Aßlar (Hessen)
Aßlar ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 14.000 Einwohnern im hessischen Lahn-Dill-Kreis; sie liegt an den Ausläufern des Westerwaldes nordwestlich von Wetzlar (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Aßlar, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Lahn-Dill-Kreis', Andreas Trepte 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die Wurzeln der kleinen jüdischen Gemeinde in Aßlar reichen bis in die erste Hälfte des 18.Jahrhunderts zurück. 1758 erhielten die hiesigen Juden die Erlaubnis, eine eigene „Schul“ einzurichten. Gemeinsam mit den jüdischen Bewohnern der umliegenden Ortschaften Biskirchen, Edingen, Ehringshausen, Katzenfurt, Kölschhausen und Werdorf zählte die jüdische Gemeinde Aßlar um die Mitte des 19.Jahrhundert immerhin etwa 200 Mitglieder. Im benachbarten Hermannstein hatte bis um 1885 gleichfalls eine Gemeinde bestanden; sie wurde dann mit der von Aßlar zusammengelegt.
Verstorbene wurden auf einem Areal, das an den allgemeinen christlichen Friedhof an der Kirchstraße/Wetzlarer Straße angrenzte, begraben; es bestand erst seit ca. 1900.
Im nahen Werdorf existierte ein alter jüdischer Friedhof, der in den 1880er Jahren durch ein neu angelegtes Beerdigungsgelände ersetzt wurde. Die zum Friedhofsverband zusammengeschlossenen jüdischen Bewohner der Ortsgemeinden Werdorf und Ehringhausen begruben hier ihre Verstorbenen; auch Juden aus Kölschhausen sollen hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Aßlar gehörte zum Rabbinatsbezirk Marburg.
Juden in Aßlar:
--- 1812 ........................... 46 Juden,
--- 1823/24 ........................ 53 “ ,* * mit Hermannstein
--- 1835 ....................... ca. 200 “ ,** ** Bürgermeisterei Aßlar
--- 1851 ........................... 60 “ ,
--- 1875 ........................... 7 jüdische Familien,
--- 1902 ........................... 5 “ “ ,
--- 1910 ........................... 31 Juden,
--- 1925/26 ........................ 95 “ ,
--- 1936 ........................... 3 " (oder Familien ?).
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 49
Anfang der 1920er Jahre soll die Synagoge in Aßlar schon nicht mehr als solche genutzt worden sein; zu Gottesdiensten wurde angeblich die Synagoge in Wetzlar aufgesucht. 1936 wurde das baufällige Synagogengebäude verkauft, ein Jahr später abgerissen. Bis Mitte der 1930er Jahre lebten noch drei jüdische Familien in Aßlar. Noch vor Einsetzen der Deportationen hatten sie ihren Heimatort verlassen.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sollen elf aus Aßlar stammende jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sein (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/asslar_synagoge.htm).
Unmittelbar südlich des kommunalen Friedhofs - zwischen Kirchstraße und der Wetzlarer Straße – befindet sich das Areal der ca. 550 m² umfassenden jüdischen Begräbnisstätte, die nur wenige unscheinbare, aufgereihte Grabsteine aufweist.
Gräberreihe (Aufn. O. Domes, 2021, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
1983 wurde anlässlich der 1200-Jahrfeier Aßlars auf dem jüdischen Friedhof ein Gedenkstein mit -tafel gesetzt.
Gedenkstein (Aufn. Otto Domes, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0 und J. Hahn, 2009, aus: alemannia.judaica.de)
Auf Initiative des Arbeitskreises „Jüdisches Leben in Aßlar“ wurden 2010 zwei sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an zwei Jüdinnen erinnern sollen, die deportiert und in Sobibor ermordet wurden.
verlegt in der Oberstraße (Aufn. Uta Barnikol, aus: alemannia-judaica.de)
Im westlich von Aßlar gelegenen Werdorf gab es im 19.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, die um 1850 immerhin mehr als 70 Mitglieder zählte. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten eine Synagoge, eine Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Diese um 1890 neu angelegte Begräbnisstätte war gemeinsames Eigentum der Werdorfer und Ehringshausener Juden. Um 1905 lebten in Werdorf nur noch vier Juden, die Gemeinde löste sich auf. Das Synagogengebäude wurde alsbald veräußert; Anfang der 1980er Jahre erfolgte dessen Abbruch.
Die kleine Kultusgemeinde Ehringshausen, die sich zu Beginn der 1930er Jahre aus etwa 40 Angehörigen zusammensetzte, war 1933 der Kultusgemeinde Wetzlar angeschlossen. In einem Hause in der Bahnhofstraße befand sich ihr schlichter Betraum. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Werdorf beigesetzt.
Unter den in zumeist einfachen Verhältnissen lebenden Familien waren mehrere Vieh- und ein Getreidehändler und zwei Metzger. Die bereits seit der Zeit des Ersten Weltkrieges begonnene Abwanderung (1910 lebten noch 18 jüdische Familien im Ort) setzte sich nach der NS-Machtübernahme fort: 1933 lebten im Dorf noch ca. 40 jüdische Einwohner; die letzten elf jüdischen Bewohner Ehringshausens wurden 1942 deportiert. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden insgesamt 27 aus Ehringhausen stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: .juden-in-baden.de/ehringshausen_synagoge.htm).
Im Jahre 1988 wurde auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge in der Bahnhofstraße ein Gedenkstein für die früheren jüdischen Bewohner des Ortes gesetzt; der Text lautet: „Zum Gedenken an die jüdischen Bürger, die 1942 Opfer des Nationalsozialismus wurden. Hier war der Standort der ehemaligen Synagoge.“
Gedenkstein in Ehringshausen (Aufn. J. Hahn, 2009, aus: alemannia-judaica.de)
vgl. Ehringshausen (Hessen)
In Katzenfurt – heute Teil der Kommune Ehringshausen – bestand eine kleine jüdische Gemeinde, deren Wurzeln vermutlich zu Beginn des 18.Jahrhunderts liegen. In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte diese mit ca. 60 Angehörigen ihren personellen Höchststand. Zu diesem Zeitpunkt war die Gemeinde dem Synagogenbezirk Aßlar zugeteilt. Einen Betraum bzw. eine Synagoge soll in Katzenfurt ab ca. 1875 bestanden haben; in den 1950er Jahren soll das Gebäude abgerissen worden sein.
Verstorbene wurden auf einem eigenen Begräbnisgelände in Katzenfurt (auf dem Stemel oberhalb des kommunalen Friedhofs) beerdigt; dessen Anlage erfolgte erst in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Insgesamt sind noch sechs lesbare und acht weitere Grabsteine vorhanden.
Zugang und Teilansicht des Friedhofsgeländes (Aufn. J. Hahn, aus: alemannia-judaica.de)
Juden in Katzenfurt:
--- 1816 .......................... 7 Juden,
--- 1823 .......................... 28 “ ,
--- 1843 .......................... 42 “ ,
--- um 1850 ................... ca. 60 “ (ca. 9% d. Bevölk.),
--- 1905 .......................... 7 jüdische Familien,
--- 1914 .......................... 9 “ “ .
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2 (unter Wetzlar)
In den 1930er Jahren haben die jüdischen Familien ihr Heimatdorf verlassen; das Synagogengebäude wurde verkauft.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sollen 23 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene Juden aus Katzenfurt Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sein (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/katzenfurt_synagoge.htm).
Zum 70. Jahrestag des Gedenkens an die Pogromnacht wurde in der Ortsmitte von Katzenfurt eine Gedenkstele enthüllt.
In Hohensolms sollen bereits im 17.Jahrhundert vereinzelt Juden gelebt haben. Im 19.Jahrhundert bestand hier eine kleine Gemeinde, die auch jüdische Familien aus Altenkirchen und Erda einschloss. Um 1840 erreichte diese Gemeinde ihre maximale Personenzahl mit knapp 70 Angehörigen. Zunächst war Hohensolms Filialgemeinde von Aßlar gewesen, ehe sie dann eigenständig wurde. 1933 lebten noch zwei Familien jüdischen Glaubens (namens Löb) in Hohensolms. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten eine Synagoge (um 1815 eingerichtet), eine Religionsschule, eine Mikwe und ein Friedhof. Später gehörten dann die nur noch wenigen hier lebenden Familien der Gemeinde Niederweidbach an,
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem (Jerusalem) kamen während der NS-Zeit acht jüdische Bewohner Hohensolms gewaltsam ums Leben. Das ehemalige Synagogengebäude wurde Mitte der 1970er Jahre abgerissen; eine Gedentafel erinnert heute an dessen einstigen Standort.
Das in einem kleinen Waldstück liegende ca. 800 m² große Friedhofgelände (südlich von Hohensolm, Flur 'Am Judenkirchhof') diente im Zeitraum von 1773 bis 1927 verstorbenen Juden aus Hohensolm, Altenkirchen und Erda als Begräbnisstätte; auf dem Areal befinden sich heute noch ca. 25 sichtbare Gräber.
Aufn. Otto Domes, 2019, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
In Hermannstein – heute ein Stadtteil von Wetzlar – sind Juden erstmals im Jahre 1668 genannt. Die sich hier gebildete Gemeinschaft setzte sich in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts aus maximal 15 Familien zusammen. Um 1855 waren im Dorf knapp 60 Personen mosaischen Glaubens gemeldet.
Ein an der Dill liegender jüdischer Friedhof wurde bis in die 1840er Jahre genutzt; danach stand ein neues Areal gegenüber dem evangelischen Friedhof zur Verfügung.
Als sich infolge Abwanderung die Zahl der jüdischen Familien in Hermannstein deutlich reduziert hatte, schlossen sich gegen Ende des 19.Jahrhunderts die verbliebenen Familien der jüdischen Gemeinde in Aßlar an. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch zwei Familien und die Inhaberin eines Lebensmittelgeschäftes (Berta Goldschmidt) im Dorf. Während des Novemberpogroms wurden die beiden jüdischen Familienväter Sigmund Isaak und David Simon inhaftiert, auch misshandelt und anschließend ins KZ Buchenwald verbracht. Nach ihrer Freilassung gelang es beiden mit ihren Familien zu emigrieren.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden sechs aus Hermannstein stammende Juden Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: .juden-in-baden.de/ehringshausen_synagoge.htm).
Der (jüngere) jüdische Friedhof von Hermannstein weist heute mit seinen ca. 35 Grabsteinen noch darauf hin, dass am Ort ehemals eine jüdische Gemeinde bestanden hat.
Friedhof in Hermannstein (Aufn. Siegfried Träger, 2015, aus: mapio.net)
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 49/50 (Aßlar), S. 150/151 (Ehringshausen) und Band 2, S. 360 (Werdorf)
Erco von Dietze, Juden in und um Hohensolms, hrg. von der Evangelischen Kirchengemeinde Hohensolms, 1988
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 109 ff.
Aßlar (Hessen) mit Hermannstein, in: alemannia-judaica.de
Ehringshausen, in: alemannia-judaica.de
Der jüdische Friedhof in Wehrdorf, in: alemannia-judaica.de (mit Bildmaterial)
Hohensolms, in: alemannia-judaica.de
Katzenfurt, in: alemannia-judaica.de
Thea Altaras, Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945?, Königstein im Taunus 2007, S. 221/222
Edwin Leidecker, Geschichte des Ortes Katzenfurt, online abrufbar unter: ehringshausen.de
Stolpersteine in Aßlar, online abrufbar unter. wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Aßlar
Rüdiger Sossdorf (Red.), Ewige Ruhe im Wald, in: „Gießener Allgemeine“ vom 24.7.2022 (betr. jüdischen Friedhof in Hohensolms)