Topoltschan/Topoľčany (Slowakei)

Bildergebnis für topolcany Das westslowakische Topoľčany (ung. Nagytapolcsány) besaß Stadtrechte seit Mitte des 13.Jahrhunderts; derzeit leben in der Stadt etwa 26.000 Einwohner (Kartenskizze M. Pröhl, 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Jüdische Anwesenheit in der Stadt reicht zurück bis ins Jahr 1649, als fünf aus Mähren stammenden jüdischen Familien ein Wohn- und Handelsrecht seitens der Ortsherrschaft verbrieft wurde. Bereits in den beiden Jahrhunderten zuvor waren jüdische Handelsleute in der Stadt präsent gewesen. 1727 mussten auf Anweisung des Kaisers Karl VI. die Stadt verlassen, konnten aber 1744 wieder hierher zurückkehren und das vormals bestandene gemeindliche Leben fortsetzen. Der alte Friedhof wurde nun wieder genutzt und ein Synagogengebäude neu errichtet.

Im Laufe des 18.Jahrhunderts entwickelte sich in Topoltschan eine funktionierende Gemeinde, die bis ins 20.Jahrhundert hinein der orthodoxen Richtung angehörte. (Anm.: Im Distrikt von Neutra/Nitra war die jüdische Gemeinde in Topoltschan die älteste)

1810 wurde eine Jeschiwa begründet, die mehr als ein Jahrhundert existierte. Ihre Gründer waren die Rabbiner Abraham Ulmann und Asher Rotta. So entwickelte sich Topoltschan/Topoľčany zu eines der Zentren jüdischer Gelehrsamkeit im sog. „Oberland“ (Nord-Ungarn).

In der Stadt gab es zahlreiche von der orthodox ausgerichteten Gemeinde betriebene Einrichtungen, wie ein rituelles Badehaus, eine koschere Schlachterei, eine Mazzen-Bäckerei, einen Kindergarten, ein Altersheim u.a. Eine eigene Schule (Unterrichtssprache war zunächst Deutsch) stand seit 1850 den jüdischen Kindern zur Verfügung; diese existierte ununterbrochen bis zur Auslöschung der Gemeinde (1944).

Mit dem Bau einer repräsentativen Synagoge (im maurisch geprägten Stil) - errichtet um die Jahrhundertwende - demonstrierte die hiesige Judenschaft ihr gestärktes Selbstbewusstsein.

Etwa zeitgleich legte die Gemeinde einen neuen Friedhof an.

Ende der 1920er Jahre ließ die Familie Rosenthal ein neues Bethaus errichten.

Juden in Topoltschan/Topoľčany:

--- 1764 ........................ ca.   20 jüdische Familien,

--- 1828 ...........................   561 Juden,

--- 1880 ....................... ca. 1.100   "  (ca. 30% d. Bevölk.),

--- 1900 ........................... 1.676   ”  ,

--- 1920 ........................... 1.954   ”  ,

--- 1940 ........................... 2.460   ”  (ca. 25% d. Bevölk.),

--- 1941 (Dez.) ................ ca. 3.000   ”  ,

--- 1945 ....................... ca.   500   ”  ,

--- 1948 ....................... ca.   330   ”  .

Angaben aus: Topolcany, in: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), S. 1314

und                M. Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community

und               The Jewish Community of Tolpocany, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People

Im Wirtschaftsleben der jüdischen Familien spielten die Verbindungen zum agrarisch genutzten Umland eine wichtige Rolle; so waren es vor allem Juden, die den Ankauf von Agrarprodukten Handel mit den Landwirten in den umliegenden Dörfern bewerkstelligten und diese dann vermarkteten. So war z.B. der hiesige Viehmarkt einer der umsatzstärksten im Land. Auch der allgemeine Handel mit Erzeugnissen für den täglichen Bedarf lag weitgehend in jüdischer Hand. Daneben waren Juden in freien Berufen (Ärzte, Rechtsanwälte) tätig; auch eine jüdische Bank war in der Stadt vorhanden.

Mit ihrer Wirtschaftskraft stärkten die jüdischen Familien auch das kommunale Gemeinwohl, dem sie auch in Bezug auf Teilhabe an öffentlichen Ämtern Ausdruck verliehen; deshalb war das beiderseitige Verhältnis von Juden und Nicht-Juden bis in die 1930er Jahre kaum von Spannungen getrübt; dies änderte sich erst mit dem Auftreten antisemitisch ausgerichteter Gruppierungen.

Nach der Jahrhundertwende – und vor allem in der Zwischenkriegszeit – gewannen zionistische Organisationen Einfluss besonders unter der jungen Generation; so waren in der Stadt verschiedene Gruppen aktiv, wie z.B. Die “Hashomer Kadima”, “Hashomer Hatzair”, “Bnai Akivah”, “Beitar” u.a.; die “Hachschara” gründete in Stadtnähe ein Ausbildungslager für auswanderungswillige junge Juden.

Mit der Etablierung des faschistischen slowakischen Regimes und der damit verbundenen antijüdischen Gesetzgebung setzte nun die Verdrängung der Juden aus dem öffentlichen Leben ein; bis 1942 wurden sie ihrer wirtschaftlichen Basis (“Arisierung” ihrer Geschäfte/Betriebe) beraubt. Hunderte jüdischer Männer wurden zu Zwangsarbeiten herangezogen.

Durch die Aufnahme von aus Pressburg/Bratislava vertriebenen jüdischen Familien war die die Zahl der Juden in Topoľčany gegen Ende 1941 auf mehr als 3.000 Personen angewachsen.

Ab 1941 ließ das von der Slowakischen Volkspartei getragene totalitäre Regime in Ghettos und Sammellager für Juden errichten; neben Preßburg (Bratislava), Neutra (Nitra) und Sillein (Zilina) gab es ein solches auch in Topoľčany.

Mehr als 2.400 Juden aus Topoľčany wurden im Laufe des Jahres 1942 in die Todeslager auf polnischen Boden verschleppt. Als im September 1944 die deutsche Wehrmacht die Stadt besetzte, wurden die meisten der noch hier verbliebenen etwa 800 jüdischen Personen – mit tatkräftiger Unterstützung von Angehörigen der Hlinka-Garde - innerhalb eines Monats nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Beim Abzug der Deutschen wurde das Synagogengebäude in Brand gesetzt.

 

Nach der Befreiung kehrten ca. 500 überlebende Juden nach Topoľčany zurück und ließen die Kultusgemeinde neu aufleben. Im September 1945 kam es hier zu pogromartigen Ausschreitungen – getragen von Anfeindungen der hiesigen Bevölkerung -, die zahlreiche Verletzte forderten und jüdisches Eigentum zerstörten.

Anm.: Nach dem Pogrom standen aktiv am Pogrom beteiligte Personen vor Gericht; im Rahmen einer Amnestie wurden alle Urteile im Jahr 1950 aufgehoben. Das Geschehen in Topoľčany vom Sept. 1945 wurde in dem 2004 erstellten Dokumentarfilm „Miluj blížneho svojho“ („Liebe deinen Nächsten“) aufgearbeitet und - nach Protesten - schließlich auch im slowakischen Fernsehen gezeigt.

Bis 1948/1949 hatten fast alle jüdischen Bewohner die Stadt verlassen, waren nach Israel bzw. auch in andere Länder emigriert oder nach Pressburg/Bratislava verzogen.

Der stark beschädigte Synagogenbau nach Ende des Krieges nicht mehr für religiöse Zwecke benutzt und diente seit den 1950er Jahren als Lager für einen Großhandel. Heute ist im völlig durch Umbauten veränderten Gebäude eine Schule untergebracht.

In der Eingangshalle dieser Schule wurde 1998 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Verfolgung und gewaltsame Deportation der Juden enthüllt.

Steinernes Relikt jüdischer Lokalgeschichte ist der noch vorhandene Friedhof.

 

 

Im slowakischen Dorf Nováky (ung. Nyitranovák) - nordöstlich von Topoľčany (Topoltschan) – ließen sich in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts einige jüdische Familien nieder, die hier eine Gemeinde gründeten; im Laufe ihres Bestehens zählte diese kaum mehr als 100 Angehörige.

Juden in Nováky :

--- 1869 ..................... 115 Juden (ca. 20% d. Bevölk.),

--- 1940 .....................  26   “ .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 901

Die nur noch wenigen in Nováky lebenden Juden wurden im Frühjahr 1942 deportiert.

Bei Nováky richteten die slowakischen Behörden ein Durchgangslager ein, das mehr als 4.500 Juden aus der Region auf ihrem Wege in die Vernichtungslager passieren mussten.

Zwei weitere große Lager dieser Art gab es außerdem in Sered und Vynhe.

 

 

Im Dorfe Bojna (bei Topolcany, derzeit ca. 2.000 Einwohner) bildete sich zu Beginn des 19.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde heraus, die über alle wesentlichen rituellen Einrichtungen verfügte; sogar eine eigene Elementarschule hatte die Gemeinde eingerichtet.

Das Synagogengebäude wurde um 1870/75 in der Dorfmitte (nahe der Pfarrkirche) errichtet.

ehem. Synagogengebäude von Bojna File:Bojná - synagóga.jpg(Aufn. Patrik Kunec, 2018, aus: commons.wikimedia. CC BY-SA 4.0)

Juden in Bojna:

--- 1880 ......................... 125 Juden,

--- 1920 .........................  70   "  ,

--- 1942 .........................  26   “  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 165

Die meisten der im Ort verbliebenen jüdischen Bewohner wurden im Frühjahr 1942 deportiert.

Das einstige Synagogengebäude - in der Vergangenheit zu unterschiedlichsten Zwecken verwendet - wurde zeitweilig von der lutherischen Kirche als Gotteshaus genutzt; derzeit ist das baufällige Gebäude ohne Verwendung; von der ursprünglichen Innenausstattung ist heute nichts mehr erhalten.

 

 

In Banowitz (slow. Bánovce nad Bebravou) – ca. 25 Kilometer nordöstlich von Topoltschan gelegen – sollen bereits im 15.Jahrhundert jüdische Flüchtlinge aus Wien zeitweilig hier gelebt haben. Eine organisierte Gemeinde bildete sich in Banowitz im erst in den 1820er Jahren. In den 1770er Jahren war bereits eine Synagoge errichtet worden, die 1862 auf Grund der sich vergrößerten Gemeinde durch einen Neubau ersetzt wurde.

Die orthodox ausgerichtete Gemeinde verfügte über alle den Ritus betreffenden notwendigen Einrichtungen. Neben einer Religionsschule hatte auch kurzzeitig eine jüdische Elementarschule bestanden; jüdische Kinder besuchten danach die öffentlichen Ortsschulen.

Juden in Banowitz/Bánove nad Bebravou :

    --- 1787 ...................... 259 Juden,

    --- 1818 ...................... 395   “  ,

--- um 1860 ............... ca. 500   “  (ca. 20% d. Bevölk.),

--- 1880 .................. ca. 540   "  ,

    --- 1930 .................. ca. 500   “  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol.1), S. 85

Mit der Anbindung des Ortes an das Eisenbahnnetz und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung wurde die Zuwanderung jüdischer Familien aus dem dörflichen Umland forciert.

Die orthodox ausgerichtete Gemeinde verfügte über alle den Ritus betreffenden notwendigen Einrichtungen.

Die orthodox ausgerichtete Gemeinde verfügte über alle den Ritus betreffenden notwendigen Einrichtungen. Neben einer Religionsschule hatte auch kurzzeitig eine jüdische Elementarschule bestanden; jüdische Kinder besuchten danach die öffentlichen Ortsschulen.

Ab Mitte des 19.Jahrhunderts vollzog sich eine Integration in die angestammte Bevölkerung: Juden fungierten als angesehene Geschäftsleute (die meisten Geschäfte lagen um den Marktplatz) und waren in freien Berufen tätig.

Ab Mitte des 19.Jahrhunderts vollzog sich eine Integration in die angestammte Bevölkerung: Juden fungierten als angesehene Geschäftsleute (die meisten Geschäfte lagen um den Marktplatz) und waren in freien Berufen tätig. Antisemitisches Verhalten innerhalb der Stadtbevölkerung soll es bis Ende der 1920er Jahre kaum gegeben haben. Doch fand in den Jahren der Zwischenkriegszeit zionistisches Gedankengut bei der jüngeren jüdischen Bevölkerung immer mehr Gehör.

Um 1930 zählte die jüdische Gemeinde ca. 500 Personen. Mit der Schaffung des faschistischen slowakischen Regimes begann Ausgrenzung und Diskriminierung, die schließlich in den Deportationen endete.

Nach Kriegsende kehrten nur 45 Überlebende der Gemeinde zurück; fast alle emigrierten in den Folgejahren.

Außer ein paar Grabsteinen des Friedhofs erinnert heute nur das restaurierte Synagogengebäude an die einstige jüdische Gemeinde von Banowitz/Bánovce nad Bebravou.

   vgl. Banowitz/Bánovce nad Bebravou (Slowakei)

 

Weitere Informationen:

Yehoshua Robert Büchler (Red.), The Story and Source of the Jewish community of Topoltchany (Topoľčany, Slovakia), Lahavor Haviva/Israel 1976, online abrufbar unter: jewishgen.org/Yizkor/Topolcany (Anm. sehr ausführliche Darstellung)

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 1, S. 85 (Banovce), S. 165 (Bojna) und Vol. 2, S. 901 (Nováky) und Vol. 3, S. 1314 (Topoľčany)

History of the Town of Topoltchany, online abrufbar unter: jewishgen.org/yizkor/Topolcany

Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005, S. 146 und 188

The Jewish Community of Topoľčany, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum oft the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/topolcany

The Jewish Community of Bánovce nad Bebravou, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum oft the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/banovce

   Luděk Vláčil, Die Synagoge von Bojná, online abrufbar unter: hrady.cz/index.php?OID=13873

   Pogrom von Topoľčany, in: wikipedia.org/wiki/Pogrom_von_Topoľčany