Sillein/Žilina (Slowakei)

Zilina kraj.png Das slowakische Žilina (ung. Zsolna) ist eine Industriestadt im NW des Landes mit derzeit ca. 81.000 Einwohnern unweit der Grenzen zu Polen und Tschechien (Kartenskizze M. Pröhl, 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Bis weit ins 19.Jahrhundert hinein war eine Ansiedlung jüdischer Familien in Sillein verboten; hingegen war ihnen gestattet, tagsüber ihren Geschäften hier nachzugehen; ihre Wohnungen befanden sich in den umliegenden Dörfern, wie z.B. in Varín, Martin, Rajec, Čadca u.a. Das Verbot, sich in Sillein niederlassen zu können, war möglicherweise dem Einfluss des von der deutschen Mittelschicht dominierten Magistrats zurückzuführen.

Etwa drei Jahrzehnte nach Ankunft der ersten jüdischen Familien in Sillein gründete sich im Jahre 1852 eine organisierte jüdische Gemeinde, die 1861 ihr erstes Bethaus einweihte; etwa zeitgleich eröffnete eine Religionsschule, etwa 30 Jahre später dann eine jüdische Elementarschule, die auch nicht-jüdische Kinder besuchten.

Mit dem Aufschwung der Stadt - nach Anbindung an das Eisenbahnnetz - war ein enormes Wachstum der jüdischen Gemeinde verbunden, die innerhalb weniger Jahrzehnte mehr als 1.000 Angehörige besaß.

Um 1870 kam es innerhalb der Gemeinde zu einer Spaltung; Ausdruck dafür war eine, aber erst Jahrzehnte später etablierte orthodoxe Gemeinschaft.

Ab dem Jahre 1881 stand der „Mehrheits-Gemeinde“ eine größere Synagoge zur Verfügung.

Stará synagóga v Žiline — Žilina Gallery       

Synagoge Zillein - Bildmitte (hist. Postkarte, aus: zilina-gallery.sk)      -      Ausschnittvergrößerung aus: kehilazilina.sk)

Fünf Jahrzehnte später war ein Synagogenneubau fertiggestellt, der in stilistischer Hinsicht Neuland beschritt und sich von der übrigen Bebauung durch seine geometrischen Formen abhob; mit diesem modernen Baustil wollte die jüdische Gemeinde auch ihre Progressivität unter Beweis stellen. Das Bauwerk - vom deutschen Architekten Peter Behrens konzipiert - war in vierjähriger Bauzeit (1928-1931) geschaffen worden.

  hist. Postkarte, um 1930 (Aufn. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Die um 1925 organisierte religiös-orthodoxe Gruppierung besaß seit 1927 eine eigene Synagoge. Im Gebäude der ehem. „Kleinen Synagoge“ der orthodoxen Gemeinde ist heute ein Jüdisches Museum untergebracht.

Westlich der Stadt befand sich der jüdische Friedhof; schon in den Anfängen der Gemeinde sorgte eine funktionierende Chewra Kadischa für die Begräbnisse.

Juden in Sillein/Žilina:

--- um 1830/40 .....................     2 jüdische Familien,

--- 1851 ...........................   260 Juden,

--- 1880 ...........................   619   “  ,

--- 1900 ........................... 1.024   “  ,

--- 1919 ........................... 1.680   “  (ca. 14% d. Bevölk.)

--- 1930 ....................... ca. 2.500   “  ,

--- 1940 ........................... 2.919   “  ,

--- 1942 ....................... ca. 3.500   “  ,

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), S. 1511

und                novasynagoga.sk/pribeh/jews-in-zilina/

Das Wirtschaftsleben in Sillein/Žilina wurde in hohem Maße von jüdischen Gewerbetreibenden bestimmt: so gab es in den 1930er Jahren ca. 250 - 300 Geschäfte/Unternehmen, mehr als 70 Handwerkerbetriebe und einige Industrieunternehmen, die jüdische Besitzer hatten; auch ihr Anteil an den freien Berufen war sehr groß.

Die in der Zwischenkriegszeit sehr aktiven zionistischen Verbände hatten unter den jungen Juden Silleins Hunderte von Anhängern.

Nach Errichtung des slowakischen Nationalstaates (1938) wurden Juden konsequent sowohl aus Positionen des öffentlichen Lebens, als auch aus dem Wirtschaftsleben der Stadt gedrängt, indem die Behörden innerhalb weniger Jahre die „Arisierung“ aller jüdischen Geschäfte/Betriebe durchsetzten. Um ihre Familien ernähren zu können, wurden Juden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Eine erste Deportation (März 1942) verschleppte je ca. 100 junge Frauen und Männer nach Auschwitz bzw. Majdanek; im Jahresverlauf setzten sich die Deportationen fort, die in den Vernichtungslager auf polnischem Boden endeten. Bis Jahresende 1942 waren mehr als 80% der jüdischen Bevölkerung Silleins nicht mehr in der Stadt.

Während der Zeit des faschistischen slowakischen Regimes diente ein in Sillein/Žilina eingerichtetes Transitlager als Sammelpunkt für die Juden der Region auf ihrem Wege in die Todeslager Auschwitz, Treblinka, Majdanek und Sobibor.

Bildergebnis für slovakia deportation Bildergebnis für slovakia deportation

Juden warten auf ihren Abtransport (hist. Aufn., aus: yadvashem.org/yv/en/exhibitions/communities)

Unter den ca. 27.000 Inhaftierten im Lager Žilina befanden sich auch österreichische Jüdinnen und Juden.

Nach Kriegsende kehrten etwa 600 - 700 jüdische Überlebende in die Stadt zurück. Mehr als die Hälfte emigrierte bis 1950 nach Palästina/Israel oder andere Länder. Nach der sowjetischen Invasion (1968) verließen dann fast alle noch hier verbliebenen jüdischen Bewohner das Land; nur einige ältere Menschen blieben zurück.

Das ehemalige Synagogengebäude – es hatte in der Nachkriegszeit verschiedenen Zwecken gedient bzw. war lange Jahre auch ungenutzt geblieben - wurde in den letzten Jahren einer umfangreichen Restaurierung unterzogen (auch finanziert mit Mitteln aus dem Ausland) und soll künftig als Kulturzentrum und Kunstgalerie dienen.

Der am westlichen Stadtrand sich befindende jüdische Friedhof, der sich in einem guten Zustand zeigt, weist heute noch ca. 1.300 Grabstätten auf.


 

In Puchau (slow. Puchov, ung. Puhó) - einer Stadt mit derzeit ca. 18.000 Einwohnern zwischen Trentschin/Trenčín u. Sillein/Žilina gelegen - reichen erste Erwähnungen jüdischer Bewohner bis ins 17.Jahrhundert zurück; vermutlich handelte es sich um Flüchtlinge aus Mähren, die hier eine Bleibe gefunden hatten.

Ihre erste Synagoge richtete die jüdische Gemeinschaft im Jahre 1806 ein; knapp sechs Jahrzehnte später wurde diese durch ein Schadensfeuer zerstört und 1868 durch einen Neubau ersetzt.

Zur Kultusgemeinde zählten auch die jüdischen Bewohner von umliegenden ca. 15 Ortschaften.

Juden in Puchau/Puchov:

--- um 1770 ...................... ca.  90 Juden,

--- 1840 ......................... ca. 470   “  ,

--- 1880 ............................. 370   “  ,

--- 1940 ............................. 215   “  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 1038

Seit Mitte des 19.Jahrhunderts verließen vor allem jüngere Juden die Kleinstadt, weil sie in größeren Städten eine bessere wirtschaftliche Perspektive sahen.

In der Zwischenkriegszeit gab es in Puchau/Puchov etwa 40 Geschäfte, zwölf Handwerksbetriebe und mehrere Fabriken, die jüdische Eigentümer hatten. Doch mit der Etablierung des faschistischen slowakischen Staates wurden diese aufgegeben bzw. “arisiert”.

Im Frühjahr 1942 begannen die Deportationen der Juden aus Puchov: Für die allermeisten endete der Weg in den Todeslagern auf polnischem Boden.

Auf dem ca. 4.000 m² großen jüdischen Friedhofsgelände – es ist von Vegetation überwuchert - findet man heute kaum mehr als 100 Grabsteine bzw- relikte.

Eine Gedenktafel erinnert an die ehemalige Synagoge von Puchau/Puchov.

   siehe: Puchau/Puchov (Slowakei)

 

 

In Kischütz-Neustadt (slow. Kysucke Nove Mesto, ung. Kiszuczaujhely) erfolgte erste jüdische Ansässigkeit vermutlich im ausgehenden 18.Jahrhundert. Die sich hier um 1870 gebildete Reform-Gemeinde blieb stets relativ klein.

Als die Zahl der Gemeindeangehörigen bereits im Absinken war, ließ man 1906 noch ein neues Synagogengebäude errichten.

Juden in Kischütz-Neustadt:

--- 1880 ........................ 159 Juden,

--- um 1940 ................. ca.  50   “ .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 696

1942 wurden die meisten der noch im Ort verbliebenen jüdischen Bewohner in die Vernichtungslager auf polnischem Boden deportiert

 

 

In Bytča (vorher Velka Bytka)heute eine Kleinstadt mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern – begann jüdische Ansiedlung in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts. Nach Zuzügen gründete sich in der zweiten Hälfte d.J. eine Gemeinde, die alsbald über alle notwendigen religiös-rituellen Einrichtungen verfügte. Erste Hinweise auf eine Synagoge und einen eigenen Begräbnisplatz stammen aus dem Jahre 1801. Bereits 1775* soll hier eine jüdische Elementarschule bestanden haben (* andere Angabe: 1850).

Ein neues repräsentatives Synagogenbauwerk löste 1886 das alte Gebäude ab.

Die relativ große Gemeinde – sie stellte einen erheblichen Teil der Einwohnerschaft - setzte sich unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg immerhin noch aus mehr als 500 Angehörigen zusammen; 1930 waren es noch ca. 360, 1940 noch ca. 300 Personen. Ihr wirtschaftlicher Einfluss in der Kleinstadt war auf Grund von mehr als 50 in ihrem Besitz befindlichen Geschäften/Betrieben relativ groß

Im Laufe des Jahres 1942 setzten auch hier die Deportationen ein, von denen die allermeisten jüdischen Bewohner betroffen waren. Auch die wenigen noch in der Stadt geduldeten Juden wurden zwei Jahre später in die Vernichtungslager verbracht.

Der jüdische Friedhof wurde in der kommunistischen Ära vollständig zerstört; an dessem Standort steht heute ein Denkmal.

In Bytča erinnert noch heute ein imposantes Synagogenbauwerk an die Zeit, in der hier eine jüdische Gemeinde zuhause war. Das 1886 errichtete Gebäude im Stile der Neuromanik mit maurischen Elementen war bis in die jüngste Vergangenheit dem Verfall überlassen, soll aber künftig saniert werden.

Synagoge von Bytča (Aufn. Marcin Szala, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)  -  Portal (Aufn. Zuzana Grúňová, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

Weitere Informationen:

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol 2, S. 696 (Kysucke Nove Mesto) u. 1037/1038 (Puchov/Puchau) und Vol. 3, S. 1382 (Velka Bytca), S. 1416 (Vrutky) und S. 1511/1512 (Žilina)

The Jewish Community of Zilina, Hrg. Beit Hatfutsot – Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/zilina

Haim Gordon, The rise and the decline of the Jewish Community of Zilina (Slovakia), translated by Elisabeth Meir-Will/Zuzka Weil, Jerusalem 2003

Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005, S. 160/161 u. 197 (Žilina/Sillein) und S. 133 u. 190 (Puchov/Puchau) und S. 156 ((Bytča)

The Jewih Community of Bytca (ung. Nagy Bicse), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/bytca

Stadtverwaltung Žilina (Hrg.), History of Jews in Žilina, in: tikzilina.eu/en/history-of-jews-in-zilina/

Neue Synagoge Zilina, online abrufbar unter. novasynagoga.sk/pribeh/jews-in-zilina/ (chronologische Übersicht)

Pavol Makyna (Bearb.), Synagóga v Púchove – בית הכנסת – Synagogue in Púchov. Dlaždica na mieste bývalej synagógy v Púchove, aus: zilina-gallery.sk (in slow. Sprache)

Pavol Makyna (Red.), ŽIDOVSKÁ KOMUNITA V PÚCHOVE DO R. 1938, online abrufbar unter: puchovodedicstvo.sk/historia/1648/zidovska-komunita-v-puchove (in slow. Sprache)

jhe (Red.), Modernist synagogue in Žilina being restored as cultural space, Hrg Jewish Heritage Europa vom 9.3.2013

The Jewish cemetery in Žilina – memorial ceremony 2017, in: zilina-gallery.sk/picture.php?/59907/category/4063