Vietz (brand. Neumark)
Vietz - westlich von Landsberg/Neumark (Gorzów Wielkopolski) bzw. 20 Kilometer nordöstlich von Küstrin (Kostrzyn nad Odrą) gelegen - ist das heutige poln. Witnica mit derzeit ca. 6.700 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Witnica rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).
In der Region um Vietz kann jüdische Ansiedlung erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts nachgewiesen werden. Die erste sich im 900-Seelen-Dorf niedergelassene Familie war die aus Altenschottland (bei Danzig) stammende Familie Wulff, die sich als Brauer und Branntweinbrenner in Vietz ihren Lebensunterhalt verdiente. Allerdings blieb die Zahl der jüdischen Familien stets überschaubar; in den 1870er Jahren erreichte die Zahl der in Vietz lebenden Gemeindeangehörigen ihr Maximum mit nahezu 90 Personen.
Um 1865 ließ die Gemeinde ein kleines Synagogengebäude in der Wilhelmstraße errichten; bis dahin waren gottesdsienstliche Zusammenkünfte in privaten Räumlichkeiten des Kaufmanns Isaac Krohn abgehalten worden. Die Anlage eines eigenen Friedhofs in der Mühlenstraße – am „Judenberg“ im Südwesten der Ortschaft - ist vermutlich um 1820/1830 erfolgt; hier fanden auch Verstorbene aus dem nahen Umland ihre letzte Ruhe.
Juden in Vietz:
--- 1831 .......................... 59 Juden,* *Angabe fraglich
--- 1840 .......................... 48 " ,
--- 1875 .......................... 88 “ ,
--- 1890 .......................... 60 “ ,
--- 1905 .......................... 54 “ ,
--- 1925 .......................... 31 “ ,
--- 1932 .......................... 11 “ ,
--- 1939 .......................... ein “ ().
Angaben aus: Witnica, in: sztetl.org.pl
historische Ansichtskarte, um 1890 (aus: woldenberg-neumark.eu)
Um 1930 lebten nur noch ca. zehn Personen jüdischen Glaubens im Ort.
Anm.: Nähere Ausführungen zu den jüdischen Familien findet man unter: Witnica, in: sztetl.org.pl
Da das Synagogengebäude bereits 1935 vom letzten Gemeindevorsteher (Leo Bähr) verkauft worden war, blieb es während der Novembertage 1938 unangetastet. Das während der Kriegsjahre als Lager für militärische Ausrüstung und nach 1945 zeitweilig als Tischlerwerkstatt genutzte Gebäude wurde in den 1960er Jahren abgerissen, um hier einem Wohnblock Platz zu machen. Seit 2001 erinnert ein Gedenkstein daran, dass hier einst die Synagoge der Vietzer Judenschaft gestanden hat.
Gedenkstein am ehem. Synagogenstandort (Aufn. A.Kirmiel, 2008, aus: sztetl.org.pl)
Der jüdische Friedhof, der die NS-Zeit ohne größere Schäden überstand, fiel dann in der Nachkriegszeit der Zerstörung anheim. Grabsteine wurden zerschlagen oder vom Gelände entfernt und dann zweckentfremdet benutzt. Ab den 1990er Jahren sorgte eine private Initiative für die Erhaltung der nur wenigen verbliebenen Grabmale bzw. -relikte und die Wiederherrichtung des stark vernachlässigten Areals (Aufn. A. Geißler-Grünberg, aus: uni-potsdam.de).
Seit 2009 erinnert am Friedhof eine zweisprachige Informationstafel an die Historie des Begräbnisplatzes:
Der Friedhof der jüdischen Gemeinde in Vietz wurde in den Jahren von 1860 – 1936 genutzt. Nach 1946 zerstört. Er wurde durch die Bemühungen der Behörden von Stadt und Gemeinde Witnica sowie des Vereins der Freunde Witnicas mit finanzieller Unterstützung von Wolfgang Stammwitz – dem Sohn eines früheren Einwohners der Stadt Vietz/Ostbahn – restauriert. Witnica 2009
Weitere Informationen:
Ernst Handke, Auf dem jüdischen Friedhof in Vietz, in: “Heimatblatt der ehemaligen Kirchengemeinden Landsberg/Warthe Stadt und Land - Vietzer Anzeiger”, Juni 1993, Heft 6, S. 16/17
International Association of Jewish Genealogical Societies – Cemetery Projekt
Witnica, aus: sztetl.org.pl
Tomasz Nowak (Red.), Witnica, in: kirkuty.xip.pl (mehrere Aufnahmen vom ehem. Friedhof)
Wolfgang Stammwitz (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Vietz (Witnica) und des Friedhofs, in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)