[vgl. Teplitz (Böhmen)]
Weitere Informationen:
Hilel Herzl (Bearb.), Geschichte der Juden in Soborten, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn/Prag 1934, S. 601 – 607
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 1207
The Jewish Community of Sobedruhy (Soborten), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/sobedruhy
Julian H. Preisler, Memorial to the Sobedruhy Jewish Community Czech Republic, 2005/2014, online abrufbar unter: jpreisler.com/SobedruhyHistorical.htm (mit detaillierten Informationen)
Pavel Frýda (Bearb.), Teplice – Sobedruhy – Synagoga, in: Verschwundene Orte und Objekte, online abrufbar unter: zanikleobce.cz/index.php?detail=1456471 von 2010 (in tschechischer Sprache)
Jewish families from Sobědruhy (Soborten), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-Sob%25C4%259Bdruhy-Soborten-Bohemia-Czech-Republic/15202