Unkel (Rheinland-Pfalz)
Unkel ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 5.000 Einwohnern im Landkreis Neuwied - etwa 20 Kilometer südlich von Bonn gelegen (Ausschnitte aus hist. Karte von ca. 1655, aus wiki-de.genealogy.net und hist. Rhein-Weinbau-Karte von ca. 1900).
1578 wird erstmals die Existenz von drei Juden in Unkel urkundlich erwähnt. Die sehr wenigen in Unkel lebenden Familien mussten für die Ausstellung ihrer Geleitbriefe festgelegte Schutzgeldzahlungen zunächst an die kurkölnische, später dann an die nassauische bzw. preußische Herrschaft leisten.
„Seit unvordenklichen Zeiten” soll es in Unkel ein „Betlocal” in einem Privathauses gegeben haben. Nachdem 1869 ein Baugrundstück „Am Graben“ erworben worden war, konnte fünf Jahre später - am 21. August 1874 - die Einweihung des neuen Synagogengebäudes erfolgen. Doch nur bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in der Synagoge regelmäßig Gottesdienste abgehalten, danachallerdings war es schwierig, die für den Gottesdienst notwendige Zahl von zehn erwachsenen Männern zustande zu bringen; an hohen Feiertagen wurden deswegen Juden aus der Umgebung hinzu gebeten.
Synagoge in Unkel (Skizzen: Rainer Brach und Ruppert Schneider)
Elementarunterricht erhielten die wenigen jüdischen Kinder in der Ortsschule.
1863 hatten sich die kleinen jüdischen Gemeinschaften von Unkel, Rheinbreitbach, Scheuren und Erpel zu einer Spezialgemeinde zusammengeschlossen; mit der relativ großen Gemeinde von Linz/Rhein bildeten sie eine Synagogengemeinde. Dazu hieß es in einem Schriftstück:
Verhandelt Unkel, 27.Oktober 1863
In Gemässheit der hochverehrlichen Verfügung der Königl. Regierung vom 19.September 1863 .... wurden die selbständigen jüdischen Familienoberhäupter der Bürgermeisterei Unkel auf heute in das Amtslokal des unterzeichneten Bürgermeisters zusammenberufen und erhielten die Mitteilung von der pracitierten Verfügung ... “ Wir sind damit einverstanden, daß die Juden aus der Bürgermeisterei Linz und Unkel zu einer Synagogengemeinde vereinigt werden, jedoch behalten wir uns ausdrücklich vor, dass die Juden der Bürgermeisterei Unkel für sich eine Spezial-Gemeinde bilden und in finanziellen Verhältnissen mit der Gemeinde Linz gar nichts zu schaffen haben. ...
[vgl. Linz/Rhein (Rheinland-Pfalz)]
Zusammen mit den Juden aus Rheinbreitbach begruben die Unkeler ihre Toten zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Linz oder bei Bad Honnef (in Selhof "Auf der Helte"); erst gegen Ende der 1870er Jahre verfügte man über ein eigenes Beerdigungsgelände neben dem christlichen Friedhof.
Juden in Unkel:
--- um 1750 ........................ 7 jüdische Familien,* *Kirchspiel Unkel
--- 1803 ........................... 48 Juden,*
--- 1817 ........................... 4 jüdische Familien,
........................... 17 " " ,** ** Bürgermeisterei Unkel
--- 1851 ........................... 39 Juden,
........................... 95 “ ,**
--- um 1900 ........................ 5 jüdische Familien,
--- um 1935 ........................ 5 Juden,
--- 1939 ........................... 3 “ ,
--- 1942 ........................... keine.
Angaben aus: Rudolf Vollmer, Die ehemalige jüdische Gemeinde in Unkel, Erpel und Rheinbreitbach, S. 24
Unkel um 1910 (Abb. Stadtarchiv Unkel)
Geschäftsanzeigen (um 1900/1905)
Mitte der 1930er Jahre löste sich die jüdische Gemeinschaft in Unkel auf. Das schon jahrzehntelang unbenutzte Synagogengebäude sollte nach dem Ableben des letzten männlichen Gemeindemitglieds verkauft werden, doch konnte zunächst kein Käufer gefunden werden. Am 10. November 1938 setzten zwei Ortsbewohner das Synagogengebäude in Brand; das einstige Gotteshause wurde total zerstört. Das Synagogengelände ging 1939 in Privatbesitz über und wurde mit einem Wohnhaus überbaut. Der jüdische Friedhof in Unkel wurde 1941 geschlossen, weil er angeblich „in seinem verwahrlosten Zustand das Orts- und Straßenbild“ störe; die Fläche wurde eingeebnet und die von dort entfernten Grabsteine in einer nahen Kiesgrube entsorgt.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden vier aus Unkel stammende Bewohner mosaischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/unkel_synagoge.htm).
Ein 1949 geführter Prozess gegen die Brandstifter der Unkeler Synagoge führte zu Freisprüchen.
Nach Kriegsende wurde der während der NS-Zeit geschändete und danach aufgelassene Friedhof auf Anordnung der US-Besatzungsbehörden – so gut es eben ging - wieder hergerichtet; allerdings konnten nur acht Grabsteine wieder aufgestellt werden – allerdings nicht an ihren Original-Grabstellen.
Jüdisches Begräbnisareal (Aufn. aus: blick-aktuell.de und Aufn. R. Hauke, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Am Eingang des ca. 650 m² großen Friedhofareals weist seit 2016 eine Gedenktafel auf den historischen Ort an der Straße „Am Hohen Weg“ hin.
Auf Beschluss des Stadtrates wurde 1985 am ehemaligen Standort der Synagoge - am heutigen Synagogenplatz - eine Gedenktafel mit folgendem Text angebracht:
Hier stand die Unkeler Synagoge.
Eingeweiht am 26.August 1874.
Zerstört in der Zeit der Verfolgung unserer jüdischen Mitbürger am 10.November 1938
Wir vergessen es nicht !
Die Bürger der Stadt Unkel 27.10.1985
Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2009)
1998 wurde eine Straße nahe des jüdischen Friedhofs nach Simon Levy, einem ehemaligen jüdischen Einwohner des Ortes, benannt.
In der kleinen Ortschaft Erpel - heute zur Verbandsgemeinde Unkel gehörig - erreichte die jüdische Bevölkerung in den 1840er Jahren mit 17 Haushalten ihren zahlenmäßigen Höchststand. Seit Beginn des 19.Jahrhunderts hielten sich jüdische Familien im Ort auf, die mit Schutzbriefen der nassauischen Regierung ausgestattet waren. Die jüdische Gemeinschaft verfügte über alle notwendigen religiös-kultischen Einrichtungen, so über eine Betstube in einem Privathaus, ein Beerdigungsgelände (am Fuß der Erpeler Ley) sowie eine Keller-Mikwe. Ein von auswärts kommender Lehrer erteilte den wenigen Kindern Religionsunterricht. Als die Zahl der jüdischen Familien stark rückläufig war, schloss man sich der Kultusgemeinde Linz/Unkel an und suchte dann auch deren Synagoge auf. 1939 lebten nur noch vier jüdische Bewohner im Ort; die letzten beiden wurden 1942 deportiert. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden zwei aus Erpel stammende Bewohner mosaischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/erpel_synagoge.htm).
Nur sechs Grabsteine bzw. -relikte erinnern heute an den fast vergessenen ehemaligen jüdischen Friedhof (Aufn. Jumoger, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0), der von 1880 bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges belegt worden war. Der lange Zeit unbeachtet gebliebene jüdische Friedhof am Fuß der Erpeler Ley soll nun künftig als "Kultur- und Erinnerungsstätte" wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden. Dank privater Initiative wurden auf dem ca. 800 m² großen Gelände erste Sanierungsmaßnahmen durchgeführt und auch eine Informationstafel aufgestellt (2022).
Die Wurzeln der kleinen jüdischen Gemeinde in Rheinbreitbach reichen bis in die Zeit des 18.Jahrhunderts zurück; im 19.Jahrhundert gehörten ihr maximal acht Familien an. Seit den 1820er Jahren soll es am Ort ein „Betlocal“ gegeben haben. Zusammen mit den jüdischen Familien von Erpel, Heister, Scheuren und Unkel bildeten die Juden Rheinbreitbachs eine Teilgemeinde innerhalb der Kultusgemeinde Linz/Rhein. Als die Teilgemeinde um 1920 aufgelöst wurde, gehörten alle jüdischen Familien der Bürgermeisterei Unkel der Linzer Gemeinde an.
Juden in Rheinbreitbach:
--- 1803 ................ 18 Juden,
--- 1822 ................ 18 " ,
--- 1846 ................ 29 " (in 8 Familien)
--- 1858 ................ 32 " ,
--- 1895 ................ 12 " ,
--- 1900 ................ 10 " ,
--- 1925 ................ 2 " .
Angaben aus: Klaus-Henning Rosen, Die jüdische Gemeinde Rheinbreitbach
Bis Ende der 1930er Jahre lebten nur zwei Juden in Rheinbreitbach.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 14 aus Rheinbreitbach stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/rheienbreitbach_synagoge.htm).
An zwei Standorten in der Hauptstraße wurden 2021 drei „Stolpersteine“ verlegt, die an drei Rheinbreitbacher Jüdinnen erinnern.
Aufn. aus: "Rhein-Zeitung" vom 18.6.2021
Weitere Informationen:
Rudolf Vollmer, Die ehemalige jüdische Gemeinde der Bürgermeisterei Unkel, in: "Heimatjahrbuch 1994 des Landkreises Neuwied", Neuwied 1994/95, S. 74 - 79
Wolfgang Dietz, Landkreis Neuwied. Weimarer Republik - Nationalsozialismus - Nachkriegszeit, 2.Aufl., Neuwied 1996
Rudolf Vollmer, Die ehemalige jüdische Gemeinde in Unkel, Erpel und Rheinbreitbach, Hrg. Stadtarchiv, Unkel 1997
Unkel, in: alemannia-judaica.de
Erpel, in: alemannia-judaica.de
Rheinbreitbach, in: alemannia-judaica.de (mit wenigen Dokumenten zur jüdischen Lokalgeschichte)
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 147, S. 320 und S. 371/372
Klaus-Henning Rosen (Bearb.), Ortsgemeinde Rheinbreitbach – Jüdische Bürgerinnen und Bürger 1700 – 1942, in: "Rheinbreitbacher Heimatheft" No. 25, hrg. vom Heimatverein Rheinbreitbach 2020
Klaus-Henning Rosen (Bearb.), Die jüdische Gemeinde Rheinbreitbach, in: „Rheinbreitbacher Heimatheft“, No. 25/2021, S. 70 ff.
Sabine Nitsch (Red.), Neue Stolpersteine in Rheinbreitbach: Erinnerung an jüdische Opfer lebt, in: „Rhein-Zeitung“ vom 18.6.2021
N.N. (Red.), Interessengruppe nimmt sich jüdischem Friedhof in Erpel an, in: „NR-Kurier“ vom 4.11.2022