Bentschen a.d. Obra (Posen)
Bentschen a.d. Obra - ca. 20 Kilometer westlich von Grätz/Grodzisk Wielkopolski bzw. 50 Kilometer westlich von Posen/Poznan gelegen - ist das polnische poln. Zbąszyń mit derzeit ca. 7.200 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Polen' mit Zbąszyń markiert, aus: mapa.livecity.pl).
In Bentschen a.d. Obra existierte eine jüdische Gemeinde, die vermutlich gegen Mitte des 18.Jahrhunderts sich herausbildete. Urkundliche Hinweise auf jüdische Ansässigkeit in Bentschen reichen ins Jahr 1711 zurück, als drei Familien sich hier niederließen. Ihren zahlenmäßigen Zenit erreichte die Gemeinde in den 1830er Jahren mit mehr als 300 Angehörigen.
1845 verlor die Gemeinde ihre aus Holz gebaute Synagoge durch ein Großfeuer; wenige Jahre später wurde mit finanzieller Hilfe von Nachbargemeinden ein neues Bethaus errichtet. In den 1880er Jahren ließ man ein neues, unscheinbares Synagogengebäude erstellen.
Nördlich des Ortskerns wurde ein Begräbnisgelände angelegt.
Juden in Bentschen:
--- 1711 ......................... 30 Juden,
--- 1765 ......................... 89 " ,
--- 1793 ......................... 146 " ,
--- 1833 ......................... 336 “ (ca. 25% d. Bevölk.),
--- 1871 ......................... 222 “ ,
--- 1905 ......................... 111 “ ,
--- 1921 ......................... 54 “ ,
--- 1938 ..................... ca. 50 " .
Angaben aus: Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden ..., S. 300
Stadtansicht und Straßenzug in Bentschen (hist. Aufn., um 1910 bzw. um 1925, aus: commons.wikimedia.org, CCO)
Als nach Ende des Ersten Weltkrieges die Stadt an den neu gegründeten polnischen Staat fiel, setzte sich die Abwanderung der jüdischen Familien noch fort. Bis in die 1930er Jahre lebte in der Kleinstadt eine aus nicht mehr als ca. 50 Personen zählende jüdische Minderheit.
Reichsweit wurden ungefähr 17.000 Juden polnischer Herkunft mit ihren Familien in den Morgenstunden des 28.Oktober 1938 verhaftet und mit der Bahn in Richtung Polen abgeschoben. Es gab mehrere Zielorte der Abschiebungen; der wichtigste war die polnische Grenzstation Zbąszyń (Bentschen) in der Provinz Posen. Die überraschten polnischen Grenzbehörden versuchten, die Züge abzuweisen; die Insassen wurden oft zu Fuß sieben Kilometer weit auf die grüne Grenze zugetrieben und mussten im Niemandsland ausharren, ehe sie notdürftig in einem Lager interniert wurden.
Juden nach ihrer Ankunft in Bentschen aus: yadvaschem.org
Im Laufe des Jahres 1939 durften die meisten Lagerinsassen zu Verwandten in Polen oder in andere Länder weiterreisen. Eine vorübergehende Rückkehr nach Deutschland wurde nur zu dem Zwecke der Liquidierung bzw. dem Verkauf ihres Eigentums gestattet.
Ende August wurde das Lager Zbąszyń aufgelöst; am 1. September überfiel die deutsche Armee Polen.
In den Jahren 1941-1943 war Bentschen der Standort eines Zwangsarbeiterlagers für Juden; nach dessen Auflösung wurden die Betroffenen nach Auschwitz-Birkenau verfrachtet.
Das einstige Synagogengebäude - äußerlich stark verändert - dient heute Wohnzwecken.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Marian Nah, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5)
Vom jüdischen Friedhof sind heute keine Spuren mehr vorhanden; in den 1970er Jahren war er vollständig eingeebnet worden. Auf einem Geländeteil findet man heute Wohnbebauung, der andere nimmt eine Grünanlage ein. Nur ein Gedenkstein erinnert an den ehemaligen Friedhof in Zbąszyń (vgl. dazu: Aufn. Marcin Wygocki, in: sztetl.org.pl).
Weitere Informationen:
A.Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden in den Posener Landen, Koschmin - Bromberg 1909
Sophia Kemlein, Die Emanzipation der Juden im Großherzogtum Posen 1815 - 1848, Magisterarbeit Christian-Albrechts-Universität Kiel 1987
K.Hielscher, Jüdische Tragödie. Die "Polnischen Juden" im Herbst 1938 in Bentschen, in: Stadt und Kreis Meseritz. Ein Heimatbuch, Herne 1989
Zbaszyn, in: sztetl.org.pl
Zbaszyn - „This month in holocaust history“, in: yadvashem.org (2016)