Amöneburg (Hessen)

Der Kreis Marburg 1905Datei:Marburg-Biedenkopf Amöneburg.pngAmöneburg ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 5.000 Einwohnern im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf – knapp 15 Kilometer östlich von Marburg gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Marburg-Biedenkopf', Andreas Trepte 2006, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5).

Amöneburg – Ausschnitt aus der Topographia Hassiae M. Merian, um 1640 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

In dem bei Kirchhain liegenden Amöneburg sollen schon im 14.Jahrhundert einzelne jüdische Familien gelebt haben; eine erste gesicherte Spur stammt bereits aus dem Jahre 1273; doch scheint ihre Anwesenheit nicht von Dauer gewesen zu sein. Zu Beginn des 15.Jahrhunderts sollen mindestens sechs Familien hier gelebt haben.

Ab der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts ist dann eine dauerhafte Ansässigkeit weniger jüdischer Familien belegt; eine eigenständige Gemeinde bildete sich im beginnenden 19.Jahrhundert. Sie verfügte um 1850/60 auch über eine Synagoge in der Mittelgasse, die im Privathaus der Familie Stern untergebracht war.

Ausschreibung der Religionslehrerstelle aus: "Der Israelit" vom 20.4.1893  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20147/Amoeneburg%20Israelit%2020041893.jpg

Die jüdischen Kinder des Ortes besuchten ab ca. 1835 die israelitische Elementarschule in Kirchhain.

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Kirchhain beerdigt.

Die Kultusgemeinde Amöneburg unterstand dem Provinzrabbinat Marburg.

Juden in Amöneburg:

    --- um 1450 .......................   4 jüdische Familien,

--- um 1660 .......................   2     “       “    ,

    --- 1827 .......................... 59 Juden,

    --- 1855 .......................... 74   “  (in 10 Familien),

    --- 1859 .......................... 86   “  (in 13 Familien),

    --- 1867 .......................... 79   “  ,

    --- 1895 .......................... 29   “  ,

    --- 1925 ..........................  8   “  ,

    --- um 1935 .......................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 43

 

Infolge des Baus der Main-Weser-Bahn geriet der Ort ins Abseits und die Handelstätigkeit ging zurück. Deshalb wanderten die jüdischen Familien aus Amöneburg ab; um 1900 löste sich die jüdische Gemeinde schließlich auf; die verbliebenen Angehörigen waren nun der Gemeinde Kirchhain angeschlossen. Die letzten jüdischen Bewohner - bis auf die Familie Stern - verließen den Ort Anfang der 1930er Jahre.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 19 aus Amöneburg stammende jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/amoeneburg_synagoge.htm).

 

An die ermordeten Mitglieder der Familie Stern erinnert seit 2000 auf dem Schulhof der Stiftsschule St. Johann in Amöneburg ein kleines Denkmal und eine Tafel mit der Inschrift: „Hier lebte die jüdische Familie Stern, deren Mitglieder außer Siegfried Stern in Konzentrationslagern des Dritten Reiches umgekommen sind. Möge ihr Leid eine dauernde Mahnung zu Mitmenschlichkeit sein“.

Seit 2011 erinnern sog. „Stolpersteine“ an Opfer der NS-Verfolgung; so befinden sich oberhalb des Marktplatzes sieben „Stolpersteine“, die den beiden jüdischen Familien Stern und Meyer gewidmet sind. Weitere Steine findet man in den Ortsteilen Mardorf und Roßdorf.

 

 

Im Ortsteil Mardorf gab es eine kleine israelitische Gemeinde, deren Wurzeln bis ins 17.Jahrhundert zurückgingen. Stets lebte hier jedoch eine überschaubare Anzahl jüdischer Familien; in der ersten Hälfte des 19.Jahrhundert erreichte die Zahl der Familien ihren Höchststand. Zu der Gemeinde zählten auch die wenigen Juden aus Roßdorf. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden zunächst in dem Raum eines Privathauses statt und nach 1860 in einer zur Synagoge umgebauten Scheune. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein jüdischer Lehrer angestellt.

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Rauischholzhausen beigesetzt.

Juden in Mardorf:

--- 1807 .........................  6 jüdische Familien,

--- 1828 ........................  12     “        “   ,

--- 1871 ........................  41 Juden,

--- 1885 ........................  47   “  ,

--- 1905 ........................  39   “  ,

--- 1924 ........................  22   “  ,

--- 1933 ........................  27   “  ,

--- 1938 ........................  14   “  .

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 60  und  aus: alemannia-judaica.de

Von den 27 jüdischen Bewohnern, die 1933 in Mardorf lebten, mussten 13 miterleben, wie während des Novemberpogroms die Inneneinrichtung ihres Betsaals zerstört wurde.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden insgesamt 28 gebürtige bzw. längere Zeit im Ort ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/mardorf_synagoge.htm).

Das als Synagoge benutzte Gebäude kam 1939 in Privatbesitz, wurde später umgebaut und als Scheune benutzt. Heute lassen sich keine Spuren der ehemaligen Synagoge mehr erkennen - außer Relikten der Deckenbemalung im Innern.

2011 wurden in Mardorf (Am Breitenstein und der Marburger Straße) sieben sog. "Stolpersteine" verlegt.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 43 (Amöneburg) und S. 60 – 62 (Mardorf)

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 16/17

Beiträge zur jüdischen Geschichte erschienen in der Reihe „Amöneburger Blätter - Beiträge und Mitteilungen des Amöneburger Museums zur Geschichte Landschaft und Volkskunde", verschiedene Ausgaben der Jahre 1988 – 1994 

Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf (Hrg.), Die ehemaligen Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, 1999

Amöneburg, in: alemannia-judaica.de

Mardorf mit Roßdorf, in: alemannia-judaica.de

Alfred Schneider, Die jüdischen Familien im ehemaligen Kreise Kirchhain. Beiträge zur Geschichte und Genealogie der jüdischen Familien im Ostteil des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf in Hessen, hrg. vom Museum Amöneburg, 2006 

Florian Lerchbacher (Red.), Eine Verneigung vor den Opfern. Amöneburg ist die europaweit 647. Gemeinde, in der 'Stolpersteine' an die Opfer der Nazi-Zeit erinnern, in: "Oberhessische Presse" vom 31. 5. 2011

Annamaria Junge, Spuren der Verfolgung. Orte der ehemaligen Synagogen in Rauischholzhausen und Mardorf, in: "Jahrbuch 2012", hrg. vom Kreisausschusses des Landkreises Marburg-Biedenkopf, S. 210 - 215

Auflistung der in Amöneburg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Amöneburg