Bad Oeynhausen (Nordrhein-Westfalen)

Kartengalerie Datei:Bad Oeynhausen in MI.svg Bad Oeynhausen ist ein derzeit ca. 49.000 Einwohner zählender Kurort im Nordosten Westfalens – knapp 40 Kilometer nordöstlich von Bielefeld bzw. nahe Herfords gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: geoportal.kreis-herford.de und Kartenskizze 'Kreis Herford', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Eine autonome Kultusgemeinde gab es in Bad Oeynhausen zu keiner Zeit; die hier lebenden Juden gehörten der Synagogengemeinde Vlotho an.

Die ab Mitte des 19.Jahrhunderts in der aufstrebenden Bäderstadt sich ansiedelnden jüdischen Familien zählten zum liberalen jüdischen Bürgertum. Zu den ersten Juden, die sich hier niederließen, gehörten Ärzte, die im Heilbad arbeiteten.

Bis zur Anmietung eines eigenen Betsaals suchten die ortsansässigen als auch die jüdischen Kurgäste die Synagoge in Vlotho auf. Ein kleiner Betraum wurde Ende der 1850er Jahre in der Mindener Straße eingerichtet, später verlegt in die Kandidatenschule bzw. in die Heinrichstraße.

Einige Jahre später wurde es allerdings aufgegeben. Bis in die 1890er Jahre hat im Kurort an verschiedenen Stellen kurzzeitig einen Betraum existiert. Seit den 1920er Jahren gab es dann wieder einen Synagogenraum in der Hermann-Straße, und ab 1922 wurde auch ein Raum im „Hotel Frank“ als gottesdienstlicher Versammlungsort genutzt. Zu Beginn der 1930er Jahre suchte man dann wieder die Vlothoer Synagoge auf.

Für die jüdischen Kurgäste gab es Lokale mit koscherer Küche.

Verstorbene Juden Bad Oeynhausens bzw. in der Bäderstadt verstorbene Kurgäste wurden auf dem neuen jüdischen Friedhof in Vlotho beerdigt.

Juden in Bad Oeynhausen:

--- um 1860 ..................... ca. 50 Juden,

--- 1871 ...........................  65   “  ,

--- um 1900 ..................... ca. 70   “  ,

--- 1925 ........................ ca. 70   “  ,

--- 1933 (Juni) ..................... 75   “  ,

--- 1942 (Dez.) ..................... keine.

Angaben aus: Gerhard Lietz, Chronik der Stadt Bad Oeynhausen 1910 - 1972, S. 89

und                 Heike Plaß (Bearb.), Bad Oeynhausen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen …, S. 195

Bad Oeynhausen, Nordrhein-Westfalen - Bahnhofstraße mit Blick nach der Lohe (Zeno Ansichtskarten).jpg Bad Oeynhausen, um 1910 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)

 

Anfang der 1930er Jahre lebten in Bad Oeynhausen etwa 70 bis 80 Bürger jüdischen Glaubens, die nun - wie Juden überall in Deutschland – unter den Diskriminierungen des NS-Staates zu leiden hatten. Waren es zunächst ‚nur’ Berufsverbote und eine zunehmende Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben, so erreichten die NS-Maßnahmen während des Novemberpogroms auch hier einen ersten gewalttätigen Höhepunkt.

Auch in Bad Oeynhausen fand eine "Aktion" statt. Die lokale Publikation „Anzeiger & Tageblatt” vom 11.Nov. 1938 berichtete:

Die empörte Volksseele schaffte sich Luft

Als die Nachricht vom Tode des deutschen Diplomaten vom Rath in Paris bekannt wurde, den eine jüdische Mörderhand hingestreckt hat, machte sich die Empörung gegen das Judentum und seine Umtriebe in massiver Form Luft. Das Korsettgeschäft Os in der Paul-Baehr-Straße wurde dabei besonders vorgenommen. Im Laufe des gestrigen Tages wurden sämtliche Juden zum Rathaus vorgeladen und dahin abgeführt. Bis auf einen, Berlinger, sind sie wieder entlassen worden. Ebenfalls wurde gestern eine Haussuchung nach Waffen in jüdischen Wohnungen durchgeführt.

1942 wurden 21 Juden* aus Bad Oeynhausen deportiert, fast alle wurden ermordet.

*Nach anderen Angaben sollen ca. 50 Menschen verschleppt worden sein.

 

Vor der evang. Auferstehungskirche in der Bad Oeynhauser Altstadt erinnert seit 2002 ein Gedenkbrunnen an jene jüdischen Bürger der Kurstadt, die während der NS-Zeit verfolgt und ermordet wurden. In den stählernen Davidstern, der den Boden des Brunnens ziert, ist ein Wort des Propheten Amos eingraviert: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.”

Bereits 1984 wurde die Marthastraße zur Erinnerung an den ehemaligen Badearzt in Dr.-Louis-Lehmann-Straße umbenannt.

Stolpersteine Weststraße.jpg 2010 wurde in der Parkstraße Oeynhausens der erste sog. „Stolperstein“ für Max Grunsfeld verlegt. In der Folgezeit fanden weitere Verlegungen statt, so u.a. auch in der Wiesenstraße und Weststraße (Abb. Hiddenhauser, 2018, aus: wikipedia.org, CCO). Inzwischen findet man an zwölf Standorten in den Gehwegen der Stadt insgesamt ca. 55 messingfarbene Gedenkquader, die zumeist an Angehörige jüdischer Familien erinnern (Stand 2023).

Stolperstein Adolf Wolf.jpgStolperstein Thekla Wolf.jpgStolperstein Wilhelm Wolf.jpgStolperstein Liebmann Wolf.jpg verlegt in der Bahnhofstraße 

Stolpersteine Familie Gans-Frank.jpgStolpersteine Familie Berlinger.jpgStolpersteine Familie Vorreuter.jpg

verlegt in der Herforder Straße, Wiesenstraße und Kaiserstraße (alle Aufn. Uwe Rohwedder, 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

In Löhne – nur wenige Kilometer westlich von Bad Oeynhausen – wurden 2016 die ersten vier sog. „Stolpersteine“ für jüdische und nicht-jüdische Opfer der NS-Herrschaft verlegt; im Jahr darauf folgten weitere vier Steine, die Menschen gewidmet sind, die der "Euthanasie" zum Opfer fielen. Eine jüdische Gemeinde hat es in der Kleinstadt zu keiner Zeit gegeben.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Baehr, Chronik von Bad Oeynhausen 1860 - 1909, Bad Oeynhausen 1909, S. 160/161

Gerhard Lietz, Chronik der Stadt Bad Oeynhausen 1910 - 1972, Bad Oeynhausen 1979, S. 89 - 96

Juden in Bad Oeynhausen, in: "Schriftenreihe der Volkshochschule der Stadt Bad Oeynhausen", 7.Jg., 7/1994 (beinhaltet vor allem Einzelschicksale)

Elke Niedringhaus-Haasper (Red.), Bad Oeynhausen – Kurstadt ohne Juden. Stadtarchivar Rico Quaschny hat Frank Bajohr bei Spurensuche geholfen, in: "Bad Oeynhausener Kurier - Neue Westfälische" vom 9.11.2006

26 Juden deportiert - 70 Jahre nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, in: "Bad Oeynhausener Kurier - Neue Westfälische" vom 8.11.2008

Heike Plaß (Bearb.), Bad Oeynhausen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 192 - 198

Sina Wollgramm (Red.), Über die Geschichte stolpern – Acht Stolpersteine zum Gedenken der jüdischen Familien Frank und Rosenbaum, in: „Neue Westfälische“ vom 2.3.2015

Stolpersteine für Bad Oeynhausen e.V. (Hrg.), Informationen über das im Ort durchgeführte Projekt "Stolpersteine", online abrufbar unter: stolpersteine-badoeyhausen.de#

Auflistung der in Bad Oeynhausen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Oeynhausen

Louis Ruthe (Red.), Weißen Fleck in Geschichte schließen – Gunter Demnig verlegt erste Stolpetrsteine in Löhne, in: „Westfalen Blatt“ vom 21.11.2016

Susanne Barth (Red.), Künstler Gunter Demnig verlegt weitere vier Stolpersteine in Löhne, in: „NW - Neue Westfälische“ vom 23.11.2017

Auflistung der in Löhne verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Löhne

Elke Niedringhaus-Haasper (Red.), Bad Oeynhausen: Spurensuche für fünf Stolpersteine, in: „NW - Neue Westfälische“ vom 14.12.2017

Noah Matzat (Red.), Hier werden die vorerst letzten Stolpersteine in Bad Oeynhausen verlegt, in: „NW – Neue Westfälische“ vom 10.12.2019

Ulf Hanke (Red.), Der Verein Stolpersteine Bad Oeynhausen stellt sich neu auf, in: „NW- Neue Westfälische“ vom 12.2.2023