Altenschönbach (Unterfranken/Bayern)
Altenschönbach ist heute ein Ortsteil von Prichsenstadt im unterfränkischen Landkreis Kitzingen – ca. 35 Kilometer östlich von Würzburg gelegen (Kartenskizzen 'Landkreis Kitzingen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und 'Stadtteile von Prichsenstadt', Monandowitsch 2018, aus: wikipedia.org CC BY 3.0).
In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte die israelitische Gemeinde in Altenschönbach ihren personellen Höchststand; so war zeitweilig fast jeder dritte Dorfbewohner damals mosaischen Glaubens.
Über die Anfänge jüdischer Besiedlung in Altenschönbach liegen keinerlei urkundliche Hinweise vor; möglicherweise ließen sich bereits um 1650 in dem unter der Herrschaft der Freiherrn von Crailsheim stehenden Dorf einzelne jüdische Familien nieder. Als gesichert gilt, dass zumindest seit dem frühen 18.Jahrhundert jüdische Familien hier gelebt und alsbald auch eine Gemeinde gegründet haben. Im Verlauf dieses Jahrhunderts haben sich dann hier etliche Judenfamilien niedergelassen, die gegen einmalige Zahlung einer Rezeptionsgebühr und jährlich zu entrichtende Abgaben als Schutzjuden der Freiherren von Crailsheim ein Wohn- und Bleiberecht erhielten. In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts machte dann der jüdische Anteil der Dorfbevölkerung immerhin fast 30% aus; laut der Judenmatrikel des Jahres 1816 war die Anzahl der Familien auf 36 begrenzt.
Seit 1843 verfügte die Kultusgemeinde über ein neues, zweigeschossiges Synagogengebäude, das einen älteren, vermutlich um 1710 entstandenen Bau, den die crailsheimische Herrschaft zur Verfügung gestellt hatte - ablöste; eine Schenkung hatte den Neubau ermöglicht, der aber nach 1900 dann nur noch gelegentlich für Gottesdienste genutzt wurde.
aus: „Allgemeine Zeitung des Judentums“ vom 7.8.1838
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. um 1950, W. Steinhauser)
In dem Gebäude waren auch eine Keller-Mikwe und ein Schulraum u. Lehrerwohnung untergebracht. Bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts unterhielt die jüdische Gemeinde einen Religionslehrer, der auch die jüdischen Kinder aus Kirchschönbach unterrichtete. Neben seiner Lehrertätigkeit war er zugleich als Vorsänger und Schächter tätig.
Stellenanzeigen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Febr. 1900 und 25. Okt. 1900
Verstorbene Juden aus Altenschönbach wurden auf dem israelitischen Verbandsfriedhof in Gerolzhofen beerdigt.
Friedhof Gerolzhofen (Aufn. S., 2103, aus: commons.wikimedia.orgm CC BY-SA 3.0)
Seit den 1880er Jahren zählten auch die wenigen jüdischen Familien aus Kirchschönbach und Oberschwarzach zur Altenschönbacher Gemeinde. Diese unterstand zuletzt dem Bezirksrabbinat Schweinfurt.
Juden in Altenschönbach:
--- ca. 1720 ................... 10 jüdische Familien,
--- 1786 ....................... 17 " " ,
--- 1813 ....................... 142 Juden (ca. 28% d. Bevölk.)
--- 1830/34 .................... 164 “ ,* *andere Angabe: 147 Pers.
--- 1857 ................... ca. 140 “ ,
--- 1867 ....................... 114 " (ca. 22% d. Bevölk.),
--- 1875 ....................... 116 “ (ca. 18% d. Bevölk.),
--- 1880 ....................... 100 " (ca. 18% d. Bevölk.)
--- 1890 ....................... 64 “ (ca. 14% d. Bevölk.),
--- 1900 ....................... 51 “ (11,5% d. Bevölk.),
--- 1910 ....................... 35 “ (ca. 8% d. Bevölk.),
--- 1916 ....................... 26 “ ,
--- 1925 ....................... 18 “ ,
--- 1933 ....................... 17 “ ,
--- 1938 ....................... 10 " ,
--- 1942 (Apr.) ................ 5 “ ,
(Juli) ................ keine.
Angaben aus: Werner Steinhauser, Juden in und um Prichsenstadt, S. 47
und W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 950
In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts nahm die Zahl der hiesigen jüdischen Bewohner deutlich ab; zunehmend war eine Überalterung festzustellen.
Verkaufsangebote von 1877/78
Werbeanzeige (aus: "Bote vom Steigerwald", Juni 1911)
Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch wenige ältere jüdische Bewohner am Ort.
Während des Novemberpogroms zerstörte ein SS-Trupp aus Prichsenstadt bzw. Kitzingen, dem sich auch Jugendliche angeschlossen hatten, die Synagogeninneneinrichtung mitsamt der Ritualien; anschließend wurden die Trümmer im Freien verbrannt. Das Gebäude selbst blieb unbeschädigt. Auch von Juden bewohnte Häuser wurden nach Waffen und "staatsfeindlicher Literatur" durchsucht und die Inneneinrichtungen zum Teil zerstört. Mehrere jüdische Bewohner wurden verhaftet und ins Gerichtsgefängnis von Gerolzhofen eingeliefert; eine Person überführte man ins KZ Dachau. Die letzten Bewohner mussten im Jahre 1942 den Ort verlassen und wurden nach Izbica bei Lublin bzw. nach Theresienstadt deportiert. Am 9.Juni 1942 erfolgte die Verschleppung der letzte jüdische Einwohnerin, Klara Grünlaub.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945“ wurden 17 gebürtige bzw. länger in Altenschönbach wohnhaft gewesene jüdische Personen Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe. alemannia-judaica.de/altenschoenbach_synagoge.htm).
In einem Prozess im Jahr 1950 in Schweinfurt, bei dem 20 Personen angeklagt waren, an den gewalttätigen Ausschreitungen im November 1938 beteiligt gewesen zu sein, wurde nur ein einziger schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die übrigen 19 wurden freigesprochen.
Das ehemalige Synagogengebäude in der Lochmühlstraße ist heute noch vorhanden; das zu Wohnzwecken genutzte Gebäude befindet sich in einem schlechten Bauzustand.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Monandowitsch, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Im Jüdischen Museum Franken ist die Thora-Krone aus der Synagoge Altenschönbach als Ausstellungsstück zu sehen (Aufn. Wolfgang Sauber, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0).
Künftig sollen in Altenschönbach entweder sog. "Stolpersteine" oder ein Denk-/Mahnmal an ehemalige jüdische Dorfbewohner erinnern, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind (2020); doch bis heute vermisst man eine Realisierung dieses Vorhabens (Stand 2023).
Prichsenstadt beteiligt sich wie zahlreiche andere Kommunen Unterfrankens am zentralen „DenkOrt“ für die Deportationsopfer in der Stadt Würzburg. 2022 wurden am Eingang des dortigen Friedhofs fünf Gedenktafeln und die Doublette einer aus Cortenstahl gefertigten Koffer-Skulptur der Öffentlichkeit übergeben und so ein lokaler "Gedenkort" eingeweiht.
[vgl. Prichsenstadt (Bayern)]
Im unterfränkischen Markt Oberschwarzach – derzeit ca. 1.400 Einwohner – haben sich vermutlich bereits im Spätmittelalter wenige jüdische Familien aufgehalten, die im Laufe der Folgejahrhunderte entweder unter der Schutzherrschaft einer Adelsfamilie oder unter der des Hochstifts Würzburg gestanden haben. Gegen Ende des 18.Jahrhunderts schien sich eine kleine jüdische Gemeinschaft (etwa 20 Pers.) herausgebildet zu haben, die aber wegen fehlenden Minjans auch über keine gemeindlichen Einrichtungen verfügte. Spätestens seit ca. 1885 wurden die wenigen noch im Markt verbliebenen Juden in die Kultusgemeinde Altenschönbach eingliedert. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Oberschwarzach keine Bewohner mosaischen Glaubens mehr.
Weitere Informationen:
Baruch Z. Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, München/Wien 1979, S. 250/251
Harm-Hinrich Brandt (Hrg.), Zwischen Schutzherrschaft und Emanzipation, in: "Studien zur Geschichte der mainfränkischen Juden im 19.Jahrhundert", Band 39, Würzburg 1987
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 34
Werner Steinhauser, Juden in und um Prichsenstadt, Selbstverlag, Prichsenstadt 2002
Altenschönbach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S.135/136
Aus der Geschichte der in Altenschönbach beheimateten jüdischen Gemeinde, online abrufbar unter: altenschoenbach.de/unsere-juedische-gemeinde/ (Anm. mehrere Artikel)
Guido Chuleck (Red.), Stolpersteine: Stadtrat vertagt Entscheidung, in: inFranken.de vom 23.2.2018
Carol Lupu (Red.), Verein will keine „Stolpersteine“ - Altenschönbach diskutiert über Mahnmal für ermordete Juden, in: "Bayern 1" vom 9.7.2018
Michael Franz (Red.), Altenschönbach diskutiert über Mahnmal für ermordete Juden, in: BR 24 – Regionalnachrichten aus Mittelfranken vom 9.7.2018
Johannes Sander (Bearb.), Altenschönbach, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2., Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 935 - 954
Wolf-Dieter Gutsch (Red.), Altenschönbach. Juden im Landkreis Kitzingen: Die Leiden der Familie Schwarz, in: „Main-Post“ vom 17.8.2021
Guido Chuleck (Red.), Koffer enthüllt: Erinnerung an deportierte Juden in Prichsenstadt, in: „Main-Post“ vom 11.10.2022
Wolf-Dieter Gutsch (Red.), Altenschönbach. Vom jüdischen Leben in Altenschönbach, in: Fränkischer Tag“ vom 2.7.2024