Bad Godesberg (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Drachenfels.jpgStadtdekanat Bonn | Katholische Kirche | Erzbistum KölnBad Godesberg mit seinen derzeit ca. 74.000 Einwohnern ist heute einer der vier Stadtbezirke von Bonn (Ausschnitt aus hist. Karte um 1655, aus: wiki-de.genealogy.net und aktuelle Stadtteilkarte Bonn, Karte aus: erzbistum-koeln.de).

 

Vereinzelt haben sich bereits im Laufe des 17.Jahrhunderts jüdische Familien in und um Godesberg angesiedelt. Seit dem beginnenden 19.Jahrhundert nutzte die kleine orthodoxe Landgemeinde einen Betraum in einem Privathaus in der Hüttenstraße. Ein eigenes, schlichtes Synagogengebäude - versteckt hinter Häusern der Koblenzer Straße gelegen - konnte dann im Sommer 1850 in der Judengasse, der heutigen Oststraße, eingeweiht werden; es verfügte über 90 Plätze.

Bad Godesberg Oststraße Synagoge Zeichnung 1905.jpgPogrom-Gedenken 2019 in Bad Godesberg - Erlöser-Kirchengemeinde Bad  GodesbergSynagoge, Zeichnung von 1905 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Anfangs zählten die Godesberger Juden zur Synagogengemeinde Bonn. Wegen der nicht mitgetragenen Reformbestrebungen trennten sich die Juden Godesbergs aber schließlich von Bonn und bildeten ab 1875 die autonome Kultusgemeinde Godesberg-Mehlem. Ihr gehörten auch die Juden aus Friesdorf und Muffendorf an.

Zu den ältesten Einrichtungen der Godesberger Judenschaft zählte ihr Friedhof, der am Osthang der Godesburg lag und bis gegen Ende des 19.Jahrhunderts genutzt wurde. Danach stand eine kleine, an den allgemeinen Friedhof angrenzende Bestattungsfläche zur Verfügung.

Juden in (Bad) Godesberg:

         --- 1828 ..........................  60 Juden,*       * Bürgermeisterei

    --- 1871 .......................... 124   “  ,*

             ..........................  66   “  ,**      ** Godesberg

    --- 1905 ..........................  97   “  ,***     *** Synagogengemeinde

    --- 1925 ...................... ca. 140   "  ,***

    --- 1933 .......................... 122   “  ,***                             

             ..........................  94   “  ,**

    --- 1939 ..........................  82   “  ,***

    --- 1942 (Dez.) ...................  keine.

Angaben aus: Herbert Weffer, Die jüdischen Gemeinden im Bereich des heutigen Stadtkreises Bonn vor 1945

und                 Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil 1: Reg.bez. Köln, S. 468

http://vhh-badgodesberg.de/wp-content/uploads/2016/03/rheinprom-e1467715586982.jpg Godesberg (Aufn. um 1905, aus: vhh-badgodesberg.de/geschichte)

 

Die Mitglieder der Synagogengemeinde Godesberg-Mehlem - im Oktober 1925 hatte ihre Anzahl 140 Personen betragen - schienen weitgehend in die katholisch geprägte, oft noch dörfliche Gesellschaft integriert gewesen zu sein. Die alteingesessenen Juden waren meist Metzger oder Viehhändler und hatten es hier zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Um die Jahrhundertwende zogen - angelockt vom Ruf Godesbergs als attraktivem Wohnort - etliche wohlhabende Juden zu; sie konnten sich offenbar gut in die bestehende Gemeinde integrieren. Die kleine jüdische Gemeinde war inzwischen stark gealtert, die Zahl ihrer Mitglieder sank seit 1925 trotz gelegentlicher Zuzüge ständig. Der erste gewaltsame Tod eines Godesberger Juden, des Metzgermeisters Josef Levy, geschah bereits im Sommer 1935, als ein SA-Trupp sich vor dessen Geschäft in der Meckenheimer Straße zusammenrottete und ins Haus eindrang. Am nächsten Morgen fand man den tödlich verletzten Mann. Das Geschehen ist nie aufgeklärt worden, offiziell wurde damals Selbstmord angegeben.*

* Auslöser für den gewaltsamen Übergriff auf Josef Levy war dessen öffentliche Erklärung - angesichts der in den Ringsdorff-Werken aushängenden Transparenten mit Parolen zum Boykott jüdischer Geschäfte – , dass er seine Freunde in den Niederlanden auffordern werde, keine Ringsdorff-Produkte mehr zu kaufen.

Am 10.November 1939 wurde die Godesberger Synagoge von auswärtigen (?) NS-Brandstiftern zerstört; die Feuerwehr beschränkte sich darauf, ein Übergreifen des Feuers auf die Nachbarhäuser zu vermeiden. Die Ruine soll bald darauf abgetragen worden sein.

Bei der „spontanen Erhebung“ wurden auch einige Geschäfte jüdischer Eigentümer zum Ziel von Anschlägen. Von den im September 1938 noch bestehenden 14 jüdischen Gewerbebetrieben existierte im Februar 1939 nur noch die Firma Oskar Wolff, die zum 1. Juli 1939 ebenfalls schließen musste. Den allermeisten Juden Godesbergs gelang noch rechtzeitig ihre Emigration.

Anfang April 1941 wurde im Benediktiner-Kloster „Zur Ewigen Anbetung” in Bonn-Endenich, das die Nonnen auf Befehl der Gestapo innerhalb weniger Stunden räumen mussten, ein provisorisches Sammellager für Juden aus Bonn und Umgebung eingerichtet. Über das ‚Zwischenlager’ Köln folgte dann ihre Deportation in die „Lager des Ostens“. Im Juli 1942 wurde das Bonner Sammellager aufgelöst; der letzte Transport verließ die Stadt am 27.Juli 1942 in Richtung Theresienstadt. Von den Deportationen wurden insgesamt 32 Godesberger Juden erfasst.

Die noch in Godesberg verbliebenen Juden, die in einer „privilegierten Mischehe“ lebten, blieben bis September 1944 relativ unbehelligt, ehe sie dann festgenommen und nach Köln-Müngersdorf gebracht wurden; von dort verschleppte man sie in Arbeitslager nach Hessen.

 

Seit 1985 erinnert eine Gedenktafel an den einstigen Standort der Godesberger Synagoge, ihr Text lautet:

Nahe dieser Stelle stand die SYNAGOGE

Sie wurde um 1840 erbaut und bei den nationalsozialistischen Gewalttaten

gegen unsere jüdischen Mitbürger am 10.November 1938 zerstört.

Bei einer nahe dem Burgfriedhof gelegenen Jüdischen Gedenkstätte im Ännchenweg, auf der sich ca. 35 Grabsteine befinden, handelt es sich nicht um einen „echten“ Friedhof, da diese Grabsteine erst nach 1945 am Fuße des Godesbergs entdeckt und dort aufgestellt wurden. Seit 1998 erinnert hier ein Gedenkstein an die Opfer der Shoa.

 Jüdische Gedenkstätte (Aufn. E., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Nachdem der jüdische Friedhof am Burgberg nicht mehr genutzt werden durfte, erhielt die Gemeinde ein Begräbnisgelände innerhalb der kommunalen Friedhofs zugewiesen.

jüdisches Begräbnisfeld (Aufn. Reinhard Hauke, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

2002 wurde in Bad Godesberg und Mehlem mit der Verlegung von sog. „Stolpersteinen“ begonnen, inzwischen zählt man in den Straßen der Innenstadt Bad Godesbergs ca. 60 messingfarbene Gedenkquader (Stand 2023).

 Stolpersteins Max Isaak, Sara Isaak Friesdorfer Straße 92 Bonn.JPGStolpersteins Frieda Daniel, Jeanette Daniel, Josef Daniel Friesdorfer Straße 90 Bonn.JPGStolpersteins Lina Israel Paula Nachmann Friesdorfer Straße 92 Bonn.JPG Stolperstein Rosa Rosenthal Rüngsdorfer Straße 4c Bonn.JPG

verlegt in der Friesdorfer Straße, Rüngsdorfer Straße u. Alte Bahnhofstraße (Aufn. Josef Schugt, aus: wikipedia.org, CC BY 4.0)

 

 

Im Bonner Stadtteil Mehlem existierte auch eine kleine jüdische Gemeinschaft, die sich in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts gebildet hatte und als Filialgemeinde der Godesberger Kultusgemeinde angeschlossen war. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden in einer eigenen Synagoge in der Meckenheimer Straße statt, die 1874 eingeweiht worden war. Auch ein eigener  Begräbnisplatz war vorhanden.

Friedhof in Mehlem (Aufn. Reinhardhauke, 2011, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auf dem ca. 1.250 m² großen Begräbnisgelände findet man heute noch ca. 45 Grabsteine.

Versuche der Mehlemer Juden, sich von der Muttergemeinde zu lösen und Autonomie zu erreichen, scheiterten aber. Wegen rückläufiger Zahlen der Gemeindemitglieder wurde ab Ende der 1920er Jahre die Synagoge nicht mehr benutzt, und die in Mehlem verbliebenen Juden besuchten nun die Gottesdienste in Godesberg.

Eines der ersten jüdischen Opfer in Mehlem war der Metzgermeister Josef Levy, der von SS-Angehörigen in seinem Betrieb erhängt wurde.

Während des Novemberpogroms wurde die Mehlemer Synagoge in Brand gesteckt und brannte völlig nieder.

Eine Gedenktafel erinnert heute mit folgenden Worten an das Geschehen:

Zum Gedenken an alle durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verfolgten, vertriebenen und ermordeten jüdischen Bürger und an die hier 1875 eingeweihte,

am 10.November 1938 zerstörte Synagoge.

 Auch in Mehlem wurden einige „Stolpersteine“ verlegt, so in der Meckenheimer Straße und Siegfriedstraße.

Stolperstein Josef Levy, Ernestine Levy, Karl Levy, Meckenheimer Straße 30, Bonn.JPGStolperstein Rosa Levy, Siegfriedstraße 13, Bonn.JPG Aufn. Schugt 2015, aus: wikipedia.org, CC BY 4.0

 

[vgl. Bonn (Nordrhein-Westfalen)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Otto Neugebauer, Der Pogrom vom 10.November 1938, in: "Bonner Geschichtsblätter 1965", S. 200 f.

Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ...", Band 12, Verlag L.Schwann Düsseldorf 1972, S. 84 - 86

Herbert Weffer, Die jüdischen Gemeinden im Bereich des heutigen Stadtkreises Bonn vor 1945, in: H. Linn/ u.a., Juden an Rhein und Sieg, Hrg. Rhein-Sieg-Kreis, Verlag Franz Schmitt, Siegburg 1983, S. 358 ff.

Michael J. Wieseler, Die Reform der Synagogengemeinde Bonn im ersten Jahrzehnt der Kaiserzeit, in: D.Höroldt/M.v. Rey (Hrg.), Bonn in der Kaiserzeit 1871 - 1914. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins, Bonn 1986

Jürgen Küpper, Jüdische Schicksale in Bad Godesberg 1933 – 1945, in: "Godesberger Heimatblätter", 33/1995, S. 5 - 11

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil 1: Regierungsbezirk Köln, J.P. Bachem Verlag Köln 1997, S. 486 - 488

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag Bochum 1999, S. 23

Dan Bondy, Die jüdischen Grabsteine am Fuße des Godesberges - Dokumentation der Inschriften, in: "Godesberger Heimatblätter", No. 29/2001, S. 5 - 39

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 71/72

Norbert Schloßmacher, Weitere Stolpersteine in Bad Godesberg, in: "Godesberger Heimatblätter", No. 31/2003, S. 178

Erhard Stang (Red.), „ … keine Todesfälle von Einwohnern jüdischen Glaubens“. Der Mord an den Godesberger Juden 1933 – 1945, Hrg. Bonner Geschichtswerkstatt, online abrufbar unter: bonner-geschichtswerkstatt.de

Norbert Schloßmacher, Stolpersteine 2007 bis 2009 - Gedenken an ..., in: "Godesberger Heimatblätter", No. 47/2009, S. 127

Benjamin O‘Daniel (Red.), Mehlem: Fundstück aus der jüdischen Geschichte, in: „General-Anzeiger“ vom 7.4.2010

Harald Uhl, Der jüdische Friedhof in Mehlem, Hrg. Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg, in: "Godesberger Heimatblätter", No. 48/2010, S. 5 – 52

Harald Uhl, Jüdische Gräber auf dem Burgfriedhof in Bad Godesberg, Hrg. Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg, in: „Godesberger Heimatbätter", No. 53/2015, S. 52 - 90

Josef Schugt (Bearb.), Stolpersteine in Bonn, online abrufbar unter: wikimedia.org (2016)

Ebba Hagenberg-Miliu (Red.), Altes Foto zeigt vermutlich abgebrannte Godesberger Synagoge, in: „General-Anzeiger“ vom 7.11.2017

Nina Ens (Red.), Stolpersteine - Rundgang in Bad Godesberg erinnert an jüdisches Leben, in: „Bonner Rundschau“ vom 18.2.2018

Niklas Schröder (Red.), Erinnerung an Synagoge. Beschwerde über Zustand des Mahnmals in Mehlem, in: „General-Anzeiger“ vom 13.3.2019

N.N. (Red.), Zur bleibenden Erinnerung. Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus, in: „Blickpunkt Schaufenster“ vom 3.2.202

Ebba Hagenberg-Miliu (Red.), Stolpersteine. Wie eine Familie aus Bad Godesberg Opfer der Nazis wurde, in: „General-Anzeiger“ vom 13.3.2020

Alfred Schmelzeisen (Red.), Stolpersteine in Bad Godesberg verlegt – Erschütternde Schicksale, in: „Rheinische Anzeigenblätter“ vom 8.2.2022

Ebba Hagenberg-Miliu (Red.), Ein Stolperstein für die Familie Lesser – Sie retteten ihr nacktes Leben, in: „General-Anzeiger“ vom 10.11.2023