Zempelburg (Westpreußen)

Mapa Sępólno Krajeńskie - plan Sępólna Krajeńskiego. Zobacz gdzie leży  Sępólno Krajeńskie na mapie Polski Zempelburg ist heute eine Kreisstadt mit derzeit ca. 9.200 Einwohnern im Nordwesten der polnischen Woiwodschaft Bromberg und heißt Sępólno Krajeńskie (Ausschnitt aus hist. Karte mit Z. am rechten Kartenrand, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit S.K. markiert, aus: Mapa Polski -livecity.pl).

 

In den ersten beiden Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts waren etwa die Hälfte der Einwohner von Zempelburg mosaischen Glaubens.

Die Wurzeln der jüdischen Gemeinschaft reichen bis gegen die Mitte des 16.Jahrhunderts zurück: 1568 ist erstmals die Ansässigkeit eines Juden urkundlich belegt. Im 17.Jahrhundert nahm die Zahl der hier wohnhaften Familien allmählich zu. Trotz ihnen gewährter Privilegien waren sie gegenüber der katholischen Bevölkerung benachteiligt und hatten bestimmten Verpflichtungen – meist finanzieller Art – nachzukommen.

Der Handel mit Wolle war damals ihre wesentliche Lebensgrundlage. Schon vor der preußischen Inbesitznahme 1772 war in Zempelburg eine stattliche jüdische Gemeinde beheimatet, die seit 1734 über eine eigene Synagoge verfügte. In der Folgezeit stieg die Zahl der Gemeindemitglieder deutlich an und erreichte gegen Mitte des 19.Jahrhunderts mit mehr als 2.200 Angehörigen ihren Höchststand, was mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung entsprach. In den folgenden Jahrzehnten war eine starke Abwanderung von Juden zu verzeichnen. Die Juden Zempelburgs, die bis 1869 auf herrschaftlichem Grund und Boden lebten, waren verpflichtet, an die Grundherrschaft Abgaben in Form von Naturalien zu leisten oder ein „Ablösegeld“ dafür zu entrichten. Die Zempelburger Judenschaft sorgte für eine deutliche Belebung des regionalen Handels; besonders der Tuchhandel und das Schuhmacherhandwerk spielte in der Region eine wichtige Rolle. Mehrheitlich lebten die Juden Zempelburgs in recht ärmlichen Verhältnissen; diese Tatsache trug wesentlich dazu bei, dass nach 1840 eine deutliche Abwanderung einsetzte.

Als sich bereits ein deutlicher Rückgang der Gemeindeangehörigen abzeichnete, ließ die Gemeinde noch eine neues Synagogengebäude errichten, das 1899 eingeweiht wurde.

 Synagoge in Zempelburg, links im Bild (hist. Postkarte)

                                     Zeichnung der Wilhelmstraße (Beata Królicka) 

Die in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts bestehende Simultanschule für alle Kinder Tempelburgs wurde 1841 aufgelöst; an deren Stelle traten eine katholische und eine dreiklassige jüdisch-evangelische Schule. Wegen Überfüllung wurden mehr als 100 jüdische Schüler vom Besuch ausgeschlossen, so dass sich die jüdische Gemeinde zu einer eigenen Schulgründung entschloss. Als sich auf Grund der Abwanderung die Zahl der schulpflichtigen jüdischen Kinder stark verringert hatte, wurde die bestehende zweiklassige jüdische Volksschule aufgehoben und 1895/1896 mit der evangelischen zu einer paritätischen Schule vereinigt.

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts legten die Zempelburger Juden am Nordwestrand der Stadt ihren neuen Friedhof an.

Juden in Zempelburg:

--- 1674 ..........................    81 jüdische Familien,

--- 1774 ..........................   673 Juden,

--- 1777 ..........................   535   “  ,

--- 1783 ..........................   683   “   (ca. 39% d. Bevölk.),

--- 1790 ..........................   705   “   (ca. 42% d. Bevölk.),

--- 1800 .......................... 1.058   “  ,

--- 1816 .......................... 1.247   “    (ca. 52% d. Bevölk.),

--- 1826 .......................... 1.318   “  ,

--- 1837 .......................... 1.497   “    (ca. 47% d. Bevölk.),

--- 1852 .........................  1.218   “   (ca. 38% d. Bevölk.),

--- 1871 ..........................    896   “  ,

--- 1885 ..........................    793   “   (ca. 22% d. Bevölk.),

--- 1895 ..........................    566   “  ,

--- 1900 ..........................    502   “   (ca. 10% d. Bevölk.)

--- 1910 ..........................    335   “  ,

--- 1921 ..........................    183   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

--- 1931 ..........................    140   “  ,*

--- 1936 ..........................     74   “  ,*             *Kreis-Synagogenbezirk

--- 1939 ..........................     90   “  .

Angaben aus: Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, S. 25 und S. 185

und                 Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 2, S. 475

Litho Sępólno Krajeńskie Zempelburg Westpreußen, Ev. | akpool.de Ansichtskarte, um 1900 (aus: akpool.de)

 

Nach der Angliederung des westpreußischen Gebiets an den polnischen Staat 1920 setzte sich die Abwanderung von Juden in Richtung Deutschland unvermindert fort.

Die Besetzung durch deutsche Truppen im September 1939 besiegelte dann das Ende der Juden in Westpreußen; während ein Teil der Juden noch vor dem deutschen Einmarsch das Land verlassen hatte, fiel der Rest den „Maßnahmen“ des NS-Staates zum Opfer. Ein Jahr nach der Besetzung lebten in Westpreußen - auch in Zempelburg - keine Juden mehr.

 

In der Stadt erinnert heute nichts mehr an dessen jüdischer Vergangenheit; auch vom israelitischen Friedhof sind kaum sichtbare Spuren mehr erhalten.

In Zempelburg wurde 1843 Moritz Brasch als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Als Philosoph machte er sich einen Namen durch seine umfangreiche publizistische Tätigkeit; neben einer dreibändigen Ausgabe „Klassiker der Philosophie von den frühesten griechischen Denkern bis auf die Gegenwart“ gab er in den Jahren von 1870 bis zu seinem Tode zahlreiche andere Werke heraus. Moritz Brasch starb 1895 in Leipzig.

Im Jahre 1856 wurde der Philologe und Historiker Leopold Cohn in Zempelburg geboren. Seit den 1890er Jahren wirkte er vor allem an der Universität Breslau und war später Leiter der Universitätsbibliothek. Mit der Veröffentlichung der Übersetzungen der Werke des jüdisch-hellenistischen Philosophen Philo von Alexandrien machte sich Leopold Cohn einen Namen. 1915 verstarb er in Breslau.

 

 

 

In Kamin (poln. Kamien Krajenski, derzeit ca. 2.400 Einw.) – nur wenige Kilometer nördlich von Zempelburg – ließen sich in den letzten Jahrzehnten des 18.Jahrhunderts jüdische Familien nieder, nachdem das Niederlassungsverbot aufgehoben war. Eine Gemeinde bildete sich offiziell im beginnenden 19.Jahrhundert. Eine 1809 errichtete Synagoge fiel Anfang der 1820er Jahre einem Brand zum Opfer; ein Neubau datiert in den 1860er Jahren. Der jüdische Friedhof, der weit außerhalb auf einem Hügel an der Straße nach Konitz sich befand, war gegen Mitte des 19.Jahrhunderts angelegt worden.

Juden in Kamin:

          --- um 1775 ................. ca.  40 Juden,

    --- 1788 .................... ca.  90   “  ,

    --- 1804 ........................ 163   “   (ca. 22% d. Bevölk.),

    --- 1816 ........................ 114   "  ,

    --- 1831 ........................ 153   “  ,

    --- 1849 ........................ 153   “   (ca. 15% d. Bevölk.),

    --- 1858 ........................ 108   "  ,

    --- 1871 ........................  97   “   (ca. 6% d. Bevölk.)

    --- 1895 ........................  44   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1910 ........................  20   “  ,

    --- 1923 ........................  10   “  ,

    --- 1939 ........................   5   “  .          * die demograhischen Angaben sind z.T. sehr widersprüchlich.

Angaben aus: Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 2, S. 425 f.

und                 Kamien Krajenski, in: sztetl.org.pl

 

Die in der Zeit des Ersten Weltkrieges sich in Auflösung befindliche Gemeinde – sie vergrößerte sich nur kurzzeitig personell durch Zuwanderung polnischer Juden - nutzte danach die rituellen Einrichtungen der jüdischen Gemeinde Zempelburgs; die offizielle Auflösung der Kaminer Gemeinde datierte im Jahre 1932. Vermutlich hatten bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bereits fast alle Juden den Ort verlassen. Ihre Schicksale sind unbekannt.

Gegen Ende 1939 wurden nach Kamin verschleppte Juden und Zigeuner von der Besatzungsmacht ermordet.

2008 wurde auf dem katholischen Ortsfriedhof auf private Initiative hin ein Gedenkstein aufgestellt, der an die einstige jüdische Vergangenheit des Ortes erinnert. Auf dieses Beerdigungsgelände waren in den 1970er Jahren die sterblichen Überreste der auf dem jüdischen Friedhof Bestatteten überführt worden.

                  vgl.  Kamin (Westpreußen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Max Aschkewitz, Der Anteil der Juden am wirtschaftlichen Leben Westpreußens um die Mitte des 19.Jahrhunderts, in: "Zeitschrift für Ostforschung", 11/1962, S. 482 ff.

Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, in: "Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas", hrg. vom Johann Gottfried Herder-Institut No. 81, Marburg 1967

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 2, New York 2009, S. 451 – 475

Sepólno Krajenskie, in: sztetl.org.pl

Kamien Krajenski, in: sztetl.org.pl