Wiesloch (Baden-Württemberg)

Bildergebnis für Eppingen Kraichgau karte Rhein-Neckar-Kreis KarteWiesloch ist eine Stadt mit derzeit ca. 26.000 Einwohnern im nördlichen Baden-Württemberg – knapp 15 Kilometer südlich von Heidelberg gelegen (topografische Karte 'Region Karlsruhe - Heidelberg -Stuttgart', K. Jähne 2000, aus: wikimedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Rhein-Neckar-Kreis', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/rhein-neckar-kreis).

 

Wiesloch lag an sich kreuzenden Handelsstraßen, was die Ansiedlung jüdischer Familien förderte; spätestens in den ersten Jahrzehnten des 14.Jahrhunderts entstand hier eine jüdische Gemeinde, die während der Pestpogrome 1348/1349 aber vernichtet wurde. Nach erneuter kurzzeitiger Ansiedlung um 1380 wurden die jüdischen Familien erneut vertrieben.

ein Bild

"Wisseloch" (Wiesloch) - Merian-Stich um 1645, in "Palatinatus Rheni" (Abb. aus: badischewanderungen.de/Wiesloch)

Die Wurzeln der neuzeitlichen Gemeinde reichen bis ins 17.Jahrhundert zurück; allerdings siedelten sich zunächst nur wenige jüdische Familien hier an; um 1750 waren es sieben. Auf eine Begrenzung der Ansiedlungen von Juden hatte der Stadtrat stets Wert gelegt und dies in einem Privilegienbrief des Kurfürsten auch fixieren lassen.

Vermutlich aus dem 18.Jahrhundert stammte eine Synagoge, die getrennt als „Männerschule“ und „Weiberschule“ geführt wurde. 1837 wurde am ehemaligen Platze der „Männerschule“ eine neue Synagoge gebaut, in der nun auch die Frauen - auf einer Empore - Platz fanden.

       

Ehem. Synagoge Wiesloch in der Kleinen Straße kurz vor dem Abriss (Aufn. um 1955, Stadtarchiv Wiesloch)

 Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 30.3.1853

Der Friedhof der Wieslocher Judenschaft war bereits in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts an der Merianstraße - am Rande der Altstadt - angelegt worden; auf diesem Verbandsfriedhof wurden auch Verstorbene der jüdischen Gemeinden im ehemaligen kurpfälzischen Oberamt Heidelberg beerdigt. Mehrere Erweiterungen des Begräbnisgeländes erfolgten im Laufe des 19.Jahrhunderts.

Die Wieslocher Judengemeinde gehörte seit 1827 zum Bezirksrabbinat Heidelberg.

Juden in Wiesloch:

         --- um 1725 ...................... ca.   5 jüdische Familien,

    --- 1748 .............................   7     “       “    ,

    --- 1825 .............................  51 Juden,

    --- 1857 .............................  70   “  ,

    --- 1875 ............................. 119   “  ,

    --- 1880 ............................. 125   “  ,

    --- 1900 ............................. 109   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1910 ............................. 125   “  ,

    --- 1925 ............................. 103   “  ,

    --- 1933 .............................  69   “  ,

    --- 1941 .............................   3   “  .

Angaben aus: F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, ..., S. 299

 

Bis zum Ersten Weltkrieg spielten die Wieslocher Juden im Wirtschaftsleben der Stadt eine ganz erhebliche Rolle; neben Vieh-, Tabak- und Hopfenhändlern gab es auch zwei jüdische Zigarrenfabrikanten.

Die nach der NS-Machtübernahme einsetzende „Arisierung“ jüdischer Betriebe war im September 1938 beinahe abgeschlossen; derzeit bestanden nur noch die Tabakfabrik Ebner & Kramer sowie das Textilgeschäft Adolf Rosenthal.

Während der „Kristallnacht“ im November 1938 wurde die Synagogeneinrichtung von SA-Angehörigen zertrümmert und auf dem nahgelegenen Kirchplatz verbrannt; wertvolle Gegenstände waren vorher „gesichert“ worden. Auch Fensterscheiben jüdischer Wohnungen gingen zu Bruch. Einige Männer aus Wiesloch wurden ins KZ Dachau eingeliefert. Mehreren Familien gelang bis 1940 noch die Emigration. 18 Wieslocher Juden wurden im Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des " Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 53 gebürtige bzw. längere Zeit in Wiesloch ansässig gewesene Personen mosaischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft gworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/wiesloch_synagoge.htm).

 

Das ehemalige Synagogengebäude in der Kleinen Straße wurde wegen Baufälligkeit Ende der 1950er Jahre abgebrochen. Eine in den 1970er Jahren angebrachte Hinweistafel wurde zur 50.Wiederkehr des Tages der „Reichskristallnacht“ durch eine neue ergänzt, die symbolhaft die zerstörte Gemeinde nachzeichnet.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20292/Wiesloch%20Synagoge%20844.jpg  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20198/Wiesloch%20Synagoge%20652.jpg

ältere Hinweistafel und neuere Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2009)

 Details auf der Gedenktafel von 1988 (Aufn. J. Hahn, 2009)

Im Rahmen des landesweit durchgeführten Mahnmal-Projektes zur Erinnerung an die Deportation der badischen Juden nach Gurs haben Jugendliche der Evang. Christusgemeinde einen Memorialstein erstellt, der einen zerbrochenen Davidstern trägt. Auf einen Vor-Ort-Stein hat man bewusst verzichtet, da in Wiesloch bereits seit Ende der 1980er Jahre ein Mahnmal an die jüdischen NS-Opfer erinnert.

                         Memorialstein für Wiesloch (Aufn. aus: mahnmal-neckarzimmern.de)

Seit 2012 sind in den Straßen Wieslochs sog. "Stolpersteine" verlegt worden, die an Personen erinnern, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind. 2014 und 2016 folgten weitere Steine; derzeit sind mehr als 40 dieser kleinen Gedenkquader in den Gehwegen zu finden (Stand 2023).

Stolperstein für Adelheid IsraelStolperstein für Julius IsraelStolperstein für Mina Israel  Stolperstein für Raphael TraubStolperstein für Raphael Frieda

verlegt in der Schlossstraße und der Hauptstraße  (Aufn. sd., 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

in der Blumenstr./Hesselgasse (Aufn. Pfeifer, 2014) Stolperstein für Adelheid Bodenheimer

 

Der großflächige jüdische Friedhof in Wiesloch weist heute noch mehr als 1.200 Grabsteine auf. Teile des ehemaligen Eingangsportals der Synagoge wurden in die Umfassungsmauer des Friedhofs eingefügt. Ein Mahnmal an der Außenmauer erinnert an die Deportationen von 1940.

 

Impressionen vom Wieslocher Friedhof (Aufn. P. Born und P. Schmelzle, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

    Schön ornamentierte Steine (Aufn. J. Hahn, 2003/2011)

Mahnmal auf dem Friedhof (Aufn. P. Schmelzle, 2012)

 

 

Im Stadtteil Baiertal existierte seit dem 18.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, die ihren zahlenmäßigen Zenit gegen Mitte des 19.Jahrhunderts mit 170 Angehörigen erreichte.

[vgl. Baiertal (Baden-Württemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 298 f. und S. 42 f. (Baiertal)

Christian Sachs, Die Geschichte der Wieslocher und Baiertaler Juden im Dritten Reich, Schülerarbeit am Gymnasium Wiesloch, Maschinenmanuskript 1983

Oswald Zehe, Die jüdische Gemeinde in Wiesloch von ihren geschichtlichen Anfängen bis zum bitteren Ende, in: "Kraichgau. Beiträge zur Landschafts- und Heimatforschung", Hrg. Heimatverein Kraichgau, Folge 9/1985, S. 180 - 189

A. Hochwarth/O. Zehe, Die Kultstätten der jüdischen Gemeinde in Wiesloch, in: "Kraichgau. Beiträge zur Landschafts- und Heimatforschung", Hrg. Heimatverein Kraichgau, Folge 9/1985, S. 170 - 189

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 496 f.

Daniel Alter, Der jüdische Friedhof in Wiesloch bis zur ersten Erweiterung im Jahr 1819, unveröffentlichte Magisterarbeit Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg 1993

Simone Tamara Pöpl, Die Grabinschriften des jüdischen Friedhofs in Wiesloch 1819 - 1865, unveröffentlichte Magisterarbeit Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg 1995

Karl Günther, Der jüdische Friedhof in Wiesloch, in: Wiesloch - Beiträge zur Geschichte, Bd. 1, Hrg. Stadtarchiv Wiesloch, Verlag Regionalkultur, Ubstadt Weiher 2000, S. 225 - 242

Karl Günther, Die Grabinschriften der Familie Seligmann-von Eichthal auf dem jüdischen Friedhof in Wiesloch, in: Peter Fassl (Hrg.), Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben II, Irseer Schriften, Band 5, Thorbecke Verlag, Stuttgart 2000, S. 33 - 51

Karl Günther, Sprechende Steine - Symbole und Ornamente auf Grabmälern des jüdischen Friedhofs in Wiesloch, in: "Wiesloch - Beiträge zur Geschichte", Band 2, Hrg. Stadtarchiv Wiesloch, Verlag Regionalkultur, Ubstadt Weiher 2001, S. 325 - 342

M.Brocke/Chr. Müller, Haus des Lebens - Jüdische Friedhöfe in Deutschland, Reclam Verlag, Leipzig 2001, S. 123

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 518 - 552 (incl. Baiertal)

Wiesloch, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen, zumeist personenbezogenen Text- u. Bildmaterialien zur jüdischen Gemeindehístorie)

rö (Red.), In Wiesloch sollen Stolpersteine verlegt werden, in: "Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 31.1.2012

Anton Ottmann, „Stolpersteine“ sind Mahnung und Warnung. Zehn weitere Gedenksteine, die an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern, wurden gestern in Wiesloch verlegt, in: „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 20.11. 2014

Auflistung der in Wiesloch verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Wiesloch

Stadt Wiesloch (Hrg.), Broschüren: Stolpersteine Wiesloch – mit Biografien der Personen, für die Stolpersteine verlegt wurden, 2012/2014/2016, in drei PDF-Dateien unter: wiesloch.de