Uerdingen (Nordrhein-Westfalen)
Uerdingen mit derzeit ca. 18.000 Einwohnern ist heute ein Stadtbezirk und Stadtteil des kreisfreien Krefeld (Ausschnitte aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und aus hist. Karte um 1820/25, aus: krefeld.de/de/vermessung/militaerkarten).
Hinweis: Die Stadt Krefeld-Uerdingen am Rhein war eine Zeitlang ein (bis heute einzigartiges) verwaltungsmäßiges Konstrukt einer sog. „Dachgemeinschaft“ zwischen den beiden niederrheinischen Städten Krefeld und Uerdingen am Rhein. In Folge des vertraglich zweckverbandsmäßigen Zusammenschlusses (1928) behielten danach beide Städte weitgehend ihre Eigenständigkeit. Dieser Zustand der „Dachgemeinschaft“ wurde dann aber durch die kommunalen NS-Behörden unter der Parole „Uerdingen muss Krefeld sein“ propagandistisch in Frage gestellt und 1940 schließlich aufgehoben; danach war Uerdingen ein Stadtteil Krefelds. (Angaben aus: wikipedia.org)
Ansicht von „Verdingen“ - Stich M. Merian, um 1650 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Die ersten Erwähnungen jüdischer Einwohner in Uerdingen erfolgten im Zusammenhang mit Berichten über deren Verfolgung und Vernichtung am gesamten Niederrhein vom Sommer 1349.
1780 wurden in Stadt und Amt Uerdingen sechs jüdische Familien gezählt.
Eine Synagoge existierte in Uerdingen seit Beginn der 1840er Jahre; sie war im hinteren Bereich eines Hauses in der Bruchstraße untergebracht. Gottesdienste suchten hier auch die jüdischen Bewohner von Friemersheim auf.
In der Nähe von Linn ('Im Bruch') besaßen die Uerdinger Juden einen Begräbnisplatz, der auch von Glaubensgenossen aus Osterath, Bockum und Hohenbudberg - gegen Entrichtung einer Abgabe - mitgenutzt wurde.
Jüdischer Friedhof in Linn (Aufn. aus: rheinruhronline.de)
Bei der Konstituierung der Kultusgemeinde Krefeld hatten sich die Uerdinger Juden gegen einen Anschluss an Krefeld ausgesprochen; begründet wurde ihre ablehnende Haltung mit der zu großen Entfernung zur Krefelder Synagoge. Allerdings fanden sie mit dieser Argumentation kein Gehör.
Juden in Uerdingen:
--- 1780 .......................... 5 jüdische Familien* *Amt und Stadt Uerdingen
--- 1806 .......................... 54 Juden,
--- 1824 .......................... 62 “ ,
--- 1836 .......................... 85 “ ,
--- 1850 .......................... 61 “ (in 10 Familien),
--- 1866 .......................... 63 “ ,
--- 1900 .......................... ? “ ,
--- 1933 .......................... 32 “ .
Angaben aus: Guido Rotthoff (Bearb.), Krefelder Juden, S. 75
Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Uerdingen ca. 35 Bürger mosaischen Glaubens.
Im Laufe des 10.November 1938 begannen in Uerdingen die antijüdischen Ausschreitungen. In Krefeld, Linn und Hüls waren zu diesem Zeitpunkt die Synagogen bereits zerstört worden. Da eine Inbrandsetzung des Gotteshauses wegen der baulichen Gegebenheiten nicht möglich war, wurde auf Initiative der NSDAP-Ortsgruppenführung die Inneneinrichtung des Gebäudes samt der Kultgegenstände leergeräumt und auf dem Uerdinger Marktplatz zu einem Scheiterhaufen aufgetürmt; anschließend setzte man diesen in Brand. Später deckte man das Dach des Synagogengebäudes ab und riss die Mauern nieder. Auch die wenigen jüdischen Geschäfte und Wohnungen wurden verwüstet.
1947/1950 standen neun Männer vor Gericht, die sich wegen der Inbrandsetzung des Inventars der Uerdinger Synagoge zu verantworten hatten.
Seit 1988 erinnert eine Bronzeplatte mit der folgenden Beschriftung an die ehemalige Synagoge der Uerdinger Juden:
Hinter diesem Haus stand seit 1841 die Uerdinger Synagoge.
Sie wurde am 10.November 1938 in nationalsozialistischem Wahn ausgeräumt und abgebrochen.
Die Einrichtung verbrannte man auf dem Marktplatz.
Zur Erinnerung und Mahnung !
Die Bürger Uerdingens 10.November 1988
2016 wurden die ersten sog. „Stolpersteine“ in den Straßen Uerdingens verlegt.
verlegt für Fam. Daniels, Alte Krefelder Str. (Aufn. Holger Heinzmann, 2018, aus: wikipedia.org, CCO)
Weitere Steine findet man in der Bahnhofstraße, Bruchstraße und Niederstraße.
in der Bruchstraße
in der Niederstraße (alle Aufn. H. Heinzmann, 2018, aus: wikipedia.org, CCO)
Jüngst wurden zwei Gedenkquader für Dr.Hans Finkelstein und seinen Sohn Berthold verlegt (2024).
Der Chemiker Dr. Hans Finkelstein war der Erfinder der sog. „Finkelstein-Reaktion“; er entstammte einer liberalen jüdischen Familie. Als Forschungsleiter bei der IG Farben musste er das Unternehmen im Zuge der "Arisierungen" 1938 verlassen; noch im gleichen Jahr nahm er sich das Leben. Sein Sohn Berthold musste später bei der I.G. Farben Zwangsarbeit leisten. -Mit der Gründung der Finkelstein-Stiftung will Bayer Projekte fördern, die die Rolle der I.G.Farben im Nationalsozialismus darstellen und zur Erinnerungskultur beitragen und deren historische Verantwortung verdeutlichen.
[vgl. Krefeld (Nordrhein-Westfalen)]
Weitere Informationen:
Leo Peters, Die Predigt zur feierlichen Einweihung der Synagoge in Uerdingen am 15.Oktober 1841, in: "Die Heimat", No. 59/1988, Krefeld 1988
Guido Rotthoff (Bearb.), Krefelder Juden, in: Krefelder Studien 2, Hrg. Oberstadtdirektor/Stadtarchiv, L. Röhrscheid Verlag, Bonn 1980
Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 318/319
Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, J.P. Bachem Verlag, Köln 2000
Krefeld-Uerdingen am Rhein, in: wikipedia.org/wiki/Krefeld-Uerdingen_am_Rhein (betr. u.a. die kommunale Eigenart als sog. "Dachgemeinschaft)
Othmar Sprothen, Uerdingens erste Stolpersteine, in: RP-Online vom 17.2.2016
Stolpersteine für die Familie Daniels in Uerdingen verlegt, in: krefeld.de (Febr. 2016)
Auflistung der Stolpersteine in Uerdingen, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Krefeld
Stolpersteine in Krefeld (nach Straßennamen geordnet), Stand 2017 (online abrufbar unter: villamerlaender.de/fileadmin/userfolders/STAND_Mai_2017_alle_nach_Straßen.pdf)
Stefan Laurin (Red.), Niederrhein. Auf den Spuren jüdischen Lebens, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 30.3.2022
Sandra Franz/Villa Merländer e,V. (Red.), Uerdingen, in. Jüdisches Leben am Niederrhein, online abrufbar unter: juedischer-niederrhein.de/niederrhein/krefeld/#krefeld-linn/
Carolin Siebert (Red.), Finkelstein Stiftung verlegt Stolpersteine in Krefeld, in: bayer.com/media/ vom 11.9.2024
Bianca Treffer (Red.), Stolpersteine für die Finkelsteins – warum sie besonderes Gewicht haben, in: „Rheinische Post“ vom 13.9.2024