Zeilitzheim (Unterfranken/Bayern)

Datei:Kolitzheim in SW.svg Das Pfarrdorf Zeilitzheim - derzeit kaum 700 Einwohner - ist heute einer von acht Ortsteilen der Kommune Kolitzheim im Kreis Schweinfurt – ca. 20 Kilometer südlich der Kreisstadt gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Schweinfurt', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Bereits 1588 wird die Existenz eines Juden im Dörfchen Zeilitzheim („Judt zu Zeulitzheim“) erstmals namentlich erwähnt.

                    Rechnung von 1588, wonach ein Jude aus Zeilitzheim Bier gekauft hat

Die Ansiedlung von jüdischen Familien in ländlichen Gebieten lag besonders im Interesse der Reichsritterschaft des Hochstiftes Würzburgs. So nahmen die adeligen, reichsfreien Dorfherren von Zeilitzheim Juden in ihrem Herrschaftsbereich auf und erschlossen sich damit – Handel und Gewerbe sollten gestärkt werden - rentable Geldeinnahmequellen. Durch weiteren Zuzug vergrößerte sich die Zahl der jüdischen Gemeindeangehörigen. 

Zur Bildung einer kleinen Gemeinde in Zeilitzheim muss es bereits um die Mitte oder in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts gekommen sein; 1672 richteten die hiesigen Juden einen Betraum ein; etwa ein Jahrzehnt zuvor war bereits ein „Judenschulmeister“ erwähnt worden. Die Gemeinde verfügte über eine um 1835 neu geschaffene Synagoge; des weiteren gehörten zu den Kultuseinrichtungen eine Mikwe und ein Gemeindehaus mit Schulraum.

Zur religiösen Unterweisung der Kinder und der Besorgung ritueller gemeindlicher Aufgaben war ein Lehrer angestellt. Über eine lange Zeit hinweg wirkten in der Zeilitzheimer Gemeinde Wolf Roßmann (von 1835 bis 1860) und Naftali Hirsch (von 1884 bis 1923).

                                            aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 21.6.1923

Verstorbene Zeilitzheimer Juden wurden zumeist auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Gerolzhofen beerdigt; der älteste datierbare Grabstein einer Zeilitzheimer Jüdin stammt aus dem Jahre 1670. Später fanden auch einige auf dem jüdischen Friedhof in Schwanfeld ihre letzte Ruhe.

Die Kultusgemeinde Kleinlangheim unterstand um 1930 dem Bezirksrabbinat Kitzingen.

Juden in Zeilitzheim:

    --- um 1655 .......................   4 jüdische Familien,

    --- 1720 ..........................   8     "       "    ,

    --- 1740 ..........................  12     "       "    ,

    --- um 1790 ................... ca.  80 Juden (in 14 Familien),

    --- 1816 ..........................  76   “  (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- um 1850 ................... ca.  50   “  ,

    --- 1867 ..........................  37   “  ,

    --- 1880 ..........................  46   “  (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1898 ..........................  78   "  (ca. 12% d. Bevölk.)

    --- 1910 ..........................  54   “  ,

    --- 1925 ..........................  39   “  (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1933 ..........................  21   “  (in 7 Familien),

    --- 1939 ..........................  14   “  ,

    --- 1942 (Febr.) ..................   9   “  ,

            (Mai) .....................   keine.

Angaben aus: Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 449

und                 Die Juden in Zeilitzheim, in: Ortschronik der Gemeinde Kolitzheim, o.J., S. 68

und                 W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1645

 

Bei der Erstellung der Matrikel (1817) sind für Zeilitzheim 15 Familienvorstände genannt, die ihren Lebenserwerb zumeist im Kleinwaren- und Viehhandel bestritten. In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts blieb der jüdische Bevölkerungsanteil nahezu konstant; erst nach 1850 sank er deutlich.

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch wenige Familien in Zeilitzheim; regelmäßige Gottesdienste konnten auf Grund eines fehlenden Minjan nicht mehr abgehalten werden. Der überhaupt letzte in der Zeilitzheimer Synagoge abgehaltene Gottesdienst hatte Ende 1936 stattgefunden. Bereits ein Jahr später waren dann das in einem schlechten Bauzustand befindliche Synagogengebäude und Lehrerwohnhaus in Privatbesitz übergegangen. Zuvor hatte man die Ritualgegenstände nach München überführt, wo sie in den Novembertagen von 1938 vernichtet wurden. Auch der letzte jüdische Lehrer verließ 1936 die inzwischen sterbende Gemeinde.

Zu den im Jahre 1938 in Zeilitzheim lebenden jüdischen Familien gehörte die des Metzgers Siegfried Strauß und die des Kurzwarenhändlers Samuel Frank.

Im November 1938 kam es in Zeilitzheim zu gewalttätigen Ausschreitungen; so erreichten in den Mittagsstunden des 10.November etwa 30 SA-Angehörige aus dem nahen Volkach das Dorf, drangen in die Häuser der wenigen jüdischen Familien ein, um diese angeblich nach Waffen, Munition und verbotenen Schriften zu durchsuchen. Anschließend mussten sich die verängstigten Juden auf dem Dorfplatz versammeln, wo ihnen der NSDAP-Kreisleiter ihre „weitere Zukunft“ verkündete. Ebenso wurden zwei „Volksgenossen“, die weiterhin mit ihren jüdischen Nachbarn Kontakt gehalten hatten, beschimpft und misshandelt. Zwei jüdische Männer und zwei Frauen wurden ins Amtsgerichtsgefängnis nach Gerolzhofen gebracht; während die beiden Jüdinnen wieder auf freien Fuß gesetzt wurden, überstellte man die Männer ins KZ Dachau.

Kurz nach diesen Ereignissen wurden die jüdischen Bewohner aufgefordert, ihren Grundbesitz verkaufen. Anfang 1942 lebten noch neun Juden im Dorf; sie wurden - über Würzburg - nach Izbica/b. Lublin bzw. nach Theresienstadt deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden insgesamt 26 gebürtige bzw. länger am Ort lebende jüdische Bewohner/innen Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: juden-in-baden.de/zeilitzheim_synagoge.htm).

Im Jahre 1950 wurden zwölf der am Novemberpogrom Beteiligten in Schweinfurt vor Gericht gestellt; nur ein einziger wurde wegen "schweren Landfriedensbruch ... u. Vergehen der Freiheitsberaubung" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die übrigen freigesprochen.

 

Das ehemalige Synagogengebäude wurde wenige Jahre nach Kriegsende abgebrochen. Das einstige jüdische Schulhaus hat die Zeiten überdauert; es wird seit vielen Jahrzehnten zu Wohnzwecken genutzt.

D-6-78-150-143 Jüdische Schule, Kolitzheim-Zeilitzheim.JPGehem. jüdisches Schulhaus (Aufn. Monandowitsch, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Die Straßenbezeichnungen Obere Judengasse/Untere Judengasse und der über den Bach führende "Judensteg" in Zeilitzheim erinnern noch heute an die jüdische Vergangenheit des Dorfes. Der Wortlaut einer im Rathaus angebrachten Gedenktafel lautet:

In ZEILITZHEIM bestand eine Jüdische Kultusgemeinde.

Synagoge Am Steg 2

Die Gemeinde gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger.

Zur Erinnerung und Mahnung

 

 

 

Die israelitische Nachbargemeinde Öttershausen war eng mit der von Zeilitzheim verbunden. Die Entstehung der Öttershausener Judengemeinde ging in die Zeit des 18.Jahrhunderts zurück; aufgegeben wurde sie um 1875/1880, als nur noch zwei Familien im Dorfe lebten.
Angeblich sollen sich bereits in der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts in der unmittelbaren Region (um Volkach) Juden aufgehalten bzw. zeitweilig hier gelebt haben. Um 1815 wohnten in dem Weiler acht jüdische Familien mit ca. 40 Personen; ihren Lebenserwerb bestritten diese vor allem vom Viehhandel. Trotz der geringen Zahl der Gemeindemitglieder erstellte die Gemeinde um 1860 einen Mehrzweckbau, in dem sich der Betraum mit Religionsschule befand; auch eine neue Mikwe soll damals erstellt worden sein. Zur Besorgung religiöser Aufgaben war zeitweise ein jüdischer lehrer angestellt. Doch bereits zwei Jahrzehnte (um 1880) später löste sich die winzige israelitische Gemeinde auf, da ihre Angehörigen sich inzwischen in anderen Orten niedergelassen hatten.

 

 

 

Weitere Informationen:

Johann Edmund Brückner, Zeilitzheim. Eine fränkische Dorfgeschichte, Würzburg 1931

Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 449/450

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 146

Die Juden in Zeilitzheim, in: Ortschronik der Gemeinde Kolitzheim, o.J., S. 65 – 70

Zeilitzheim, in: alemannia-judaica.de (mit meist personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Öttershausen, in: alemannia-judaica.de/oettershausen_juedgeschichte.htm

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 239   

novo (Red.), Zelitzheim. Die Geschichte der jüdischen Metzgerei endet im KZ, in: „Main-Post“ vom 10.3.2013

Dominik Dorsch (Red.), Zeilitzheim. Jüdisches Religionsbuch von 1813, in: „Main-Post“ vom 30.11.2018

Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Zeilitzheim mit Öttershausen, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1629 - 1650