Blomberg (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Blomberg in LIP.svg Blomberg mit derzeit mehr ca. 15.000 Einwohnern ist eine Stadt in Ostwestfalen-Lippe – ca. 45 Kilometer südöstlich von Bielefeld bzw. ca. 20 Kilometer östlich von Detmold gelegen (hist. Karte von Lippe, aus: wikiwand.com/de/Landratsamt_Blomberg  und  Kartenskizze 'Kreis Lippe', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Blomberg um 1870 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Die Juden Blombergs bildeten innerhalb der Kleinstadtbevölkerung stets nur eine verschwindend kleine Minderheit. Ab Ende des 16./Anfang des 17.Jahrhunderts hatten sich wenige jüdische Familien unter dem Schutz des Landesherrn - gegen Zahlung regelmäßiger Gelder - hier niedergelassen, doch bereits 1614 wurden sie wieder aus den lippischen Gebieten vertrieben.

Erneute Versuche der Landesherrschaft, Juden anzusiedeln, stießen immer wieder auf den Widerstand der hiesigen Kaufmannschaft, die um ihre wirtschaftlichen Interessen fürchtete. Letztlich setzte sich aber der lippische Graf durch, indem er Schutzbriefe ausstellte und ab den 1660er Jahren Juden in Blomberg wohnen ließ. Dies hinderte aber den Blomberger Rat nicht, den nun hier ansässigen Juden das Leben so schwer wie möglich zu machen. Im Laufe des 18.Jahrhunderts bildete sich eine kleine Gemeinde; sie gab sich 1783 eine Synagogenordnung - wohl die ältest erhaltene einer lippischen Gemeinde. Nach dem Emanzipationsgesetz von 1858 konstituierte sich die Blomberg-Cappelsche Synagogengemeinde, die sich im Jahre 1880 spaltete. 1905 wurden die wenigen Juden Cappels der Blomberger Gemeinde angeschlossen.

Zunächst hielten die Blomberger Juden ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte in häufig wechselnden Wohnungen ab, ehe schließlich ein 1808 errichtetes Fachwerkgebäude „Im Siebenbürgen“ zur neuen Heimstatt des Betsaales wurde. Im rückwärtigen Teil lag der Betsaal, im Zwischengeschoss die Frauenempore und im Erdgeschoss befand sich eine kleine Mietwohnung.

Wegen der sinkenden Zahl der Gemeindemitglieder wurde die Synagoge zu Beginn des 20.Jahrhunderts aufgegeben, und die wenigen verbliebenen Blomberger Juden nahmen nun an den Gottesdiensten in anderen Gemeinden, wie Detmold, Bad Pyrmont oder Lemgo teil.

Nach der Schließung des jüdischen Friedhofs an der Heutorstraße/Rosenstraße (um 1895) wurde der hiesigen Judenschaft ein Bestattungsgelände an der heutigen Reinickendorfer Straße (im "Heitheckschen Garten") zugewiesen.

Juden in Blomberg:

    --- 1614 ...........................  3 jüdische Familien,

    --- 1722 ...........................  6     “       “    ,

    --- 1766 ........................... 11     “       “   (ca. 70 Pers.),

    --- 1801 ........................... 39 Juden,

    --- 1835 ........................... 17   “  ,

    --- 1858 ........................... 23   “  ,

    --- 1885 ........................... 42   “  ,

    --- 1890 ........................... 50   “  ,

    --- 1910 ........................... 23   “  ,

    --- 1925 ........................... 11   "  ,

    --- 1933 ...........................  6   “  ,

    --- 1938 ........................... eine Jüdin.

Angaben aus: Juden in Blomberg - Zur Geschichte einer Minderheit, S. 13

 

Pfandleihe, Viehhandel und Metzgerei bildeten bis ins 19.Jahrhundert die Haupterwerbstätigkeiten der Blomberger Juden, zu Anfang des 20.Jahrhunderts war der Land- und Einzelhandel vorherrschend. Blomberger Juden hatten sich im Laufe der Zeit immer mehr in die Kleinstadtbevölkerung integriert: so gehörten einige verschiedenen lokalen Vereinen an und waren auch als Stadtverordnete (Fabrikant Gerson Stahl) engagiert tätig.

  

Zeitungsannoncen jüdischer Geschäftsleute aus dem Jahre 1912

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch eine jüdische Familie sowie eine alleinstehende Jüdin am Ort.

Eine Meldung des „Blomberger Anzeigers“ vom 1.4.1933:

„ Die Abwehrmaßnahmen gegen die Greuelpropaganda im Ausland begannen heute vormittag. Sie setzten gestern auch in vielen lippischen Städten ein. Hier gibt es erfreulicherweise keine jüdischen Geschäfte.”

Obwohl Blomberg fast „judenfrei“ war, erließ der hiesige Bürgermeister 1935 eine Verfügung, wonach Juden aus dem öffentlichen Leben und dem Wirtschaftsleben ausgegrenzt wurden. Das bereits seit ca. 1912 nicht mehr zu Gottesdiensten genutzte und seit 1937 in private Hände übergegangene Synagogengebäude war von Zerstörungen während der Novembertage 1938 nicht betroffen. Eine noch in Blomberg lebende Jüdin wurde im Frühjahr 1940 in ein Altersheim nach Unna abgeschoben; so konnte der Bürgermeister feststellen: „Somit leben in Blomberg keine Juden mehr!”

 

Heute erinnert nur noch der jüdische Friedhof an der Reinickendorfer Straße mit seinen nur wenigen Grabstätten daran, dass in Blomberg jüdische Familien ansässig haben.

jüdischer Friedhof in Blomberg (Aufn. G., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Im Jahre 1983 wurde das ehemalige Synagogengebäude im Siebenbürgen - es war seit Ende der 1930er Jahre als Lager und Werkstatt genutzt worden - als solches „wiederentdeckt“. Als eines der wenigen Baudenkmäler des kleinstädtisch-ländlichen Judentums wurde es in den 1990er Jahren restauriert und beherbergt seitdem das Stadtarchiv. 

 

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Grugerio, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Uwe Beißner, 2014)

Seit Mitte der 1990er Jahre ist eine Informationstafel am Haus des ehemaligen Betsaals der jüdischen Gemeinde in der Siebenbürgerstraße angebracht; der Text lautet:

Ehemalige Synagoge der jüdischen Gemeinde, erbaut 1808

Synagogensaal mit Frauenempore und Thora-Schrank erhalten; kleinbürgerliche Mietwohnung im Vorderhaus.

Restaurierung und Umbau zum Stadtarchiv 1994

Im Blomberger Stadtarchiv erinnern zwei Bronzetafeln zum einen an die jüdische Familie Königheim; die bis 1937 im Ort lebte und zum anderen an Emma Lipper, die als letzte Jüdin im April 1940 aus Blomberg ausgewiesen wurde; deren Spur verlor sich auf dem Transsport von Theresienstadt ins Vernichtungslager Maly Trostinez/bei Minsk.

Seit Ende 2023 findet man an zwei Standorten in Blomberg sieben sog. „Stolpersteine“, die an Angehörige der jüdischen Familie Königheim und an Emma Lipper erinnern.

 

In den Blomberger Stadtteilen Cappel und Reelkirchen gab es bis ins ausgehende 19.Jahrhundert ebenfalls kleine jüdische Gemeinschaften; daran erinnern heute nur noch einige Grabsteine. Die wenigen in Cappel, Eschenbruch, Großen- u. Kleinenmarpe und Mossenberg lebenden jüdischen Familien errichteten in den Jahren 1844/1845 ein Bethaus in Cappel. Aufgrund des immer schwächer werdenden Besuchs wurde das Gebäude schließlich verkauft und alsbald 1896 abgerissen.

Der auf dem Meierberg befindliche Friedhof von Cappel wurde gegen Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts angelegt und bis 1921 belegt; heute sind noch 13 Grabsteine erhalten.

Blomberg - 2016-03-18 - Jüdischer Friedhof Cappel (11).jpg Blomberg - 2016-03-18 - Jüdischer Friedhof Cappel (8).jpg

Jüdischer Friedhof bei Cappel (Aufn. Ts., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Der winzige, mit einem Holzzaun umfriedete jüdische Friedhof - außerhalb des Ortes Reelkirchen – liegt auf dem Spielberg; hier sind nur noch zwei ältere Grabsteine vorhanden.

   Jüdischer Friedhof in Reelkirchen (Aufn. G., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Alois Gross (Bearb.),Juden in Blomberg - Zur Geschichte einer Minderheit, Hrg. Stadtgeschichtlicher Arbeitskreis der VHS Lippe-Ost, Blomberg 1988

Dieter Zoremba, Juden in Blomberg - Zur Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte kleinstädtischer Juden am Beispiel des Land- und Viehhandels (1850 - 1930), in: Juden in Lemgo und Lippe. Kleinstadtleben zwischen Emanzipation und Deportation, Bielefeld 1988, S. 87 - 96

J. Scheffler/H.Stöwer (Bearb.), Juden in Lemgo und Lippe: Kleinstadtleben zwischen Emanzipation und Deportation, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1988, S. 87 ff.

Peter Illisch/u.a., Die Synagoge in Blomberg. Beiträge zur Erforschung einer jüdischen Gemeinde im ländlichen Raum, hrg. vom Westfälischen Museum für Archäologie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der Stadt Blomberg, Münster 1995

Die Synagoge in Blomberg, hrg. vom Westfälischen Museum für Archäologie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der Stadt Blomberg, Münster 1995

Barbara Seifen, Die Blomberger Synagoge, neugenutzt als Stadtarchiv, in: "Denkmalpflege in Westfalen-Lippe", No. 2/1996, S. 75 - 80

Heinrich Stiewe, Hausbau und Sozialstruktur einer niederdeutschen Kleinstadt. Blomberg zwischen 1450 und 1870, in: "Schriften des Westfälischen Freilichtmuseums Detmold/Landesmuseum für Volkskunde", No. 13, Detmold 1996

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil III: Regierungsbezirk Detmold, J.P.Bachem Verlag, Köln 1998, S. 294 – 301

Barbara Seifen, Die Blomberger Synagoge neu genutzt als Stadtarchiv, in: "Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 5", Heft 2/1999, S. 75 – 80

Claudia Pohl (Bearb.), Blomberg (Neuer Friedhof), in: Jüdische Friedhöfe in Westfalen, o.O. o.J.

Dieter Zoremba (Bearb.), Blomberg, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 278 - 289 (incl. Ortsteile Cappel und Reelkirchen)

Rouven Theiß / Stadt Blomberg (Hrg.) Juden in Blomberg (zwei Teile), online abrufbar unter: blomberg-lippe.net/stadtgeschichtern/historisches-blomberg/juden-in-blomberg (Anm. u.a. Schicksal der Familie Königheim)

Silke Buhrmester (Red.), Sieben Stolpersteine für Blomberg geplant, in: „LZ – Lippe-Zeitung“ vom 25.2.2022

Silke Buhrmester (Red.), Für diese Menschen werden die ersten Stolpersteine in Blomberg verlegt, in: „LZ – Lippe-Zeitung“ vom 15.11.2023

Marianne Schwarzer (Red.), Stolpersteine finden endlich ihren Platz in Blomberg, in: „LZ – Lippe-Zeitung“ vom 1.12.2023