Ungarisch Hradisch (Mähren)
Zum Schutz der Landesgrenze und des Klosters gründete der böhmische König Premysl Ottokar II. 1257 die auf einer March-Insel liegende, als Grenzfestung dienende Stadt Novy Velgrad; wenige Jahrzehnte später wurde diese zur Königsstadt erhoben und erhielt zu Beginn des 14.Jahrhunderts den Namen Hradiště; heute heißt die ca. 27.000 Einwohner zählende, zum Kreis Zlin gehörende Stadt Uherské Hradište (Kartenskizzen 'Tschechien' mit Uherské Hradište rot markiert, aus: commons.wikimedia.org, CCO und aus: pragerzeitung.cz/bei-katholiken-und-bata-juengern).
Jüdische Bewohner haben bereits im 14.Jahrhundert in Hradisch a.d. March gelebt; eine Urkunde aus dem Jahre 1342 listete alle in der Stadt lebenden Juden auf; sie bildeten damals ein eigenes Viertel in der Franziskanergasse. Auf Grund eines königlichen Privilegs aus dem Jahre 1454 wurde Juden das Recht zugesprochen, in der Stadt dauerhaft zu wohnen; ihre Abgaben leisteten sie zunächst dem Markgrafen, fortan an die Stadt. Etwa 50 Jahre später bestätigte König Wladislaus II. (1471–1516) den jüdischen Bewohnern erneut ihre althergebrachten Rechte; in der Urkunde von 1497 hieß es u.a.:
„ Erstens sollen die Juden niemandem Abgaben und Steuern zahlen als der Stadt Hradisch zur Ausbesserung der Stadt und der Schanzen. Was die Bürger ihnen also nach Gebühr und altem Herkommen auferlegen, sollen sie zahlen und niemand anderer als der Stadtrat darf sie verwalten. ... Item, wem immer sie etwas schuldig wären, der soll sie vor dem Hradischer Gerichte beschuldigen, und sie sind verpflichtet, sich vor diesem Gerichte gemäß dem Rechte der Stadt Hradisch zu rechtfertigen. Item, wenn ein Jude stirbt, so soll sein Besitz nach dem Hardischer Recht unter seine Waisen geteilt werden. Item soll jedweder Streit zwischen Juden selbst nach dem Stadtrechte gerichtet werden. Wenn der Jude gerechte Schulden über Feld (=auswärts) hat, so soll man ihm zu deren Eintreibung verhelfen, sie einfordern, und zu Stande bringen nach Recht und Gerechtigkeit. ...”
(deutsche Übersetzung nach H. Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974, S. 116)
Doch bereits 1514 verwies der böhmische König - veranlasst durch Klagen der Stadtbewohner - alle jüdischen Familien aus Hradisch, die sich nun in Dörfern der nahen Umgebung niederließen. Weiterhin war den ausgewiesenen Juden aber die Teilnahme an den Hradischer Jahrmärkten gestattet – gegen Entrichtung einer Leibmaut.
Ungarisch Hradisch um 1730 (Abb. aus: wikimedia.org, gemeinfrei)
Erst Mitte des 19.Jahrhunderts durften sich erneut Juden wieder in der Stadt ansiedeln; innerhalb weniger Jahre war ein deutlicher Zuzug von Juden zu verzeichnen. Anfang der 1880er Jahre bildete sich ein Kultusverein, der 1892 in eine Kultusgemeinde umgewandelt wurde.
Aus dem Jahre 1875 stammt das bis heute erhaltene Synagogengebäude; durch Umbauten und durch Hinzufügen einer Kuppel (1904) erhielt das Bauwerk seine heutige Gestalt.
Synagoge (hist. Ansichten, um 1925/1930)
Der alte jüdische Friedhof - er lag hinter den Schanzen beim Altstädter Tor - wurde urkundlich erstmals 1421 erwähnt.
Juden in Ungarisch-Hradisch:
--- 1857 ............................ 16 jüdische Familien (ca. 60 Pers.),
--- 1869 ............................ 342 Juden,
--- 1880 ............................ 488 “ ,
--- 1930 ........................ ca. 350 “ ,
--- 1939 ............................ 325 “ .
Angaben aus: Hugo Gold (Hrg.), Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, S. 116
zentraler Platz in Ungarisch-Hradisch (hist. Aufn. aus: austria-forum.org)
Um 1900 besaß die Kleinstadt eine vorwiegend tschechisch sprachige Bevölkerung; knapp 20% waren deutscher Herkunft.
Die um 1930 in Ungarisch Hradisch lebenden Juden waren mehrheitlich Anhänger der zionistischen Bewegung; so hatte 1927 auch ein zionistischer Jugendtag hier stattgefunden.
Nach der deutschen Okkupation wurde die israelitische Gemeinde der Stadt fast völlig ausgelöscht: Anfang 1942 wurden die jüdischen Einwohner zunächst nach Ungarisch-Brod, von hier nach Theresienstadt und anschließend in die Vernichtungslager deportiert. Mehr als 200 Angehörige der jüdischen Gemeinde fanden dort den Tod.
Nur sehr wenige ehemalige Gemeindeangehörige kehrten nach 1945 in die Stadt zurück; eine Gemeinde bildete sich nicht wieder. Die Rückkehrer schlossen sich zunächst der Gemeinde von Ungarisch-Brod, danach der von Brünn (Brno) an.
Das Synagogengebäude, das während des Zweiten Weltkrieges beschädigt wurde (die Kuppel wurde 1944 durch einen Brand zerstört), diente nach 1945 kulturellen Zwecken; seit 1967 ist im Haus die Bezirksbibliothek untergebracht.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Till Janzer, 2012 und GFreihalter, 2017, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Auf dem jüdischen Friedhof, der unter der NS-Herrschaft schwer verwüstet wurde, erinnert ein unscheinbares Mahnmal an die Opfer der Shoa.
Mahnmal (Aufn. T.Bednarz, 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Weitere Informationen:
Hugo Gold (Bearb.), Geschichte der Juden in Ung. Hradisch, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Buch- und Kunstverlag, Brünn 1929, S. 561/562
Germania Judaica, Band II/2, Tübingen 1968, S. 846/847 und Band III/2, Tübingen 1995, S. 1523/1524
Hugo Gold (Hrg.), Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974, S. 116
Gerhard Hanak (Bearb.), Juden in Mähren - Judengemeinden in Südmähren, o.O. 2002
The Jewish Community of Uherske Hradiste (Ungarisch-Hradisch), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/uherske-hradiste
Jewish Families from Uherské Hradište (Ungarisch Hradisch), Moravia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Uherske-Hradiste-Ungarisch-Hradisch-Moravia-Czech-Republic/13174