Wormditt/Ermland (Ostpreußen)
Die ostpreußische Kleinstadt Wormditt - gegründet um 1315 - wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört; sie liegt in der polnischen Woiwodschaft Olsztyn, heißt Orneta und besitzt derzeit ca. 9.000 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Karte 'Kreis Braunsberg', aus: wikiwand.com/de/Kreis_Braunsberg und Kartenskizzen, Loseries 2008 und 'Polen' mit Orneta rot markiert, H. 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
'Wormdit' auf einer Bildkarte von 1613 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)
Erstmals wird die Existenz von Juden im Ermland zur Zeit der Pestpogrome Mitte des 14.Jahrhunderts erwähnt; in den folgenden drei Jahrhunderten haben vermutlich keine Juden hier dauerhaft gelebt. Im Hochstift Ermland war es seit dem Mittelalter üblich, Andersgläubige - also auch Juden - aus dem Herrschaftsgebiet fernzuhalten; diese Haltung verstärkte sich noch nach der Reformation. Die Abschottung des Preußenlandes richtete sich besonders gegen die Juden im benachbarten Polen. Erst Ende des 17.Jahrhunderts öffneten sich für jüdische Händler allmählich die Grenzen; doch durften sie sich weiterhin hier nicht niederlassen. So wollte die Regentschaft die wirtschaftliche Lage der Region fördern und die Versorgung der wachsenden Bevölkerung sicherstellen; deshalb ließ der Große Kurfürst Handelsstationen errichten und übertrug die Geschäfte handelserfahrenen Juden. Diese nahm der Kurfürst unter seinen persönlichen Schutz und stellte ihnen jeweils auf ein Jahr befristete Schutzbriefe aus. Juden sollten übers Land zu ziehen und mit der Landbevölkerung handeln, die ihrerseits agrarische Rohprodukte zur Verfügung stellte.
Seit 1772 gehörte das Fürstbistum Ermland dem preußischen Staat an. Eine der ersten jüdischen Gemeinden im Ermland war die Gemeinde in Wormditt. Diese hatte sich im Laufe der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts durch Zuzug einiger Familien gebildet (offizelle Gemeindegründung vermutlich erst 1849).
Siegel der Synagogen-Gemeinde Wormditt
Erste gemeindliche Einrichtung war der Friedhof in der Krickhausener Straße. Nach 1850 richtete die inzwischen größer gewordene Gemeinde ihre Synagoge in der Altstadt (Liebstädter Straße) ein; etwa 40 Jahre später wurde diese durch einen Neubau in der Kopernikusstraße (Schlossstraße ?) ersetzt.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Biedrzyn, um 2000 und Tomasz 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Juden in Wormditt:
--- 1816 ......................... 24 Juden,
--- 1835 ......................... 59 " ,
--- 1840 ......................... 120 “ ,
--- 1849 ......................... 87 “ ,
--- 1861 ......................... 115 “ ,
--- 1871 ......................... 174 “ ,
--- 1880 ......................... 149 “ ,
--- 1890 ......................... 157 “ (ca. 3% d. Bevölk.),
--- 1895 ......................... 123 “ ,
--- 1900 ......................... 107 “ ,
--- 1910 ......................... 82 “ ,
--- 1925 ......................... 51 “ ,
--- 1933 ......................... 45 “ .
Angaben aus: Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland - Ihr Schicksal nach 1933, S. 87
Ansicht von Wormditt (hist. Aufn. aus: oldthing.de)
Ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte die jüdische Gemeinde in Wormditt mit knapp 180 Angehörigen in den 1870er Jahren; etwa 20 Jahre später setzte eine stete Abwanderung von Juden ein.
Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch knapp 50 jüdische Bewohner in der Stadt.
Aus einem Monatsbericht der Stapostelle Regierungsbezirk Königsberg vom April 1935: „ ... Nach einem Bericht der Ortspolizeibehörde in Wormditt wurde in der Nacht vom 13. zum 14.4.35 die Synagoge, die Häuser und Schaufenster von jüdischen Geschäftsleuten mit großen Inschriften antisemitischen Inhalts versehen. Die Täter sind unbekannt. ...”
In der Pogromnacht vom November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge geplündert, anschließend in Brand gesetzt; das Gebäude selbst blieb baulich erhalten (Aufn. siehe oben).
Bis Ende der 1930er Jahre hatten fast alle jüdischen Bewohner die Kleinstadt verlassen; die wenigen, die zurückgeblieben waren, wurden 1941 nach Allenstein zwangsumgesiedelt, wo sie ghettoartig mit anderen jüdischen Familien bis zu ihrer Deportation zusammenleben mussten. Über ihr weiteres Schicksal ist kaum etwas bekannt.
Heure erinnern nur spärliche Relikte des ehemaligen jüdischen Friedhofs an vormalige Ansässigkeit von Familien mosaischen Glaubens. Die Begräbnisstätte war während der Kriegsjahre zerstört worden und diente später als Viehweide.
Weitere Informationen:
F. Buchholz, Bilder aus Wormditts Vergangenheit, o.O. 1931
Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland - Ihr Schicksal nach 1933, in: "Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands", Beiheft 10/1991, Münster 1991, S. 87 - 90
Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland, in: M.Brocke/M.Heitmann/H.Lordick (Hrg.), Zur Geschichte und Kultur der Juden in Ost- und Westpreußen, Georg Olms Verlag, Hildesheim/u.a. 2000, S. 87 ff.
Orneta, in: sztetl.org.pl
Ruth Leiserowitz (Red.), Jüdische Einwohner von Wormditt (Auflistung von 1838), online abrufbar unter: judeninostpreussen.de/upload/pdf/Wormditt-2.pdf
N.N. (Bearb.), Friedhof Orneta - Wormditt, Hrg. Jews in East Prussia – History and Culture Society, online abrufbar unter: jewsineastprussia.de/de/cemetery-orneta-wormditt/