Butzbach (Hessen)
Butzbach ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 27.500 Einwohnern im Westteil des Wetteraukreises am Rande des Taunus bestehend aus insgesamt 14 Stadtteilen - ca. 25 Kilometer südlich von Gießen bzw. ca. 15 Kilometer nordwestlich von Friedberg gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org gemeinfrei und Kartenskizze 'Wetteraukreis', aus: ortsdienst.de/hessen/wetteraukreis).
Die Erwähnung jüdischer Familien in Butzbach erfolgte in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts. Die schon um 1400 genannte „Judengasse“, die heutige Hirschgasse, war Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde in Butzbach, die damals auch über eine „Joddenschule“ (Bethaus) verfügte. Schutzherren der hier lebenden Juden, die damals vornehmlich von der Pfandleihe lebten, waren die Grafen von Falkenstein-Münzenberg und deren Erben.
Im 15. und 16.Jahrhundert lebten nur sehr wenige Juden in der Stadt; sie verdienten ihren Lebensunterhalt als Kleinhändler und Handwerker.
Butzbach um 1655 - Stich M. Merian, Topographia Hassiae (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Das Anwachsen der jüdischen Gemeinde in Butzbach war eine Auswirkung des Dreißigjährigen Krieges, der viele Landjuden dazu veranlasste, in die sicheren Städte abzuwandern. Im Laufe des 17.Jahrhunderts - um 1650/1660 lebten ca. zehn Familien im Städtchen - wurden sie aber zeitweilig von hier wieder vertrieben. Im beginnenden 19.Jahrhundert nahm die Zahl der Juden in Butzbach stetig zu, eine eigene Gemeinde gab es aber erst wieder ab 1848. Zuvor hatten die in Butzbach lebenden Juden der Religionsgemeinde in Hochweisel angehört, zu der auch die Juden aus Fauerbach, Ostheim und Langenhain zählten.
Anzeigen in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12.Febr. 1855 und der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6.Aug. 1885
Gottesdienste hielt die neu gegründete jüdische Gemeinde ab 1848 in einem Raum im ersten Obergeschoss des Rathauses ab.
Rathaus mit ehem. Betsaal im 1. Obergeschoss (Aufn. Geschichtsverein Butzbach)
Erst Mitte der 1920er Jahre wurde ein eigene Synagoge, ein polygonaler Bau, errichtet, der zwischen Ludwigsstraße und Wetzlarer Straße lag. Aus einem Zeitungsbericht der „Butzbacher Zeitung” vom 10.Aug. 1926:
... Bei herrlichstem Sommerwetter und unter starker Anteilnahme der hiesigen Bevölkerung und äußerst zahlreicher auswärtiger Gäste vollzog sich gestern Nachmittag die Einweihung der neuen Synagoge der israelitischen Gemeinde. Das Rathaus, in dem sich seither der Betsaal der Gemeinde befand, trug Flaggenschmuck, ebenso war die Straße, durch die der Festzug sich bewegte, reich beflaggt. Viele auswärtige israelitische Gemeinden hatten Vertreter gesandt. ...
neue Synagoge in Butzbach (hist. Aufn., Stadtarchiv und Aquarell Ch., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
In der Zeitschrift „Der Israelit” erschien am 21.9. 1926 ein ausführlicher Artikel zur Einweihung der Butzbacher Synagoge:
Die neue Synagoge in Butzbach
Mit 2 Bildern
Das, was fast jede jüdische Gemeinde mit einem gewissen Entwicklungsgang als eine selbstverständliche Einrichtung aufzuweisen hat, eine eigene Synagoge, das fehlte der Gemeinde Butzbach bisher, und alle Bemühungen in dieser Richtung hin schlugen bisher fehl. Erst der Zwang der Verhältnisse, verbunden allerdings mit einem für die heutige wirtschaftlich schwere Lage wirklich bemerkenswerten Opfersinn, führte zur Erreichung des Ziels. Jetzt steht die neue Synagoge da - nicht wirkend durch Größe und Weite des Raums, sondern durch ruhige pietätvolle Formgebung ... Am 20.August nachmittags 2 Uhr, begann die nach jeder Beziehung würdig verlaufene Einweihungsfeier. Stark und herzlich war die Antheilnahme der Bevölkerung an dem seltenen Fest und massenhaft der Zustrom der auswärtigen Gäste. ... Das städtische Rathaus, in welchem sich bisher der Betsaal der israelitischen Gemeinde befand, trug Flaggenschmuck. Ebenso war die Straße, durch welche sich der Festzug bewegte, reich beflaggt.
(Nun folgt detailliert eine Beschreibung des üblichen Zeremoniells einer Synagogeneinweihung)
Am Freitag Abend fand zum ersten Male Sabbatgottesdienst in der neuen Synagoge statt. Die Räume waren bis zum letzten Platz gefüllt, und eine tiefe Rührung und andächtige Weihe und wirkliche Festesstimmung erfüllt die große Schar der andächtigen Beter. .... Am Sonntag den 22. dieses Monats war die neue Synagoge auf einige Stunden für die breitere Masse geöffnet und wurde von ca. 2.000 Personen besucht.
Als im Jahre 1920 die Neubesetzung der Lehrerstelle notwendig wurde, erschien in der jüdischen Presse eine ungewöhnliche Anzeige, in der der hessische Israel. Lehrerverein eine „Warnung“ aussprach:
Anzeige aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15.Juli 1920
Bereits um 1520/1550 soll es in Butzbach einen jüdischen Begräbnisplatz („judden begrebnis“) gegeben haben, der vor der Wetzlarer Pforte lag und auch von umliegenden Judenschaften mitbenutzt wurde; doch er wurde in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts - nach der Vertreibung der Juden aus Butzbach - aufgegeben. In den beiden folgenden Jahrhunderten wurden Verstorbene der wieder nach Butzbach zugezogenen jüdischen Familien zunächst auf Friedhöfen der Umgebung (Griedel, Hochweisel) beigesetzt. Nach Wiederbegründung einer jüdischen Gemeinde in Butzbach konnte dann in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts ein neuer Friedhof angelegt werden; das Begräbnisgelände grenzte unmittelbar an den kommunalen Friedhof.
Juden in Butzbach:
--- um 1620 ..................... ca. 6 jüdische Familien,
--- 1656 ............................ 10 “ “ ,
--- um 1825 ......................... keine,
--- 1848 ............................ 27 Juden,
--- 1861 ............................ 56 “ ,
--- 1890 ............................ 122 “ ,
--- 1905 ............................ 94 “ ,
--- um 1918 ..................... ca. 40 jüdische Familien,
--- 1925/32 ......................... 139 Juden,
--- 1933 ............................ 129 “ ,
--- 1937 ............................ 73 “ ,
--- 1938 ............................ 40 “ ,
--- 1941 ........................ ca. 30 “ ,
--- 1943 ............................ keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 106
und Ludwig Hellriegel, Geschichte der Butzbacher Juden, S. 40
Stadtzentrum von Butzbach, Postkarte um 1900 (aus: akpool.de)
Nach dem Ersten Weltkrieg vergrößerte sich die Zahl der in Butzbach lebenden Juden durch Zuzug aus den Nachbardörfern, sodass nun etwa 40 jüdische Familien hier ihr Zuhause hatten.
Kleinanzeige vom Aug. 1915
Neben zwei jüdischen Fabrikanten bestritten die meisten jüdischen Familien ihren Lebensunterhalt mit Handel. Es gab 17 jüdische Kaufleute, sechs Viehhändler und auch einige wenige Handwerker.
Auch in Butzbach begannen die antijüdischen ‚Aktionen’ mit dem Boykott der Geschäfte am 1.April 1933. In der „Butzbacher Zeitung” vom 1.April erschien dazu der folgende Aufruf:
A u f r u f!
Deutsche Einwohner der Stadt und des Kreises Friedberg! Deutschland oder Juda?
... schon einmal haben der internationale Jude und seine Drahtzieher es verstanden, durch boshafte und gemeine Greuelmärchen uns die Lebensader aufzuschneiden. Tausende und Abertausende deutsche Kinder, Mütter und Greise sind infolge davon an Unterernährung gestorben oder verelendet, während der ‘deutsche’ Jude während dieser Zeit in Kriegsgesellschaften und Etappen ein von niedrigsten Instinkten seiner Rasse genährtes Leben in Völlerei und Unzucht trieb ... Ihrem internationalen Boykott aller deutschen Waren setzen wir im eigenen Lande den Boykott der jüdischen Geistes- und Wirtschaftswelt entgegen. ... Von der Bevölkerung des Kreises Friedberg erwarten wir, daß sie alles daran setzt, diesen Kampf siegreich durchzuführen. Größte Ruhe und Disziplin sind zu wahren! Alle Ausschreitungen und Einzelaktionen sind zu vermeiden!
SA-Angehörige standen mit Plakaten vor den - meist geschlossenen - jüdischen Geschäften. Diese und andere Vorgänge führten schließlich dazu, dass jede wirtschaftliche Betätigung von Juden in Butzbach erlosch; maßgeblich an dieser Ausgrenzungspolitik beteiligt waren die Ortsverbände des Handels, des Handwerks und des Gewerbes. Bereits 1933 wanderten die ersten jüdischen Einwohner Butzbachs aus bzw. verlegten ihren Wohnsitz in andere Städte Deutschlands. Im Laufe des Jahres 1935 verstärkte sich die antisemitische Hetze erneut, und an vielen „arischen“ Geschäften Butzbachs wurden Hinweise wie „Juden unerwünscht” oder „Deutsches Geschäft” angebracht. Antijüdische Schmierereien und auch erste Gewalttätigkeiten wurden jetzt verzeichnet. In einem Bericht der Gendarmerie Butzbach vom Februar 1936 hieß es: „ ... Die Juden sind fast vollständig im Handel ausgeschaltet, und die meisten ziehen es vor, allmählich in das Ausland zu verschwinden. ...”
Beim Novemberpogrom drangen in den frühen Morgenstunden des 10.November SA-Trupps bzw. NSDAP-Sympathisanten - vermutlich auf Weisung der NSDAP-Kreisleitung Gießen - in die Synagoge ein und zerstörten Teile der Inneneinrichtung. Tags darauf legten sie Feuer, und das Synagogengebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder. Zeitgleich drangen sie in Wohnungen und Geschäfte jüdischer Eigentümer ein, misshandelten die Bewohner und demolierten das Inventar. Fast alle jüdischen Männer wurden verhaftet, anschließend wurde ein Teil von ihnen - darunter die drei Vorstandsmitglieder - ins KZ Buchenwald verschleppt.
Über die Vorgänge in der Stadt berichtete die „Butzbacher Zeitung” in ihrer Ausgabe am 11.11.1938:
L o k a l e r T e i l
Aus Stadt und Land Butzbach, den 11.November 1938.
Die Empörung des Volkes machte sich Luft. Der feige Mord an dem deutschen Diplomaten, den der gedungene Jude Grünspahn in Paris verübt hat, hat auch in der Butzbacher Bevölkerung wie im ganzen Reich einen gerechten Zorn und eine tiefe Empörung gegen die gesamte Judenschaft hervorgerufen. In einer spontanen Kundgebung haben sich die Butzbacher Volksgenossen gestern in den Mittagsstunden gegen die Volksfeinde gewandt. Es kam in allen Teilen der Stadt vor den jüdischen Geschäften und Wohnungen zu erregten Demonstrationen, wobei die Geschäfte und Wohnungseinrichtungen in Trümmer gingen. Desgleichen fiel auch der Judentempel, die Synagoge, dem gerechten Volkszorn zum Opfer. Nachdem zunächst dieser Tempel der staatsfeindlichen Verschwörung zerstört worden war, ging er plötzlich in Flammen auf und brannte vollkommen aus. Die Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, die umliegenden Häuser zu schützen, ... Sämtliche Juden wurden in Gewahrsam genommen und ihnen großzügig der Schutz des Staates gewährt. ...”
Das Synagogengrundstück musste dann von der jüdischen Gemeinde zwangsweise an die Kommune veräußert werden.
Die etwa noch 30 in Butzbach lebenden Juden wurden anschließend im „Judenhaus Simon“ in der Langgasse 38 und in der Rossbrunnenstraße zusammengepfercht. Ab Frühjahr 1941 waren sie von der Stadt zu Zwangsarbeiten verpflichtet. Diejenigen rund 20 Personen, die bis 1942 noch nicht verzogen waren, wurden im September über Darmstadt deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." fielen insgesamt 82 aus Butzbach stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bürger der NS-Gewaltherrschaft zum Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: .alemannia-judaica.de/butzbach_synagoge.htm).
Das Kriegsende in Butzbach überlebten sechs sog. „Halbjuden“, Kinder aus „Mischehen“.
Der neuzeitliche jüdische Friedhof in Butzbach, dessen ältester lesbarer Grabstein von 1892 stammt, war während der NS-Zeit teilzerstört worden. Wenige Jahre nach Kriegsende wurden die noch vorhandenen Grabsteine restauriert und der Friedhof wieder instand gesetzt.
Jüdischer Friedhof in Butzbach (Aufn. Ch., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Am ehemaligen Standort der neuen Synagoge in der Wetzlarer Straße erinnert seit 1981 ein monumentaler Gedenkstein mit einer angebrachten Gedenktafel (Aufn. Ch., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0), die die folgende Inschrift trägt:
Hier stand die jüdische Synagoge der ehemaligen Jüdischen Gemeinde Butzbach.
Erbaut 1926, in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft niedergebrannt am 9.November 1938.
Am gleichen Tage wurden auch die Synagogen in den Stadtteilen Griedel,
Nieder-Weisel und Pohl-Göns zerstört.
Damit begannen Vertreibung und Vernichtung unserer jüdischen Mitbürger.
Von diesem Geschehen lassen wir uns mahnen:
Nie wieder darf unser Volk den Terror gegen Menschen zulassen.
Shalom - Friede.
Zudem befinden sich an dieser Stelle (Synagogenplatz) vier großformatige Informationstafeln, die zur Historie der jüdischen Gemeinde Butzbach und zu den einstigen Synagogen in den einzelnen Stadtteilen Auskunft geben.
Im Butzbacher Rathaus, in dem sich viele Jahrzehnte der Betraum der jüdischen Gemeinde befunden hat, wurde 1988 eine Gedenktafel angebracht:
Im Rathaus unserer Stadt befand sich der Betsaal der jüdischen Gemeinde
vermutlich von ihrer Wiedergründung im Jahr 1848 bis zur Erbauung einer eigenen Synagoge im Jahr 1926.
Diese wurde während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft schändlich zerstört.
Seit 2009 erinnern sog. „Stolpersteine“ an ehemalige jüdische Bewohner Butzbachs und seiner Stadtteile, die der NS-Verfolgung zum Opfer fielen. In bislang neun Verlegeaktionen wurden insgesamt ca. 130 messingfarbene Steinquader in die Gehwegpflasterung eingefügt (Stand 2023) - die allermeisten davon im Kernort.
in der Weiseler Straße
und Griedeler Straße
alle Aufn. Ch., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
In den heute zu Butzbach gehörenden Ortsteilen Ebergöns, Pohl-Göns, Griedel und Nieder-Weisel gab es ebenfalls eigene Synagogen, die entweder bereits vor 1938 nicht mehr zu gottesdienstlichen Zwecken genutzt wurden oder während des Novemberpogroms 1938 in Flammen aufgingen. Im Ortsteil Ostheim lebten stets nur sehr wenige jüdische Familien.
[vgl. Nieder-Weisel (Hessen)]
[vgl. Pohl-Göns (Hessen)]
In Hoch-Weisel, einem Ortsteil von Butzbach, hat es bis in die Zeit um 1900 eine kleine jüdische Gemeinde gegeben. Bis Mitte des 19.Jahrhunderts gehörten ihr auch die wenigen jüdischen Einwohner Butzbachs an. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten ein Friedhof und ein Betraum. Bis zur Auflösung der dortigen Gemeinden gehörten auch die Juden aus Ostheim und Fauerbach zur Gemeinde Hoch-Weisel. Nach Schließung des Synagogenraumes wurde das Inventar versteigert.
Anzeige aus der Zeitschrift “Der Israelit” vom 3.1.1901
Auf der noch bestehenden, relativ großflächigen jüdischen Begräbnisstätte sind heute nur noch wenige Grabsteine zu finden, die zudem von der Vegetation nahezu überwuchert sind.
Ehemalige jüdische Begräbnisstätte in Hoch-Weisel (Aufn. Ch., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
In dem nördlich von Butzbach gelegenen Langgöns ließen sich erst im letzten Viertel des 18.Jahrhunderts einige wenige jüdische Familien nieder. Grund dafür waren die dreimal im Jahr stattfindenden großen Vieh- und Krämermärkte, die vor allem den jüdischen Viehhändlern eine sichere Erwerbsgrundlage boten. Um 1820/1830 waren zwölf Familien in Langgöns ansässig. - Gegen Ende des 19.Jahrhunderts galt Langgöns als eine Hochburg der antisemitischen „Böckel-Bewegung“. Aus Protest gegen die antijüdische Hetze boykottierten jüdische Viehhändler den Viehmarkt, der daraufhin seine frühere Bedeutung verlor. Eine weitere Folge war die Abwanderung jüdischer Familien aus Langgöns; 1905 lebten hier nur noch zwei von ihnen. Die letzten sechs jüdischen Bewohner wurden 1942 deportiert.
Zur Erinnerung an die deportierten Langgönser Juden wurde 2008 ein Mahnmal auf dem ehemaligen Viehmarkt (Ecke Amtshausstraße/Mühlberg) eingeweiht.
vgl. Langgöns (Hessen)
Die Entstehung einer kleinen israelitischen Gemeinde in Griedel datiert im 18.Jahrhundert; gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen mit ca. 70 Personen ihren Höchststand. Als gemeindliche Einrichtungen waren eine Synagoge, eine Religionsschule und ein Friedhof vorhanden. Die Synagoge wurde 1866 in Anwesenheit von Rabbiner Levi aus Gießen feierlich eingeweiht; die Baukosten wurden teilweise durch Spenden getragen. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten am Ort sechs jüdische Familien; bis 1940 hatten alle das Dorf verlassen. Beim Novemberpogrom wurde das Synagogengebäude in Brand gesetzt.
1992 wurde am ehemaligen Standort der Synagoge – das stark zerstörte Gebäude wurde einige Jahre nach Kriegsende abgetragen - eine Gedenktafel angebracht.
vgl. Griedel (Hessen)
In der ca. zehn Kilometer westlich von Butzbach gelegenen Ortschaft Brandoberndorf, einem Ortsteil von Waldsolms, gab es eine kleine israelitische Kultusgemeinde, der auch die Bewohner der Dörfer Kraftsolms und Kröffelbach angeschlossen waren.
aus: „Allgemeine Zeitung des Judentum“ vom 6.9.1895
aus: "Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt" vom 16.Aug. 1912
Anfang der 1930er Jahre setzte sich die jüdische Gemeinschaft aus ca. 25 Personen zusammen. Der in der Lindenstraße in Kröffelbach in einem Fachwerkgebäude untergebrachte Betsaal wurde 1938 niedergebrannt und die Ruine anschließend abgeräumt. Auch ein eigenes Friedhofsgelände war in Brandoberndorf vorhanden. Bis September 1940 hatten alle jüdischen Bewohner die Orte verlassen. Seit den 1980er Jahren erinnert eine Gedenktafel nahe des einstigen Synagogenstandortes (Oberquembacher Straße, frühere Lindenstr.) an die ehemalige kleine jüdische Gemeinde mit den Worten:
In Erinnerung an die jüdischen Mitbürger unserer Gemeinde und an die Synagoge.
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Haus Israel
und dem Hause Juda einen neuen Bund schließen. Jer. 31,31. Das Presbyterium.
Gedenktafel (Aufn. Christopher Schmidt)
In Kröffelbach wurde 2018 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Bewohner enthüllt. Am Denkmal der Opfer beider Weltkriege (neben der evangelischen Kirche) erinnert eine zusätzliche Plakette an die in den Jahren 1942/1943 ermordeten Fanny u. Nathan Abraham und an Siegfried, Klementine, Lilly u. Martin Frank.
Die älteste Quelle über jüdische Familien in Kröffelbach datiert 1773. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts gab es im Dorf drei jüdische Haushaltungen mit 17 Bewohnern, die ihren Lebensunterhalt als kleine Viehhändler und als Bauern bestritten. Wegen ihrer geringen Zahl wurde der Bau einer Synagoge von behördlicher Seite abgelehnt; Zusammenkünfte fanden in einer Betstube eines Privathauses statt. Begräbnisse wurden auf dem Friedhof in Burgsolms vorgenommen. Gegen Ende der 1930er Jahre wohnten im Dorf noch die beiden Familien Frank (Lindenstr.) und Abraham (Denkmalstr.); über ihre Schicksale liegen kaum sichere Angaben vor.
Weitere Informationen:
Ludwig Hellriegel, Geschichte der Butzbacher Juden, in: "Wetterauer Geschichtsblätter", Bd. 17, Friedberg 1968, S. 29 - 55
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 88 (Brandoberndorf), S. 106 - 108 (Butzbach), S. 278/279 (Griedel) und S. 476/477 (Langgöns)
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 31
Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, S. 552
Werner Wagner, Zur Geschichte der Griedeler Judengemeinde, in: W.Wagner, Griedel im 19.Jahrhundert. Festschrift zum 25jährigen Jubiläum des Musikvereins Griedel, Griedel 1982, S. 101 - 109
Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 197 - 201
Stadtarchiv/Museum Butzbach (Hrg.), Vor 50 Jahren brannten die Synagogen. Aus sieben Jahrhunderten jüdischen Lebens in Butzbach und Umgebung, Begleitheft zur Sonderausstellung, Butzbach 1988
Thea Altaras, Synagogen in Hessen - Was geschah seit 1945 ?, Verlag K.R.Langewiesche Nachfolger Hans Köster, Königstein/T. 1988, S. 183/184
Werner Wagner, Zur Geschichte der Juden und der jüdischen Gemeinde in Griedel, in: "Wetterauer Geschichtsblätter", 38/1989, S. 73 - 83
Werner Wagner, Schutzbrief für den Griedeler Juden Meyer, in: "Butzbacher-Geschichtsblätter", No.71/Juli 1991
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen I: Regierungsbezirk Darmstadt, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1995, S. 315 f.
Bernd Krausgill, Die Nieder-Weiseler Juden, in: Festschrift 75 Jahre Musikverein Nieder-Weisel e.V. 1922 - 1997, Nieder-Weisel 1997, S. 91 - 101
Werner Reusch, Wäi die Bimbel noach ean Polgies gehalt hoat. Pohl-Göns im 20.Jahrhundert (Heimatbuch), Selbstverlag Butzbach-Ebergöns 1998, S. 248 - 288 und S. 333 - 382
Dieter Wolf (Hrg.), Vor 50 Jahren brannten die Synagogen - Aus sieben Jahrhunderten jüdischen Lebens in Butzbach und Umgebung, Begleitheft zur Sonderausstellung d. Stadtarchivs u. Museums der Stadt Butzbach, 3.Aufl., Butzbach 1998
Synagoge in Butzbach, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Brandoberndorf mit Kröffelbach und Kraftsolms sowie Griedel, in: alemannia-judaica.de
Jüdischer Friedhof Butzbach, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Aufnahmen von Stefan Haas)
Dieter Wolf, ‘Juden in Butzbach’ - Rede zur Erinnerung an die Reichspogromnacht vom 9./10.Nov. 1938 im Museum der Stadt Butzbach, Butzbach 2000 (Redemanuskript)
Klaus Heuer/Rolf Bangel/Joachim Mutz, Einblicke in die Geschichte der Kröffelbacher Juden (Aufsatz, o.J.)
Klaus Heuer, "Ich bin die Jüdin Clementine Sara Frank geb. Abraham". Einblicke in die Geschichte der Juden, in: Gemeinde Waldsolms, Arbeitskreis "Chronik Kröffelbach" (Hrg.). Kröffelbach 1300 - 2000. Aus der Geschichte eines Dorfes im Solmsbachtal, Hüttenberg 2000, S. 11 - 20
Klaus Heuer/Rolf Bangel/Joachim Mutz (Bearb.), Einblicke in die Geschichte der Kröffelbacher Juden, online abrufbar unter: dg-kroeffelbach.de/GeschichteKroeffelbacherJuden.pdf
H.Müller/B.Heil (Hrg.), Judenfamilien in Butzbach und seinen Stadtteilen - Ortsfamilienbuch, Geschichtsverein Butzbach und Umgebung, Butzbach 2007
Otto Berndt/Friedrich Damrath/Hanno Müller, Juden in Lang-Göns. Eine Dokumentation gegen das Vergessen, 2010
Magistrat der Stadt Butzbach (Red.), Gunter Demnig verlegt „Stolpersteine gegen das Vergessen“ in Butzbachs Stadtteilen, in: stadt-butzbach.de vom 29.8.2016
Auflistung der in Butzbach und seinen Stadtteilen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Butzbach
Helmut Serowy (Red.), Die Erinnerung wach halten, in: mittelhessen.de vom Nov. 2018 (betr. Kröffelbach)
Pressemeldung Stadt Butzbach, Stolpersteinverlegung am 18.9.2023, aus: stadt-butzbach.de vom 1.9.2023
thg (Red.), Stadt kaufr Pohl-Gönser Synagoge, in: „Frankfurter Neue Presse“ vom 15.3.2024