Aub (Unterfranken/Bayern)
Aub ist eine Kleinstadt und Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Aub mit derzeit ca. 1.400 Einwohnern im unterfränkischen Landkreis Würzburg an der Landesgrenze zu Baden-Württemberg (Kartenskizze 'Landkreis Würzburg', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Burg Aub – colorierter Holzschnitt, um 1525 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Die jüdische Gemeinde von Aub soll zu den ältesten im süddeutschen Raum zählen. Im 19.Jahrhundert stellten die jüdischen Familien des Ortes etwa ein Zehntel der Dorfbevölkerung
Bereits im 13.Jahrhundert, vermutlich aber schon früher, gab es in Aub eine jüdische Gemeinde. Die günstige Verkehrslage Aubs beförderte eine Ansiedlung jüdischer Handelsleute. Ihre Behausungen befanden sich unterhalb der Fronveste. Die kleine jüdische Gemeinschaft hatte zunächst unter Verfolgungen zu leiden, so wurde sie während der „Rintfleisch-Pogrome“ von 1298 und der „Armleder-Verfolgung“ von 1336 fast völlig ausgelöscht.
Zu den wertvollsten historischen Quellen Bayerns zählt das zu Beginn des 17.Jahrhunderts entstandene, gemeindeeigene Memorbuch. aus dessen Aufzeichnungen hervorgeht, dass die jüdischen Gemeinden der Umgebung während des Dreißigjährigen Krieges erneut besonders zu leiden hatten. Die jüdische Bevölkerung Aubs unterstand bis 1810 zwei Schutzherren; ein Teil war dem Deutschorden, der andere dem Würzburger Bischof untertänig. Nach Erstellung der Matrikellisten (1817) war 23 jüdischen Familien die Ansässigkeit im Orte zugestanden worden; alle jüdischen Haushalte bestritten ihren Lebensunterhalt von Handelsgeschäften mit dem Schwerpunkt Vieh- und Warenhandel.
Vom 16. bis ins beginnende 18.Jahrhundert war Aub Standort eines größeren Rabbinats mit einer Talmud-Hochschule, zu deren berühmtesten Vertretern der in Aub geborene Rabbiner Elieser Lippmann gehörte. Vermutlich war zeitweilig das Landesrabbinat Würzburg nach Aub verlegt worden - als Folge der judenfeindlichen Politik des Fürstbischofs Julius Echter.
Zu den frühen Einrichtungen der Gemeinde gehörten eine Synagoge (erstmals 1623 erwähnt), ein um 1630 angelegter Friedhof und eine Mikwe. Anfang der 1740er Jahre erzwang der deutsche Orden als Schutzherr einen Wechsel des Synagogenstandortes innerhalb seines Viertels. Um 1745 richtete die Judenschaft – in nur geringer Entfernung vom bisherigen Betraum – in einem bereits bestehenden Wohnhaus ihre neue Synagoge (mit einem Schulraum) in der „Unteren Judengasse“, der heutigen Neuertgasse, ein. Im Laufe ihres Bestehens erfuhr die Synagoge zahlreiche bauliche Veränderungen; sie wurde bis in die 1930er Jahre genutzt.
Thoravorhang (von 1669), Thoraschild u. Chanukkaleuchter (Abb. aus: Th. Harburger, Inventarisation jüdischer Kulturdenkmäler in Bayern)
Auch nach Errichtung der neuen Synagoge in der Neuertgasse wurde die dort befindliche Mikwe – sie wurde von einem kleinen Brunnen gespeist – weiterhin benutzt. Erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurde das Bad an die Gollach (unterhalb der Mühlstraße) verlegt. Eine Schächterei befand sich in der Oberen Judengasse.
Vermutlich erst nach Auflösung des Rabbinats stellte die jüdische Gemeinde einen Lehrer ein, der zugleich das Amt des Vorbeters und Schächters wahrnahm. Nachfolger des von 1830 bis 1848 tätigen Lehrers und späteren Wallersteiner Bezirksrabbiners David Weißkopf war der Lehrer Salomon Falk, der fast ein halbes Jahrhundert in Aub wirkte.
Stellenausschreibungen aus: "Bayerische Israelitische Gemeindezeitung" vom 13. Dez.1927 und 15.März 1936
Im 17.Jahrhundert wurden verstorbene Juden Aubs auf verschiedenen Friedhöfen des Umlandes begraben, so in Allersheim, Eibelstadt und Rödelsee. Der jüdische Friedhof des Ortes wurde dauerhaft erst ab 1700 genutzt; die erste Beerdigung erfolgte aber bereits 1631. Das Begräbnisgelände befand sich am Wallgraben außerhalb der ehemaligen Stadtmauer, am Harbachweg. Gegen Ende der 1880er Jahre legte die israelitische Gemeinde in unmittelbarer Nähe einen neuen Friedhof an, da das bislang genutzte Areal inzwischen belegt war. In die in den 1920er Jahren erstellte umlaufende Mauer wurden ca. 40 Grabsteine des alten Friedhofes eingefügt, nachdem das Areal aufgeschüttet und eingeebnet worden war; die Grabstätten verblieben unter der aufgefüllten Fläche.
Juden in Aub:
--- 1623 ......................... 10 jüdische Familien (ca. 50 Pers.),
--- 1742 .......................... 11 " " ,
--- um 1810 ................... ca. 20 " " ,
--- 1816 ......................... 103 Juden (ca. 10% d. Bevölk.),
--- 1837 ......................... 96 “ ,
--- 1867 ......................... 65 “ (ca. 7% d. Bevölk.),
--- 1880 ......................... 110 “ (ca. 9% d. Bevölk.),
--- 1890 ......................... 115 “ ,
--- 1900 ......................... 106 “ (ca. 9% d. Bevölk.),
--- 1910 ......................... 104 “ ,
--- 1925 ......................... 78 “ ,
--- 1932/33 ...................... 73 “ (in 25 Familien),
--- 1937 ..................... ca. 55 “ ,
--- 1939 (Jan.) .................. 23 “ ,
(Aug.) .................. keine.
Angaben aus: Jutta Sporck-Pfitzer, Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg, S. 55
und Synagogen-Gedenkband Bayern (Unterfranken), Band III/1, Mehr als Steine ..., S. 580
Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der hier ansässigen jüdischen Handelsfamilien und dem Zuzug weiterer - was auf Unmut der christlichen Bevölkerungsmehrheit stieß - gelangte die Auber Kultusgemeinde während der Zeit des Kaiserreiches zu Wohlstand und war die mit Abstand reichste der Region.
Viehhändler David Schönfärber (genannt „Hofjud“) u. Landwirt Johann Betz, 1926 (aus: alemannia.judaica.de)
Lehrstellenangebote der Eisenwarenhandlung Heimann (1891 - 1900 - 1904):
Die wirtschaftliche Situation der vom Vieh- und Einzelhandel lebenden Juden Aubs blieb - bis in die NS-Zeit hinein - relativ gut. Auch nach der NS-Machtübernahme kam es zunächst nicht zu ernsthaften Störungen; größere wirtschaftliche Schwierigkeiten, unter denen jüdische Geschäftsleute fast überall zu leiden hatten, soll es hier bis 1937 nicht gegeben haben.
Während des Novemberpogroms, dessen „Aktionen“ zentral von der SA im Landkreis Ochsenfurt gesteuert wurden, verwüsteten auswärtige SS- und SA-Angehörige die Auber Synagoge, zerstörten die Ritualgegenstände und verbrannten diese zusammen mit aufgefundenen Dokumenten auf der Straße. Danach wandten sich die marodierenden Trupps den Wohnungen der jüdischen Einwohner zu; Einrichtungen wurden demoliert, Bewohner geschlagen und ganze Familien ins örtliche Amtsgericht gebracht. Während Frauen und Kinder nach mehreren Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt wurden, brachte man die Männer ins Gefängnis von Ochsenfurt, wohin auch schon Juden anderer Ortschaften verschleppt worden waren.
Bis Ende Juli 1939 hatten alle jüdischen Einwohner Aubs ihren Heimatort verlassen. Während der kleinere Teil in die Emigration ging, verzog der größere in andere deutsche Städte, vor allem nach Würzburg, aber auch nach Frankfurt/M. und Neumarkt/Oberpfalz. Von hier aus wurden die meisten im Jahre 1942 deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden insgesamt 46 aus Aub stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/aub_synagoge.htm).
Im Sommer 1946 verurteilte das Landgericht Würzburg sechs Angeklagte wegen ihrer Beteiligung an den Ausschreitungen in Aub („schwerer Landfriedensbruch“) zu Haftstrafen von zwei Monaten bis zu einem Jahr.
Auf dem Gelände des alten jüdischen Friedhofs erinnert heute nur ein schlichtes Denkmal an die einstige jüdische Gemeinde von Aub; seine Inschrift lautet:
Zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde in Aub,
deren älteste Begräbnisstätte sich hier seit 1632 befindet.
November 1988 Stadt Aub
Der (neue) jüdische Friedhof (am Harbachweg) weist etwa 100 Grabstätten auf, die in drei Reihen angelegt sind.
Friedhofsmauer mit alten Grabsteinen (Aufn. J. Hahn, 2003) und Ansicht des jüdischen Friedhofs (Aufn. Tilmann, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Das mehrfach umgebaute (alte) Synagogengebäude (Hauptstraße) wurde über die Zeiten hinweg als Wohnhaus genutzt; um 2010 war es bereits in einem baufälligen Zustand, derzeit droht es einzustürzen. Im Rahmen eines kommunalen Denkmalkonzeptes will man das Gebäude erhalten und möglicherweise einer musealen Nutzung zuführen (Stand 2021). Zudem ist auch angedacht, im lokalen Spitalmuseum jüdische Geschichte der Stadt darzustellen.
Ehem. altes Synagogengebäude (Aufn. J. Hahn, 2003 und Tilman, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
ehem. neues Synagogengebäude, Neuertgasse (Aufn. J. Hahn, 2003)
Die heutige "Judengasse" weist mit ihrem Namen auf die einst hier lebenden jüdischen Bewohner hin.
Eine vermutlich aus dem hohen Mittelalter stammende Mikwe ist jüngst entdeckt worden und soll in naher Zukunft ganz freigelegt werden, wenn die dafür benötigten Fördermittel zur Verfügung stehen. Das Ritualbad im hinteren Teil des historischen Synagogengebäudes (in der Neuertgasse) liegt in acht Meter Tiefe, zu dem 30 schmale Stufen hinabführen.
freigelegter Abgang zur Mikwe (Aufn. H.-Chr. Haas, 2019)
Mit ca. 20 sog. „Stolpersteinen“ wird seit 2010 an die jüdischen Bewohner Aubs erinnert, die Opfer der NS-Verfolgung geworden sind.
verlegt in der Harbacher Straße und am Marktplatz (alle Aufn. W., 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Die Stadt Aub beteiligt sich - wie zahlreiche andere Kommunen auch - mit einer Gepäck-Skulptur am unterfränkischen Projekt „DenkOrt – Deportationen 1941-1944“. Neben dem in der Würzburger Gedenkstätte aufgestellten Koffer ist eine Doublette am Auber Schloss (früher Sitz des Amtsgerichts) zu finden – an dem Ort, an dem während der Pogromnacht jüdische Bürger festgehalten wurden, um dann von hier ins Gefängnis nach Ochsenfurt überstellt zu werden.
"Gepäckstück-Skulptur" (Aufn. Robert Melber, 2020)
Aus Aub stammte Maurice Weiskopf (geb. 1836), der mehr als sieben Jahrzehnte als Rabbiner tätig war und bis zu seinem Tode dieses Amt in der orthodoxen Gemeinde in Paris ausübte. Anlässlich seines 100. Geburtstages wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30.Jan. 1936
Weitere Informationen:
Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 260/261
Jutta Sporck-Pfitzer, Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg, Hrg. Landkreis Würzburg, Echter-Verlag, Würzburg 1988, S. 53 - 55
Georg Pfeuffer, Wirtschaftliche, soziale und religiöse Untersuchungen über die jüdische Gemeinde Aub im Zeitalter der Emanzipationsgesetzgebung, Würzburg 1991
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 36 - 38
Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Aub, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 8.Jg., No. 60/1993, S. 18
Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 24 - 28
Georg Pfeuffer, Die jüdische Gemeinde von Aub, in: "Auber Geschichtsblätter - Beiträge zur Auber Stadtgeschichte", 1.Jg., No. 9
Aub (Bayern), in: alemannia-judaica.de (mit detaillierten Informationen und Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Jüdischer Friedhof in Aub, in: alemannia-judaica.de
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Bd. 13, Würzburg 2008, S. 229/230
Hannelore Grimm (Red.), Auf dem Marktplatz werden Stolpersteine verlegt, in: „Main-Post“ vom 22.1.2010
Spuren jüdischer Geschichte in Stadt und Landkreis Würzburg. Ein Wegweiser für junge Leute, hrg. vom Landkreis Würzburg 2013, S. 18 – 27
Axel Töllner/Hans-Christof Haas (Bearb.), Aub, in: W.Kraus/H.-Chr.Dittscheid/G.Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine ... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1 (Unterfranken), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2015, S. 561 - 584
Haus der Bayrischen Geschichte (Hrg.), Aub, in: Jüdisches Leben in Bayern, online abrufbar unter: hdbg.eu/juedisches_leben/synagoge/aub/44
Auflistung der in Aub verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Aub
Alfred Gehring (Red.), Alte Synagoge droht einzustürzen, in: “Main-Post” vom 4.3.2021
Alfred Gehring (Red.), Funde aus der örtlichen jüdischen Genisa bei Ausstellung “Abgelegt” in Aub, in: “Fränkische Nachrichten” vom 28.6.2021
Alfred Gehring (Red.), Alte Synagoge notsichern und möglichst erhalten, in: “Main-Post” vom 4.8.2021
Alfred Gehring (Red.), Themenwoche zum Jubiläumsjahr 1700 Jahre jüdisches Leben, in: “Main-Post” vom 6.10.2021
Alfred Gehring (Red.), Von überregionaler Bedeutung? Mikwe in der alten Synagoge in Aub stammt möglicherweise aus dem 12.Jahrhundert, in: “Main-Post” vom 25.1.2023
Alfred Gehring (Red.), Auber Stadtrat beschließt Projektkonzept zur Vermittlung jüdischer Geschichte, in: “Main-Post” vom 2.5.2023
Iris Tsakiridis (Red.), Synagoge in Aub: Jüdische Geschichte soll erlebbar werden, in: BR24 vom 30.6.2024
Alfred Gehring (Red.), Spitalmuseum dokumentiert künftig auch die jüdische Geschichte in Aub, in: „Main-Post“ vom 3.7.2024
Anna-Lena Behnke (Red.), „Wie ein riesiges 3D-Puzzle“: Archäologe birgt in Auber Synagoge ungeahnte Schätze, in: „Main-Post“ vom 3.8.2024