Uffenheim (Mittelfranken/Bayern)
Uffenheim mit derzeit mehr als 6.000 Einwohnern ist eine Kleinstadt im mittelfränkischen Landkreis Neustadt a.d.Aisch/Bad Windsheim - ca. 35 Kilometer südöstlich von Würzburg gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Neustadt a.d. Aisch/Bad Windsheim', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Mit der Übertragung Uffenheims an die Herren von Hohenlohe 1266 entwickelte sich die Ortschaft zu einer Kleinstadt, in der auch jüdische Bewohner lebten. Bereits Ende des 13.Jahrhunderts soll in Uffenheim eine kleine jüdische Gemeinschaft beheimatet gewesen sein; zwei Pogrome 1298 ('Rintfleischpogrom') und 1336 ('Armleder-Verfolgung') löschten sie aus. Doch wenige Jahrzehnte später sollen wieder einzelne jüdische Familien vorübergehend in Uffenheim gelebt haben, die unter dem Schutz des brandenburgischen Markgrafen standen. Erst nach 1525/1530 lassen sich wieder Juden in Uffenheim nachweisen: wenige Familien hatten gegen Zahlung eines jährliches „Schutzzinses“ vom Markgrafen Georg (1528–1543) befristete Wohnrechte erhalten. Verstorbene Juden fanden damals auf dem jüdischen Friedhof in Rothenburg o.T. ihre letzte Ruhe.
Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurden die Juden mal geduldet, mal vertrieben; Rat und Bürgerschaft nahmen meist eine judenfeindliche Haltung ein, die sie oft gegen die Interessen der Landesherrschaft von Ansbach durchzusetzen versuchten. Ein vom Markgrafen Georg Friedrich (1692–1703) erteiltes Stadtprivileg, keine Juden mehr in Uffenheim aufzunehmen, wurde aber nicht konsequent durchgesetzt; denn um 1705 lebten knapp 60 jüdische Bewohner hier. die sich vorwiegend in der "Judengasse" nahe dem Schloss angesiedelt hatten. Ein Minjan ließ sich nur mit Schwierigkeiten zusammenbringen, deshalb mussten zeitweise ortsfremde Männer zur Abhaltung eines Gottesdienstes in die Stadt kommen.
Um 1800 war nur eine einzige jüdische Familie im Städtchen ansässig; im Laufe der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts vergrößerte sich - als Folge der Wohn- und Gewerbefreiheit in Bayern - die Zahl der jüdischen Familien in Uffenheim allmählich. Bis in die 1870er Jahre gehörten die Uffenheimer Juden der Kultusgemeinde Welbhausen an; 1877 stellten sie den Antrag auf Bildung einer selbstständigen Gemeinde. Einige Jahre später wurde Uffenheim Sitz der „Cultusgemeinde Welbhausen-Uffenheim“. Von 1875 bis 1878 war Uffenheim Sitz des Rabbinats, danach wurde es an Ansbach übertragen.
Anfänglich trafen sich die Uffenheimer Juden in einem „Betlocal“, das sich nach 1870 bald als zu klein erwies; deshalb fasste die Gemeinde 1887 den Entschluss, ein eigenes Synagogengebäude zu errichten. Im September 1890 konnte die Uffenheimer Judenschaft ihre neue Synagoge in der Ringstraße einweihen; der Bau war durch eine Lotterie finanziert worden. Unter Leitung des Distriktsrabbiners Grünbaum aus Ansbach wurde - unter Beteiligung der Honoratioren der Stadt - das neue Gotteshaus, das „der ganzen Stadt zur Zierde gereichte”, in Nutzung genommen.
Uffenheim mit Synagoge ganz links im Bild, hist. Aufn. - Synagoge in Uffenheim (Postkartenausschnitt)
Aus dem „Uffenheimer Wochenblatt” vom 10.Sept. 1890:
Vorgestern (...) fand hier die feierliche Einweihung der neuerbauten Synagoge statt.
Vormittags 11 Uhr versammelten sich die Mitglieder der israel. Kultusgemeinde Uffenheim, die Staats- und städtischen Beamten, der Bürgerverein und die sonstigen eingeladenen Festgäste im Hofe der mit Maien, Girlanden und Fahnen herrlich dekorierten Synagoge. ... Innerhalb der Synagoge trug der Bürgerverein das ‘Boruch habo’ (Gesegnet der da kommt im Namen des Ewigen ...) vor, worauf die heilige Lage geöffnet, die heiligen Bücher herausgenommen und unter Gesang ... ein dreimaliger Umzug durch das Gotteshaus veranstaltet wurde. Nun betrat Herr Distriktsrabbiner Grünbaum aus Ansbach die Kanzel, um ... in meisterhafter Rede über den Geist und das Wesen der israel. Religion zu sprechen, welche mit allen anderen monotheistischen Religionsgenossenschaften die Lehre gemein habe und als obersten Glaubensgrundsatz predige, daß ohne wahre Gottesfurcht und ohne selbstlose Nächstenliebe ein wirklich religiös-sittlicher Wandel nicht möglich sei. ... Die Synagoge ist ein herrlicher, in maurisch-romanischem Style gehaltener Bau, ... Das Werk bildet einen hervorragenden Schmuck unserer Stadt und macht den Bauleuten alle Ehre. ...
Das Synagogengebäude war im Auftrag dreier jüdischer Familien errichtet worden; diese traten es 1892 gegen Zahlung von 11.000 Mark an die Kultusgemeinde ab. Neben der Synagoge verfügte die Kultusgemeinde über ein Schulhaus und eine Mikwe.
Die jüdischen Familien Uffenheims nahmen einen Lehrer in Anstellung; der seit 1876 hier tätige Abraham Strauß wirkte mehr als ein halbes Jahrhundert in der Kleinstadt.
Stellenangebote in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Sept. 1876 und vom 8.April 1924
Ihre Verstorbenen bestattete die Gemeinde auf dem jüdischen Friedhof in Ermetzhofen.
Juden in Uffenheim:
--- 1705 .................... ca. 60 Juden,
--- 1729 ........................ 6 jüdische Familien,
--- 1751 ........................ 7 " " (ca. 75 Pers.),
--- 1761 ........................ 3 “ “ ,
--- 1803/08 ..................... eine “ “ (),
--- 1872 ........................ 9 “ “ ,
--- 1885 ........................ 18 “ “ ,
--- 1910 ........................ 104 Juden (4,4% d. Bevölk.),
--- 1925/26 ..................... 77 “ ,
--- 1933 ........................ 50 “ ,
--- 1938 (Sept.) ................ 25 “ ,
--- 1939 (Jan.) ................. 2 “ ,
(Juni) ................. keine.
Angaben aus: Karl Ernst Stimpfig, Die Juden in Ermetzhofen, Welbhausen, Gnodstadt und Uffenheim
und Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 236
Ansbacher Straße - hist. Postkarte (Abb. aus: ansichtskartenversand.com)
Die meisten der in den 1920er Jahren hier lebenden Gemeindemitglieder waren als Kaufleute tätig, einige betrieben Pferde- und Viehhandel.
Werbung: Mazzen-Fabrik Flamm (1907 - 1925)
aus: „Bayrische Israelitische Gemeindezeitung“ vom 1.März 1931
Zertifikate für koschere Nudeln (Abb. W.Sauber, aus: wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
Die Verdrängung der jüdischen Viehhändler setzte in Uffenheim schon im Herbst 1933 ein: Die Stadtbehörden hatte den Juden den Auftrieb und den Handel beim Viehmarkt verboten. Auch aus dem übrigen Geschäftsleben wurden jüdische Händler nun verdrängt; forciert wurde diese Entwicklung durch öffentliche Kundgebungen in Uffenheim, die den „jüdischen Geist in der deutschen Wirtschaft” brandmarkten.
Die israelitische Gemeinde Uffenheims löste sich offiziell wenige Wochen vor dem Novemberpogrom 1938 auf; Auslöser war die Mitte Oktober 1938 erfolgte Verhaftung von vier jüdischen Männern und deren Einlieferung ins KZ Dachau; propagandistisch begleitet wurde ihr Abtransport durch SA-Angehörige und Schulkinder, die Plakate mit den Aufschriften „Auszug aus dem gelobten Land“ und „Eiliges Ausfuhrgut aus Uffenheim in Deutschland an den Völkerbund für Väterchen Stalin“ mit sich führten. Zu Ausschreitungen gegen jüdische Bewohner bzw. Zerstörung von Eigentum soll es in der Stadt in den Novembertagen aber nicht gekommen sein; auch die Synagoge blieb unangetastet. Bis Mitte des Jahres 1939 hatten alle Juden Uffenheim verlassen; während ein Teil emigrieren konnte, verzog der andere Teil in größere deutsche Städte. Bereits im Januar 1939 erklärte sich die Stadt Uffenheim für „judenfrei”, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch zwei jüdische Bewohner im Ort lebten. Nachdem die jüdische Gemeinde aufgelöst war, ging das Synagogengebäude gegen einen äußerst geringen Kaufpreis an die Stadt Uffenheim über; nach dessen Abriss - vermutlich 1939 - entstanden in der Nähe des Geländes einfache Wohnbauten, wobei auch die Steine der abgebrochenen Synagoge benutzt wurden.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945“ sind 16 gebürtige bzw. länger in Uffenheim ansässig gewesene Bürger jüdischen Glaubens Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/uffenheim_synagoge.htm).
Seit 2007 erinnert gegenüber dem einstigen Synagogenstandort eine Steinplastik - geschaffen von einem Künstler aus Aserbaidschan - an die jüdischen NS-Opfer von Uffenheim. Die aus drei Frauen gestaltete überlebensgroße Skulptur soll die Trauer symbolisieren, gleichzeitig aber auch Hoffnung auf künftiges jüdisches Leben in Deutschland machen.
Mahnmal für die jüdischen Opfer (Aufn. aus: vanderkrogt.net, 2012)
Am Fuße der Skulptur ist eine gleichlautende Inschrift in hebräischer und deutscher Sprache angebracht:
Zum Gedenken an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger,
die alle bis 1938 unsere Stadt verlassen mussten.
Männer, Frauen und Kinder verloren ihre Heimat,
viele von ihnen wurden auf Befehl einer menschenverachtenden Politik des NS-Staates ermordet.
Im Gollachaumuseum Uffenheims sind einige Exponate zu finden, die aus der jüdischen Stadtgeschichte stammen: so z.B. die Urkunde zur Grundsteinlegung der Synagoge, einige Beschneidungswimpel u.a.
[vgl. Welbhausen (Bayern)]
Im Dorfe Weigenheim - wenige Kilometer nordöstlich von Uffenheim gelegen - bestand spätestens seit dem beginnenden 18.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, deren Angehörige vom Fürsten von Schwarzenberg hier angesiedelt worden waren. Zumeist lebten die jüdischen Familien in recht ärmlichen Verhältnissen. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden anfangs in einem Betraum eines Privathauses statt, danach in einem eigens dafür erstellten 'Häuschen'. 1849 konnte - finanziert durch Spenden/einer Kollekte - ein neues Synagogengebäude (mit Mikwe und Schule) eingeweiht werden, das das inzwischen baufällig gewordene alte Bethaus errsetzte. Ein eigenes Friedhofsgelände am Ort war aber nicht vorhanden; Verstorbene fanden auf dem jüdischen Friedhof in Hüttenheim (oder Ermetzhofen ?) ihre letzte Ruhe.
Bei der Erstellung der Matrikellisten wurden der jüdischen Gemeinde acht Stellen zuerkannt; die hier aufgeführten Haushaltsvorstände handelten vor allem mit Schnittwaren und mit Vieh.
Um 1840 zählte die kleine Gemeinde ca. 45 Personen. Wegzug und Auswanderung führten nach 1850/60 zu deren allmählichen Niedergang. Um 1900 löste sich schließlich die Kultusgemeinde auf und wurde der neugeschaffenen Gemeinde Uffenheim-Welbhausen angeschlossen, nachdem ein Jahrzehnt zuvor in Weigenheim noch etwa zehn Familien gelebt hatten. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg zählte man noch drei jüdische Dorfbewohner.
Der Verkauf von Thora-Rollen und weiterem Synagogeninventar dokumentierte das Ende der kleinen Gemeinde (siehe Kleinanzeigen).
Verkaufsanzeigen von 1903/1904
Das wenige Jahre später an einen Landwirt verkaufte Synagogengebäude ist - nach Umbauten - baulich erhalten geblieben und wird heute weiterhin als landwirtschaftlicher Lagerschuppen genutzt. Gegenwärtig überlegt die Kommune, das Gebäude zu erwerben und zu restaurieren.
ehem. Synagogengebäude mit zugemauerten Rundbogenfenstern im Innern (Aufn. Fritz Saemann, 2012)
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind neun aus Weigenheim stammende Juden Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/weigenheim_synagoge.htm).
2010 wurde vom Geschichts- und Brauchtums-Stammtisch Weigenheim eine Bronzeplatte für Pauline Rothschild ('Sprinzen Lina') - sie war die letzte jüdische Bewohnerin - in die Gehwegpflasterung vor deren ehemaligen Wohnhaus verlegt.
Aufn. aus: weigenheim.de
Weitere Informationen:
Stefan Schwarz, Die Juden in Bayern im Wandel der Zeiten, G. Olzog Verlag, München/Wien 1963 (Taschenbuchausgabe München 1970)
Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 236/237
Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Bayern, München 1992, S. 195f.
Horst Steinmetz/Helmut Hofmann, Die Juden in Windsheim nach 1871, 2. erw. Aufl., Selbstverlag, Bad Windsheim 1994
Karl Ernst Stimpfig, Die Juden in Ermetzhofen, Welbhausen, Gnodstadt und Uffenheim mit der Geschichte des Rabbinats Welbhausen - Eine Dokumentation, Hrg. Stadt Uffenheim, Uffenheim 2002, S. 195 - 260
Heinz Hillermeier (Hrg.), Uffenheim – Stadt und Land. Streifzüge durch die Geschichte unserer fränkischen Heimat, Verlag Seehars, Uffenheim 2004
Georg Schöck, Vom Schicksal der Juden im Uffenheimer Gau, in: H. Hillermeier, Uffenheim. Stadt und Land, Uffenheim 2004, S. 94 - 104
Uffenheim, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen, meist personenbezogenen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Weigenheim, in: alemannia-judaica.de
Karl Ernst Stimpfig, Die Juden im Fürstlich-Schwarzenbergischen Herrschaftsgericht Hohenlandsberg, o.O. o.J.
B. Eberhardt/C. Berger-Dittscheid, Uffenheim, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2010, S. 691 – 704
gk (Red.), „Ihr Schicksal soll Mahnung sein“, in: „FLZ – Fränkische Landeszeitung“ vom 7.8.2010 (betr. Gedenkstein für Pauline Rothschild in Weigenheim)
Gemeinde Weigenheim (Red.), Ehemaliges Haus der Pauline Rothschild, aus: weigenheim.de
Erinnerungen an jüdisches Leben in Uffenheim, in: "Main-Post“ vom 25.11. 2010
Haus der Bayrischen Geschichte (Hrg.), Weigenheim – Jüdisches Leben in Bayern, online abrufbar unter: hdbg.eu/juedisches_leben/synagoge/weigenheim/974
Ulli Ganter (Red.), Ehepaar sichert die Erinnerung an die Synagoge von Weigenheim, in: "FLZ - Fränkische Landeszeitung“ vom 15.6.2024
Ulli Ganter (Red.), Die Synagoge in Weigenheim gíbt es jetzt als Modell, in: „FLZ – Fränkische Landeszeitung“ vom 2.11.2024