Bärwalde (Hinterpommern)
Bärwalde (vormals Behrenwalde, poln. Barwice mit derzeit ca. 3.700 Einw.) - ca. 20 Kilometer nordwestlich von Neustettin bzw. ca. 25 Kilometer östlich von Schivelbein gelegen - ist eine kleine Ortschaft, deren Wurzeln im 13.Jahrhundert liegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Barwice/Szczecinek rot markiert, Y. 2006, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).
In Bärwalde gab es eine jüdische Kultusgemeinde, die um 1860 mit ca. 180 Angehörigen ihren personellen Höchststand erreichte, nachdem Zuzüge aus den Nachbarprovinzen Westpreußens und Posens erfolgt waren. Erstmals hatten sich jüdische Familien bereits gegen Ende des 17. bzw. zu Beginn des 18.Jahrhunderts hier angesiedelt. Allerdings kam es vorerst zu keiner dauerhaften Ansässigkeit, da die Behörden Hinterpommerns deren Anzahl stark begrenzten; erst um 1800 wurden die Aufnahmebedingungen für jüdische Familien in Pommern gelockert.
Eine Synagoge war in einem unscheinbaren Gebäude in der Buthstraße untergebracht.
Ein eigener Begräbnisplatz befand sich in unmittelbarer Nähe des kommunalen Friedhofs, dessen erste Belegung im 19.Jahrhundert erfolgte.
Im ausgehenden 19.Jahrhundert gehörten auch die jüdischen Familien aus Grünwald und Groß Krössin zur Gemeinde.
Juden in Bärwalde:
--- um 1700 ..................... 6 jüdische Haushalte,
--- 1794 ........................ 7 Juden,
--- 1804 ........................ 15 “ ,
--- 1812 ........................ 34 “ ,
--- 1831 ........................ 85 “ ,
--- 1852 ........................ 143 “ ,
--- 1861 ........................ 180 “ ,
--- 1871 ........................ 152 " ,
--- 1895 ........................ 112 “ ,
--- 1900 .................... ca. 160 " ,* * gesamte Gemeinde
--- 1909 ........................ 53 “ ,
--- 1920 ........................ 30 “ ,
--- 1939 ........................ 6 “ .
Angaben aus: Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern (Statistik S. 251) und Barwice, in: sztetl.org.pl
Blick auf Bärwalde - Ansichtskarte um 1910 (Abb. aus: archiwum.allegro.pl) und Polziner Straße - Postkarte um 1920 (aus: akpool.de)
Antijüdische Krawalle wurden im Sommer 1881 auch in Bärwalde verzeichnet; ausgelöst wurden diese durch die Agitation des Antisemiten Dr. Ernst Henrici, der besonders in den hinterpommerschen Städten aktiv war.
In den 1920er Jahren lebten in Bärwalde nur noch wenige jüdische Familien, die hier Geschäfte betrieben; diese mussten sie nach 1935/1936 aufgeben.
Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges lebten in Bärwalde nur noch sechs Personen mosaischen Glaubens; sie wurden später deportiert.
Die Synagoge in der Buthstraße wurde im November 1938 ein Opfer der Flammen.
Der jüdische Friedhof - nördlich der Stadt gelegen - hingegen überstand die NS-Zeit relativ unbeschadet; in den 1960er Jahren wurde das Begräbnisgelände dann eingeebnet. Außer zwei Mauerresten vom ehem. Eingangsportal erinnert heute nichts mehr an den jüdischen Friedhof von Bärwalde.
Hinweis: Im gleichnamigen Bärwälde/Neumark (poln. Mieszkowice, derzeit ca. 3.500 Einw.) – östlich des Oderbruchs und nördlich von Küstrin gelegen - gab es eine kleine jüdische Gemeinde, die gegen Mitte des 19.Jahrhunderts sich aus max. 70 Personen zusammensetzte und am Ort auch über eine Synagoge verfügte. Um 1900 lebten hier nur noch ca. 20 jüdische Bewohner.
In Mohrin (poln. Moryn) – ca. 20 Kilometer nordwestlich von Bärwalde – hat es im 19.Jahrhundert eine kleine israelitische Gemeinde gegeben, die sich nur aus einer begrenzten Zahl von Familien zusammensetzte; um 1850 soll die Zahl der jüdischen Dorfbewohner ca. 65 Personen betragen haben. Bis Anfang der 1930er Jahre war diese kontinuierlich abgesunken und betrug 1932 nur noch neun Personen
Sichtbares Relikt der ehem. Gemeinde ist heute das Begräbnisgelände (seit 2018 als ‚Bodendenkmal‘ ausgewiesen), das zu Beginn des 19.Jahrhunderts angelegt und neben verstorbenen Juden aus Mohrin auch Glaubensgenossen aus dem nahen Umland aufnahm. Während der NS-Zeit wurde das Areal verwüstet und im Laufe der Jahre „verschwanden“ die meisten Grabsteine. Erst in jüngster Vergangenheit wurde das Friedhofsgelände wieder in einen ansehbaren Zustand versetzt. Seit 2006 weist ein Gedenkstein auf den „Guten Ort“ hin.
Jüdischer Friedhof Moryń (Aufn. Julian Nyca, 2018, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 und Mateuzc Atroszko, aus: neumark.pl)
Weitere Informationen:
H.Rogge/F.Stelter, Der Kreis Neustettin. Ein pommersches Heimatbuch, in: "Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis", Band 52, Würzburg 1972, S. 187 f.
M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...” Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich 1995, S. 56/57
Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Ingo Koch Verlag, Rostock 2004
Gerhard Salinger, Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns. Zur Erinnerung und zum Gedenken, New York 2006, Teilband 2, Teil III, S. 313 – 319 (Bärwalde)
Barwice und Moryń, in: sztetl.org.pl
Marieke Grenzebach (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Mohrin (Moryn) und des Friedhofs, in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)