Bischofsburg (Ermland/Ostpreußen)
Das Landstädtchen Bischofsburg im Kreis Rößel - ca. 45 Kilometer östlich von Allenstein - kam nach 1945 unter polnische Verwaltung und gehört heute als Biskupiec* (Woiwodschaft Olsztyn) mit derzeit ca. 10.500 Einwohnern zum polnischen Staatsgebiet (Ausschnitt aus hist. Landkarte des Kreises Rößel, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Biskupiec markiert, aus: mapa.livecity.pl).
* Anm.: Biskupiec - Ort gleichen Namens – steht auch für Bischofswerder (ehem. Westpreußen).
Die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Bischofsburg lassen sich zeitlich nicht eindeutig bestimmen; vermutlich erfolgte die erste jüdische Besiedlung hier erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts. Ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte die Gemeinde in den 1880er Jahren mit fast 200 Angehörigen und stellte damit ca. 4% der Einwohnerschaft; die meisten der hier lebenden Kaufmannsfamilien waren recht wohlhabend.
Die um 1835/1840 schon knapp 100 Angehörige zählende Gemeinde – die offizielle Gemeindegründung erfolgte aber erst 1847 - besaß zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits eine Synagoge (in der Lindenstraße); zuletzt befand sich ihr Betraum in einem Gebäude am Marktplatz, im Hotel „Bischofsburger Hof“.
Als Friedhofsgelände verfügte die Gemeinde seit den 1840er Jahren über ein außerhalb des Städtchens liegendes Areal an der Landstraße nach Bredinken (Bredynki).
Juden in Bischofsburg:
--- 1835 ........................ 84 Juden,
--- 1846 ........................ 111 “ ,
--- 1858 ........................ 98 " ,
--- 1871 ........................ 134 “ (3,5% d. Bevölk.),
--- 1880 .................... ca. 190 “ ,* * andere Angabe: 133 Pers.,
--- 1890 ........................ 116 " ,
--- 1895 ........................ 100 “ ,
--- 1900 ........................ 107 “ ,
--- 1905 ........................ 54 “ ,* * andere Angabe: 79 Pers.
--- 1910 ........................ 66 “ ,
--- 1925 ........................ 39 “ ,
--- 1933 ........................ 20 “ ,
--- 1938 ........................ 5 “ .
Angaben aus: Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland - Ihr Schicksal nach 1933, S. 108
Zwischen den Konfessionen soll in Bischofsburg über lange Zeit ein gutes Verhältnis bestanden haben, zu engeren persönlich-familiären Kontakten kam es aber nicht.
Marktplatz Bischofsburg, Postkarte um 1930 (aus: akpool.de)
In der Zwischenkriegszeit befanden sich die meisten jüdischen Geschäfte am Marktplatz. Von größerer Bedeutung waren damals die Textilgeschäfte von M. Frankenstein und Magnus Weinberg; letzteres Geschäft übernahmen später Eugen Petzall und dessen Schwiegersohn Alexander Hirschfeld. Daneben gab es Geschäfte verschiedener Branchen, so das Schuhgeschäft von Louis Berkowitz, Glas- und Porzellanwaren von Max Alexander, Kosmetikartikel von Alfred Elias; Markus Löwe handelte in der Hindenburgstraße mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen; ebenfalls dort befand sich der Stoffladen „Meyer & Libowski”. Tobias Zack handelte mit Lederwaren in der Ringstraße.
Bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts begann die Abwanderung jüdischer Familien aus Bischofsburg in größere Städte; nach Ende des Ersten Weltkrieges setzte sie sich verstärkt fort. Anfang der 1930er Jahren lebten nur noch ca. 20 Personen mosaischen Glaubens in der Stadt.
Nach der NS-Machtübernahme führte die ständige antijüdische Hetze zu einer Verschlechterung des bislang problemlosen Zusammenlebens. Eine erste sichtbare Aktion gegen von Juden bewohnte Häuser fand im Jahre 1936 statt: Antisemitische Parolen wurden auf die Wände geschmiert, zudem drang ein Täter in den Betraum der jüdischen Gemeinde ein, zerschlug Inventar und legte Feuer, das aber von Passanten gelöscht werden konnte. Auch zu Misshandlungen einzelner jüdischer Einwohner soll es damals gekommen sein.
Bereits 1937 erhielten alle jüdischen Einwohner des Kreises Rößel die schriftliche Aufforderung, ihren Besitz zu verkaufen und bis Ende September 1937 das Kreisgebiet zu verlassen. Die Auflage zu diesem Zeitpunkt wich von den „üblichen“ antijüdischen Maßnahmen ab. Da fast alle Juden dem Erlass Folge leisteten und den Kreis Rößel verließen, war die spätere Zahl der jüdischen Verfolgungsopfer hier äußerst gering.
1938 wurde der jüdische Friedhof von HJ-Angehörigen geschändet und teilzerstört, ein Teil der Friedhofsmauer gesprengt.
Heute sind keine sichtbaren Spuren ehemaligen jüdischen Lebens mehr in der Stadt vorhanden. Auch der jüdische Friedhof ist heute nicht mehr als solcher erkennbar, da keine Grabsteine bzw. -relikte mehr zu finden sind und das Gelände völlig von der Vegetation überwuchert ist.
Weitere Informationen:
R. Teichert, Geschichte der Stadt Bischofsburg, o.O. 1934
Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland - Ihr Schicksal nach 1933, in: "Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands", Beiheft 10/1991, Münster 1991, S. 107 - 111
Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland, in: M.Brocke/M.Heitmann/H.Lordick (Hrg.), Zur Geschichte und Kultur der Juden in Ost- und Westpreußen, Georg Olms Verlag, Hildesheim/u.a. 2000, S. 87 ff.
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 152
Heinrich Ehlert, Bischofsburg, in: bischofsburg.de (Anm. Sammlung von Informationen zur Geschichte der Stadt Bischofsburg)
Aloys Sommerfeld (Bearb.), Die Jüdische Gemeinde in Bischofsburg, online abrufbar unter: bischofsburg.de/stadtgeschichte/juden.htm (Anm. mit Verzeichnis der Juden von Bischofsburg und ihr Schicksal)
Biskupiec, in: sztetl.org.pl