Bütthard (Unterfranken/Bayern)
Bütthard ist ein Markt mit derzeit ca. 1.200 Einwohnern im unterfränkischen Landkreis Würzburg und Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Giebelstadt (Kartenskizze 'Landkreis Würzburg', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Im Markt Bütthard gab es eine kleine jüdische Gemeinde, die nachweislich seit dem ausgehenden 16.Jahrhundert bestand; ihren zahlenmäßigen Zenit erreichte diese mit ca. 60 Personen in den 1840/1860er Jahren. 1817 waren der Gemeinde zehn Matrikelstellen eingeräumt worden, bis 1820 kamen drei weitere hinzu. Die allermeisten Familien bestritten damals ihren Lebensunterhalt vom Waren- und Viehhandel.
Seit 1812 verfügte die Gemeinde über eine neue Synagoge sowie ein Gemeindehaus (mit Religionsschule und Mikwe).
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war - gemeinsam mit der Nachbargemeinde Allersheim - ein Religionslehrer angestellt, der auch als Vorbeter in der Gemeinde tätig war. Von 1831 bis 1868 wurden die jüdischen Kinder in Bütthard durch den Rabbiner Samuel Weißbart aus Allersheim unterrichtet; dessen Sohn Abraham übernahm die Lehrerstelle in Bütthard bis zu seinem Ableben (1902).
Stellenanzeige aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Sept. 1902
Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Allersheim beerdigt.
Die kleine Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Kitzingen.
Juden in (Markt) Bütthard:
--- 1642 ........................... 4 jüdische Familien,
--- 1662 ........................... 6 “ “ ,
--- 1675 ........................... 3 “ “ ,
--- 1731 ........................... 4 “ “ ,
--- 1746 ........................... 6 “ “ ,
--- 1816 ........................... 33 Juden (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1837 ........................... 60 “ (ca. 9% d. Bevölk.),
--- 1848 ........................... 60 " (in 10 Familien),
--- 1867 ........................... 63 “ (ca. 8% d. Bevölk.),
--- 1890 ........................... 34 “ ,
--- 1900 ........................... 22 “ ,
--- 1910 ........................... 21 “ ,
--- 1924 ........................... 9 “ ,
--- 1933 ........................... 10 “ ,
--- 1937 (Nov.) .................... 5 " ,
--- 1939 (März) .................... 2 " ,
--- 1942 (Okt.) .................... keine.
Angaben aus: Synagogen-Gedenkband Bayern (Unterfranken), Band III/1, Mehr als Steine ..., S. 600
1937 wurde die Gemeinde Bütthard offiziell aufgelöst, obwohl schon seit Jahren hier keine Gottesdienste mehr stattgefunden hatten. Während der Novembertage 1938 demolierten SA-Angehörige aus Ochsenfurt und einheimische Nationalsozialisten die Häuser der beiden am Ort lebenden jüdischen Familien.
Das letzte jüdische Ehepaar am Ort wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind neun gebürtige bzw. länger im Ort wohnhaft gewesene Büttharder Juden während der NS-Zeit gewaltsam ums Leben gekommen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/buetthard_synagoge.htm).
1948/1951 fanden vor dem Landgericht Würzburg mehrere Prozesse gegen ca. 20 am Novemberpogrom in Bütthard beteiligte Männer statt; acht erhielten Gefängnisstrafen zwischen drei bis zwölf Monaten.
Zwei ehemalige jüdische Einwohner kehrten nach Kriegsende in ihren Heimatort zurück, wanderten dann aber wenig später in die USA aus.
Das zu einem Wohnhaus umgebaute ehemalige Synagogengebäude ist bis heute erhalten.
Im Rathaus erinnert heute eine Gedenktafel an die ehemalige israelitische Gemeinde des Ortes:
Im MARKT BÜTTHARD existierte bis 1937 eine jüdische Kultusgemeinde. Synagoge Marktplatz 3.
Der Markt gedenkt seiner ehemaligen jüdischen Mitbürger.
ZUR ERINNERUNG UND MAHNUNG.
Auch der Markt Bütthard beteiligt sich mit einer „Koffer-Skulptur“ am zentralen Mahnmal Unterfrankens "DenkOrt Deportationen 1941-1944" in Würzburg (Aufn. Sarah Schäfer, 2020). Deren Doublette befindet sich auf dem Marktplatz in Bütthard – gegenüber dem einstigen Wohnsitz der beiden Überlebenden des Ghettos Theresienstadt, Max und Mina Frank.
Weitere Informationen:
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 280/281
Jutta Sporck-Pfitzer, Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg, Hrg. Landkreis Würzburg, 1988, S. 55
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 46
Bütthard, in: alemannia-judaica.de
Hermann Gramlich (Bearb.), Bütthard – eine Chronik, Bütthard 2005
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 230
Joachim Braun, Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Allersheim im Ochsenfurter Gau, in: "Würzburger Diözesangeschichtsblätter 2007", S. 535 - 610
Paul Hartung/Stefan Fach (Bearb.), Familienbuch Bütthard. Für den Zeitraum 1592 bis etwa 1930, überarb. u. erweiterte Neuauflage, Otzberg 2015
Axel Töllner/Hans-Christof Haas (Bearb.), Bütthard mit Allersheim, in: W.Kraus/H.-Chr.Dittscheid/G.Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine ... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1 (Unterfranken), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2015, S. 585 - 603
Hannelore Grimm (Red.), In Bütthard steht ein Koffer gegen das Vergessen, in: „Main-Post“ vom 19.7.2021