Bischofswerder (Westpreußen)

Kwidzyn location map Der kleine Ort Bischofswerder (ehemals im südlichen Teil des Kreises Rosenberg/Susz) wurde nach dem Ersten Weltkrieg an Ostpreußen angeschlossen (zuvor gehörte er zu Westpreußen) und war nun eine unbedeutende, im wirtschaftlichen Abseits liegende Grenzstadt; die Grenze zu Polen bildete die Ossa. Nach 1945 gehört Biskupiec* (derzeit ca. 1.900 Einw.) zum polnischen Staatsgebiet (Ausschnitt aus hist. Landkart von ca. 1860, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Biskupiec rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).     

 * Anm.: Biskupiec - Ort gleichen Namens – steht auch für Bischofsburg (Ostpreußen).

 

Die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Bischofswerder lassen sich zeitlich nicht eindeutig bestimmen; doch hielten sich bereits in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts jüdische Händler in der Region auf. Nach einem Großbrand, der die Ortschaft 1726 gänzlich zerstörte, ließ Friedrich Wilhelm I. diese neu aufbauen. In diesem Kontext erging ein Dekret an die Preuß. Domänenkammer, in dem es u.a. hieß: „ In den beiden Grenzstädten Schirwind und Bischofswerder dürfen sich zwei Juden ansiedeln, wenn sie sich verpflichten, nur mit dem im Lande fabrizierten Manufakturwaren zu handeln und alle übrigen Waren aus königlichen oder dem übrigen inländischen Städten, nichts aber aus Elbing oder Danzig, zu beziehen.

Schutzbriefe garantierten nun einigen wenigen Juden die Ausübung des Handels; so erhielten z.B. die Gebrüder Arend in den 1760er Jahren Schutzbriefe, die ihnen erlaubten, die Wollmanufakturen in der Region mit Wolle und die Gerber/Schuhmacher mit Leder und Häuten zu beliefern. Beschwerden der christlichen Händler sollten den Handel der Juden einschränken helfen.

Aber erst nach 1800 beginnt eine merkliche Zuwanderung jüdischer Familien nach Bischofswerder.

Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden lange Zeit in privaten Räumlichkeiten statt, so z.B. um 1840 im Hinterhaus des Färbers Isaac. Später diente ein angemieteter Raum im „Bischofswerder Hof“ (nahe des Marktplatzes) diesem Zweck.

Neben dem Unterricht in der städtischen Schule konnte Kinder von zwei jüdischen Privatlehrern zusätzlich Unterricht erteilt werden.

Ein eigenes Begräbnisgelände war vermutlich um 1840 angelegt worden; es befand sich an der Graudenzer Straße in Richtung des Dorfes Bredinken.

Juden in Bischofswerder:

--- 1812 ..........................  17 jüdische Haushalte,

--- 1825 ..........................   9     “        “    ,

--- 1830 ..........................  75 Juden,

--- 1840 .......................... 100   “  (ca. 6% d. Bevölk.),

--- 1851 .......................... 105   “  ,

--- 1857 .......................... 143   “  ,

--- 1871 .......................... 174   “  ,

--- 1880 .......................... 190   “  (ca. 9% d. Bevölk.),

--- 1895 .......................... 133   “  ,

--- 1900 .......................... 107   "  ,

--- 1910 ..........................  62   “  (ca. 3% d. Bevölk.),

--- 1925 ..........................  34   “  ,

--- 1937 ..........................  21   "  ,

--- 1938 ..........................   5   “  .

Angaben aus: Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 3, S. 563 f.

Marktplatz Bischofswerder, um 1910 (aus: commons.wikimedia.CCO) 

  Modewarengeschäft von Nathan Lehmann (hist. Aufn., um 1905, aus: aefl.de)

 

Ihren Lebensunterhalt bestritten die z.T. recht wohlhabenden jüdischen Familien im lokalen Handel.

Die Folgen des Ersten Weltkrieges trafen Bischofswerder besonders schwer; denn durch die Schaffung des neuen polnischen Staates und die damit verbundene Abtretung des Umlandes verlor der Ort sein Hinterland und geriet – nun in Grenzlage sich befindend – in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Doch die Abwanderung jüdischer Familien hatte bereits im letzten Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts begonnen.

Als im Jahre 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, waren in Bischofswerder noch 22 Personen mosaischen Glaubens wohnhaft. Vermehrt auftretende Schikanen und Boykotte ihrer Geschäfte führten alsbald dazu, dass die Familien abwanderten und sich die hiesige jüdische Gemeinschaft auflöste.1937 erhielten die hier noch verbliebenen Familien die behördliche Aufforderung, ihr Vermögen zu veräußern und alsbald die Region zu verlassen; einige gingen in die Emigration.

Während des Novemberpogroms, das angeblich bei der Bevölkerung in Bischofsburg auf große Resonanz stieß, wurde der jüdische Friedhof geschändet und teilzerstört.

Bei der im Mai 1939 durchgeführten Volkszählung lebte dann nur noch eine einzige "in Mischehe" verheiratete Jüdin in Bischofswerder.

 

Auf das ehemalige jüdische Friedhofsgelände weisen heute nur noch einzelne unscheinbare steinerne Relikte hin.

 

 

 

Weitere Informationen:

Karl Joseph Kaufmann, Geschichte der Stadt Bischofswerder, Bischofswerder 1928

Hans-Joachim Bohle, 675 Jahre Bischofswerder. 1325 - 2000, in “Heimat-Kurier, Heimatzeitung für den ehemaligen Kreis Rosenberg/Wpr.”, Hrg. K.-H. Damrow, Düsseldorf, 2000

Christa Mühleisen (Sammlung hist. Aufnahmen), Der Kreis Rosenberg in alten Ansichtskarten, online abrufbar unter: aefl.de/rosenberg/rosenberg/bischofswerder

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 152

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, New York 2009, Teilband 3, S. 561 – 568

Biskupiec, in: sztetl.org.pl