Assenheim (Hessen)
Assenheim mit derzeit ca. 4.000 Einwohnern ist seit seiner Eingemeindung (1970) heute ein Stadtteil von Niddatal im hessischen Wetteraukreis – südlich von Bad Nauheim bzw. ca. 20 Kilometer nördlich der Mainmetropole Frankfurt (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Wetteraukreis' ohne Eintrag von Assenheim/Niddatal, aus: ortdienst.de/hessen/wetteraukreis).
Ansicht von Assenheim - Stich M. Merian, um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Im ausgehenden 13. Jahrhundert sollen bereits vereinzelt jüdische Familien in Assenheim gelebt haben. Der Pestpogrom von 1347 ging auch an Assenheim nicht spurlos vorüber; trotzdem hielten sich bereits einige Jahre später erneut Juden hier auf, die von dieser Zeit an bis Anfang des 16.Jahrhunderts hier in unterschiedlicher Zahl hier lebten; sie waren zumeist im Geldleihgeschäft tätig. Nach Vertreibung und Wiederansiedlung entstand nach dem Dreißigjährigen Krieg - zusammen mit den Juden aus Nieder-Wöllstadt - abermals eine kleine jüdische Gemeinde. Der Lebensunterhalt wurde von den Familien nun zumeist mit Manufakturwaren- und Viehhandel bestritten.
Im Jahre 1704 konnte eine neuerrichtete „Judenschule“ bezogen werden. Ihren Synagogenneubau weihte die Gemeinde im Jahre 1862 an der gleichen Stelle, in der heutigen Brunnengasse, ein.
Planskizzen (für die Restaurierung des Synagogengebäudes um 1985)
Zur Verrichtung religiös-ritueller Aufgaben war seitens der Gemeinde ein Lehrer angestellt, der neben der Unterweisung der Kinder zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
Ausschreibung der Lehrerstelle in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12.1.1857 und in „Der Israelit“ vom 24.7.1893
Eine jüdische Begräbnisstätte - angelegt in den 1840er Jahren - lag unweit des Ortes in Richtung Bruchenbrücken.
Zur Assenheimer Synagogengemeinde gehörten auch die wenigen Familien aus Bruchenbrücken und nach 1918 auch die aus Bönstadt.
Juden in Assenheim:
--- um 1670 ........................ 20 jüdische Familien,
--- 1830 ........................... 37 Juden,
--- 1849 ........................... 12 jüdische Familien,
--- 1861 ........................... 87 Juden (ca. 9% d. Bevölk.),
--- 1871 ........................... 96 " ,
--- 1880 ........................... 72 “ ,
--- 1910 ........................... 35 “ ,
--- 1905 ........................... 50 " (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1910 ........................... 35 " ,
--- 1933 ........................... 12 jüdische Familien,
--- 1936 ........................... 12 “ “ ,
--- 1938 ........................... 6 “ “ ,
--- 1941 ........................... 2 Juden,
--- 1942 (Dez.) .................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 48
In den ersten Jahren der NS-Herrschaft verließen noch keine jüdischen Bewohner den Ort; die Abwanderung setzte erst ab 1936 ein. Innerhalb von nur zwei Jahren verringerte sich nun die Zahl der jüdischen Familien um die Hälfte.
Während des Novemberpogroms wurde die bis 1936 noch genutzte Synagoge verwüstet; daran sollen nicht nur SA-Angehörige, sondern auch zahlreiche „Volksgenossen“ des Landstädtchens aktiv beteiligt gewesen sein. Das beschädigte Synagogengebäude ging kurz darauf in den Besitz der Kommune über. Die letzten beiden Einwohnerinnen jüdischen Glaubens wurden 1942 deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." fielen 22 gebürtige bzw. länger im Ort wohnhaft gewesene Assenheimer Bürger mosaischen Glaubens der Shoa zum Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/assenheim_synagoge.htm).
Nur ein einziger überlebender jüdischer Bewohner kehrte 1945 in seinen Heimatort zurück.
Das ehemalige Synagogengebäude, das bis 1980 der Kommune als Feuerwehrhaus gedient hat, wurde Ende der 1980er Jahre restauriert und 1990 als ein Ort kultureller Begegnung der Öffentlichkeit übergeben. Die Kunstausstellungen in der einstigen Synagoge gewinnen seit Jahren an Bedeutung. In Zukunft soll das Gebäude auch als Gedenk- und Begegnungsstätte genutzt werden.
ehem. Synagogengebäude vor und nach der Restaurierung (Aufn. um 1985 und 1990)
Auf dem ca. 1.000 m² großen jüdischen Friedhofsgelände ("Auf dem Speckberg", südlich des Ortes) befinden sich heute ca. 60 Grabsteine, wobei die ältesten noch lesbaren Steine aus der Zeit um 1850 datieren.
Jüdischer Friedhof in Assenheim (Aufn. Gerold Rosenberg, 2016, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Im nur wenige Kilometer entfernten Bönstadt - ebenfalls ein Ortsteil von Niddatal - gab es im 19.Jahrhundert eine kleine jüdische Landgemeinde, die um 1860 maximal ca. 50 Angehörige zählte. Zumeist bestritten die wenigen Familien ihren Lebensunterhalt im Vieh- u. Pferdehandel und im Metzgereigewerbe.
An gemeindlichen Einrichtungen verfügte die hiesige Judenschaft über eine Synagoge in der Hauptstraße (später Erbstädter Straße), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Begräbnisgelände. Religiöse Aufgaben der Gemeinde verrichtete ein zeitweise angestellter Lehrer.
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11.Febr. 1892
Die Gemeinde gehörte zum liberalen Provinzialrabbinat in Gießen.
Infolge von Abwanderung löste sich die Gemeinde nach 1910 auf, und die wenigen noch in Bönstadt lebenden Familien schlossen sich der Assenheimer Gemeinde an. Das Synagogengebäude wurde veräußert und diente anschließend Wohnzwecken. Anfang der 1930er Jahre lebten ca. zehn Personen mosaischen Glaubens in Bönstadt.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." fielen 19 gebürtige bzw. länger im Ort wohnhaft gewesene Bönstadter Bewohner mosaischen Glaubens der Shoa zum Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/boenstadt_synagoge.htm).
Das ca. 700 m² große jüdische Friedhofsareal an der Erbstädter Straße weist heute noch eine Reihe von Grabsteinen auf, die fast ausschließlich aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen. Die letzte Beisetzung fand im Jahr 1914 statt.
Jüdischer Friedhof in Bönstadt (Aufn. S. Haas, 2015)
Weitere Informationen:
Rosy Bodenheimer, Beitrag zur Geschichte der Juden in Oberhessen von ihrer frühesten Erwähnung bis zur Emanzipation, Dissertation, Philosophische Fakultät der Ludwigs-Universität Gießen, Gießen 1931, S. 42
Germania Judaica, Band II/1, Tübingen 1968, S. 28/29 und Band III/1, Tübingen 1987, S. 36 - 38
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 48/49 und S. 85/86
W. Hartherz, Die Geschichte der Juden in Bönstadt, in: "Heimatbuch der Gemeinde Bönstadt", 1973
Rudolf Lummitsch, Geschichte der Stadt Assenheim: Von der frühen Zeit bis zum 19. Jahrhundert. Niddatal, Stadt Niddatal, 1977
Friedrich Battenberg, Assenheimer Judenpogrome vor dem Reichskammergericht, in: "Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen VI, Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen", Wiesbaden 1983, S. 123 – 149
Henry Buxbaum, Erinnerungen (Maschinenmanuskript 1979). Auszüge in: Monika Richarz, Bürger auf Widerruf - Lebenszeugnisse deutscher Juden 1780 - 1945, Verlag C.H. Beck, München 1989, S. 371 - 380
Renate Knigge-Tesche (Bearb.), Erinnern und Gedenken in Hessen, Hrg. Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Wiesbaden 1999, S. 15
Susanne Gerschlauer, Katalog der Synagogen, in: Ulrich Schütte (Hrg.), Kirchen und Synagogen in den Dörfern der Wetterau, in: " Wetterauer Geschichtsblätter - Beiträge zur Geschichte u. Landeskunde", Band 53, Friedberg (Hessen) 2004, S. 555
Karl Meisinger, Zur Geschichte der Juden in Assenheim, in: "Assenheimer Blätter", Heft 9/2005
Assenheim, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Text- und Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Jüdischer Friedhof Assenheim, in: alemannia-judaica.de (Fotodokumentation von Dieter Schäfer von 1985/1986)
Bönstadt, in: alemannia-judaica.de
Geschichtsverein Niddatal e.V. (Hrg.), Jüdisches Leben in Assenheim, online abrufbar unter: geschichtsverein-niddatal.de/2018/05/07/juedisches-leben-in-assenheim/