Wölking (Mähren)

DatschitzDas südmährische Wölking – heute in unmittelbarer Grenznähe zu Österreich gelegen - ist die kleine tschechische Ortschaft Dolní Bolíkov (heute Ortsteil von Cizkrajov/dt. Sitzgras) in der Nähe von Datschitz/Dačice. Im Ort lebte vor 1945 eine überwiegend deutsche Bevölkerung (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Tschechien' mit  Cizkrajov rot markiert, aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei).

 

Erste Hinweise auf jüdisches Leben in Wölking stammen aus dem Jahre 1678; dabei handelte es sich vermutlich um Flüchtlinge aus Wien, die im Ort Aufnahme gefunden hatten. Urkundlich Belege, die die Anwesenheit von Juden im Dorf bestätigen, stammen erst aus dem Jahre 1725.

Die jüdische Begräbnisstätte - einige hundert Meter südwestlich des Dorfes gelegen - stammt aus dem späten 18.Jahrhundert.

Juden in Wölking:

    --- um 1765 ..........................  14 jüdische Familien,

    --- um 1800 ..........................  25     “       “    ,

    --- 1830 ............................. 162 Juden,

    --- 1848 ............................. 160   “   (in ca. 25 Familien),

    --- 1857 ............................. 135   “  ,

    --- 1869 .............................  30   “  ,

    --- 1880 .............................   7   “  ,                     

    --- 1921 .............................   5   “  ,

    --- 1930 .............................   3   "  .

Angaben aus: Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, S. 117

 

Bei einem Großbrand wurden 1822 weite Teile des Dorfes zerstört; neben 17 von Christen bewohnten Häusern brannten mehr als 20 jüdische nieder; innerhalb weniger Jahre erfolgte der Wiederaufbau. Nach 1850 verließen die allermeisten jüdischen Bewohner innerhalb kürzester Zeit ihren Heimatort, da Städte ihnen bessere wirtschaftliche Perspektiven boten. In den 1920er Jahren lebte nur noch eine einzige jüdische Familie in Wölking. Die israelitische Gemeinde war bereits Anfang der 1890er Jahre aufgelöst worden. 1898/99 wurde das Synagogengebäude abgerissen.

Einziges sichtbares Relikt ehemaliger jüdischer Ansässigkeit in Wölking ist der Friedhof der Gemeinde; etwa 120 Grabsteine haben die Zeiten überdauert; der älteste stammt aus dem Jahre 1701.

 Dolní Bolíkov, židovský hřbitov 09.jpg

 Friedhof mit Taharahaus (Aufn. Daniel Baránek, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

In den 1990er Jahren wurde der Friedhof wieder in einen ansehbaren Zustand versetzt, nachdem zuvor das Gelände verwüstet und viele Grabsteine umgeworfen worden waren.

Gegen Kriegsende (1944) befand sich ein Zwangsarbeiterlager für ungarische Jüdinnen in Wölking.

Aus Wölking stammte der Fabrikant Friedrich Pollak (geb. 1831), der mehrere Fabriken gründete, die Woll- und Seidentücher produzierten. Seine Modewarenfabrik, die weltweit exportierte, beschäftigte um 1900 ca. 1.000 Arbeitskräfte.  Pollak starb in Wien 1914.

 

 

 

Weitere Informationen:

Rudolf Hruschka (Bearb.), Geschichte der Juden in Wölking, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit u. Gegenwart, Jüdischer Buch- u. Kunstverlag, Brünn 1929, S. 573/574

Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Olamenu-Verlag, Tel Aviv 1974, S. 117

Michal Stehlík, Žide v Dolním Bolíkově 1670 - 1938 [Juden in Wölking 1670-1938], in: Židé a Morava [7]. Sammelband der am 15. November 2000 im Kremsierer Museum stattgefundenen Konferenz, hrg. von Petr Pálka, Kroměříž 2001, S.115 - 119

The Jewish Community of Dolni Bolikov (Wölking), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/dolni-bolikov

Jewish Families from Dolni Bolikov (Wölking), Moravia,Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Dolni-Bolikov-W%25C3%25B6lking-Moravia-Czech-Republic/13145