Arheilgen (Hessen)

RheinhessenArheilgen ist seit 1937 ein Stadtteil im Norden der Großstadt Darmstadt (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org CCO  und  Kartenskizze 'Stadtteile von Darmstadt', St. 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Arheilgen bestand bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde, deren Entstehung vermutlich im 17.Jahrhundert lag; doch schon um 1550 soll eine jüdische Familie im Dorf gelebt haben. Um 1830/1840 erreichte die Judenschaft mit mehr als 100 Personen ihren zahlenmäßigen Höchststand.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten eine Synagoge, eine jüdische Schule und eine Mikwe.

Zur Verrichtung religiös-ritueller Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter tätig war.

Anzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit" vom 8.Juni 1870

Verstorbene fanden ihre letzte Ruhe auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Gerau.

Die Gemeinde gehörte bis in die 1920er Jahre zum orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II, in den Folgejahren dann zum liberalen Bezirksrabbinat Darmstadt I.

Juden in Arheilgen:

--- um 1620 ..........................   5 jüdische Familien,

--- um 1695 ..........................   6     “        “   ,

--- 1776 .............................   9     “        “   ,

--- 1802 .............................  13     “        “   ,

--- 1828 ............................. 111 Juden,

--- 1861 .............................  98   “  (ca. 4% d. Bevök.),

--- 1880 .............................  48   “  ,

--- 1900 .............................  31   “  ,

--- 1910 .............................  24   “  ,

--- 1925 ......................... ca.  20   “  ,

--- 1939 (Mai) .......................  15   “  .

Angaben aus: P. Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 46

und                 Arheilgen, in: alemannia-judaica.de

 

In den Jahrzehnten nach 1860 ging die Zahl ihrer Gemeindeangehörigen deutlich zurück; trotz dieser Tatsache unterzog man die Synagoge einer umfassenden Renovierung wie das "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. Sept. 1903 berichtete:

1910 lebten in Arheilgen nur noch 24 Personen mosaischen Glaubens.

Bereits Anfang März 1933 war es in Arheilgen zu antisemitischen Ausschreitungen gekommen. Das Synagogengebäude überstand die Jahre der NS-Zeit nur deshalb, weil es vor 1938 in „arischen“ Besitz übergegangen war; allerdings kam es durch eine spätere Brandstiftung (1944) zu Schaden. Gewalttätigkeiten gegenüber jüdischen Bewohnern während der Novembertage 1938 führten im Ort zu mehreren Todesfällen. 1939 wurden hier noch 15 jüdische Einwohner gezählt. Während einigen jüdischen Bewohnern Arheilgens noch die rettende Emigration gelang, wurden die verbliebenen Opfer des Holocaust.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." fielen 14 gebürtige bzw. länger im Ort wohnhaft gewesene Arheilger Bürger mosaischen Glaubens der Shoa zum Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/arheilgen_synagoge.htm).

 

An den jüdischen Getreidehändler Heinrich Wechsler (geb. 1901), der im März 1933 an den Folgen antisemitischer Gewalt zu Tode kam, erinnert seit 1974 in Arheilgen die Wechslerstraße. 

Seit 2009 nimmt Arheilgen am sog. „Stolperstein“-Projekt teil.

 undefinedundefinedverlegt in der Aron-Reinhardt-Straße

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verlegt in der Darmstädter Straße und Felchesgasse (Aufn. G., 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

2018 fand eine von Schülern der Stadtteilschule Arheilgen organisierte Verlege-Aktion statt: so wurden in der Darmstädter Straße vier Steine in Erinnerung an Angehörige der Familie Karlsberg in den Gehweg eingefügt.

vgl. dazu auch: Darmstadt (Hessen) und Eberstadt (Hessen)

 

 

 

Weitere Informationen:

J. Lebermann, Das Darmstädter Landesrabbinat, Frankfurt/M., 1929

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 46

W. Andres, Alt-Arheilgen - Geschichte eines Dorfes, Darmstadt 1978, S. 206 – 213

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 54

Arheilger Geschichtsverein AGV e.V. (Hrg.), Streiflichter auf die Geschichte und Gegenwart Arheilgens, Schriftenreihe Band 2, Darmstadt 2012

Arheilger Geschichtsverein AGV e.V. (Hrg.), Das Leben jüdischer Mitbürger in Arheilgen – Projekt Stolpersteine, in: arheilger-geschichtsverein.de

Arheilgen, in: alemannia-judaica.de

Stolpersteine in Darmstadt, Arheilgen und Eberstadt (Stand Okt. 2015), in: dfg-vk-darmstadt.de (mit z.T. detaillierten Biografien der Opfer)

N.N. (Red.), Neue Stolpersteine in Darmstadt-Arheilgen, in: echo-online.de vom 9.10.2015

Auflistung der in Darmstadt verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Darmstadt

Bettina Bergstedt (Red.), Erinnerung an Familie Karlsberg. Schüler der Stadtteilschule Arheilgen verlegen Stolpersteine in der Darmstädter Straße 3, in: "Echo" vom 17.5.2018