Bobenheim-Roxheim (Rheinland-Pfalz)
Bobenheim-Roxheim ist eine verbandsfreie Kommune mit derzeit etwa 10.000 Einwohnern im Rhein-Pfalz-Kreis – unmittelbar südlich an das Stadtgebiet Worms angrenzend (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Bobenheim-Roxheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Rhein-Pfalz-Kreis', Lencer 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
In den einst selbstständigen Rheindörfern Bobenheim und Roxheim, die zum Territorium der Fürstbischöfe von Worms gehörten, sind Juden nachweislich seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts ansässig gewesen (1771 erstmalige Erwähnung für Roxheim und 1808 für Bobenheim).
Bereits vor der Zusammenlegung der beiden Dörfer zu einer Einheitsgemeinde bildeten die wenigen jüdischen Bewohner beider Ortschaften eine gemeinsame Gemeinde, die „Israelitische Kultusgemeinde Bobenheim-Roxheim“. In den 1830er Jahren lebten die meisten Juden in Bobenheim; in den 1860er Jahren betrug der Anteil der etwa 50 jüdischen Bewohner in Roxheim ca. 3% der Gesamtbevölkerung. Ihren kärglichen Lebensunterhalt bestritten die Roxheimer Juden als „arme Leute und Betteljuden, die sich von ihrem kleinen Handel ernährten”, so eine Aussage von 1825. In einem Protokoll des Bobenheimer Ortsrats aus dem Jahr 1847 hieß es, dass „ sie (die Juden) einen guten Ruf genießen, dem Wucher nicht ergeben seien und sonst keine unerlaubten Gewerbe betreiben”. In den Jahrzehnten nach 1870 ging die Zahl der jüdischen Bewohner in Bobenheim und Roxheim kontinuierlich zurück; vor allem Worms und Frankenthal waren bevorzugte Umzugsziele.
Eine in einem Stallgebäude untergebrachte Betstube stand seit dem beginnenden 19.Jahrhundert zur Verfügung; abgelöst wurde sie durch einen Synagogenbau, der aber 1882/1883 durch Hochwasser so stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass er anschließend abgerissen werden musste. Gegen Ende der 1880er Jahre konnte die aus zwölf Familien bestehende Gemeinschaft ihre neue Synagoge - einen Backsteinbau mit Satteldach - einweihen. Mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, zur Finanzierung des neuen Gotteshauses beizutragen, hatte die Gemeinde Erfolg gehabt.
Der Aufruf erschien in der Zeitschrift „Der Israelit” in der Ausgabe vom 15. Oktober 1885:
Aufruf !
Theure Glaubensgenossen !
In Folge der Überschwemmungen im Jahre 1883 ist auch leider unsere Synagoge mit heimgesucht. Unsere Gemeinde ist durch diesen Schicksalsschlag schwer getroffen, da sie nur aus 12 Familien, die zum Theil gering bemittelt, theils aber auch arm sind, besteht. Der Neubau unseres Gotteshauses erfordert einen Aufwand von wenigstens 7.000 Mark, ein Aufwand, den unsere kleine, wenig bemittelte Gemeinde, ohne mildtätige Hilfe, aus eigenen Mitteln aufzubringen nicht vermag, da unseres Gemeinde ohnehin schon durch die Erhaltung des Kultus schwere Lasten zu tragen hat. Obwohl schon erhebliche Summen seitens der hiesigen Gemeinde zum Aufbau vorhanden, genügen dieselben doch bei weitem nicht, um auch nur den bescheidensten Anforderungen zu entsprechen. Wir sind deshalb auf die Unterstützung unserer Glaubensbrüder notgedrungen angewiesen, und wenden uns in dieser Nothlage an Ihren oft bewährten Wohlthätigkeitssinn, theure Glaubensgenossen, Gemeinden sowohl, als Vereine und Private, mit der ergebensten Bitte: Helfen Sie uns durch reichliche Gaben unser zerstörtes Gotteshaus wieder aufbauen. Wir zweifeln nicht, daß diesem Appell an die Wohlthätigkeit die verdiente Aufnahme zutheil werde und uns Hilfe respektive Unterstützung nicht versagt werden. Wir bitten, Spenden an den Vorstand dahier oder auch an unseren ehrwürd. Herrn Bezirks-Rabbiner Dr. Salvendi in Dürkheim einsenden zu wollen.
Roxheim (Pfalz), im October 1885.
Die Vorstände der Gemeinde Roxheim: Moses Fränkel. Samuel Bender.
Im Ortsteil Bobenheim gab es zwei jüdische Friedhöfe; auf dem älteren (angelegt um 1825) fanden auch Verstorbene aus den umliegenden Ortschaften Horchheim, Roxheim und Wiesoppenheim ihre letzte Ruhe. Die jüngere Begräbnisstätte wurde ab ca. 1850 genutzt und ca. fünf Jahrzehnte später erweitert.
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Frankenthal.
Juden in Bobenheim-Roxheim:
--- um 1850 ..................... 18 Juden,** ** Bobenheim
..................... 31 “ ,* * Roxheim
--- 1861 .................... ca. 50 “ ,*
--- 1885 ........................ 40 “ ,*
........................ 13 “ ,**
--- 1903 ........................ 41 “ ,*
........................ 12 “ ,**
--- 1922 ........................ 15 " ,**
--- 1932 ........................ 16 “ ,*
........................ 7 “ ,**
--- 1935 ........................ 18 “ ,*** ***Bobenheim und Roxheim
--- 1940 (Nov.) ................. keine.
Angaben aus: Bernhard Kukatzki, Steinerne Zeugnisse. Jüdischer Friedhof und Synagoge in Bobenheim-Roxheim
Da nach dem Ersten Weltkrieg die Zahl der Gemeindeangehörigen weiter abgesunken war und kein Minjan mehr erreicht wurde, löste sich die Gemeinde schließlich Ende der 1920er Jahre ganz auf.
Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch wenige jüdische Familien in der Einheitsgemeinde Bobenheim-Roxheim. Wirtschaftlicher Druck und Entrechtung lastete zunehmend auf den wenigen in Roxheim lebenden Juden, darunter zwei Kaufleuten und zwei Metzgern. In einem von der NSDAP initiierten Gemeinderatsbeschluss von 1935 hieß es:
1. Mit sofortiger Wirkung darf hier kein Jude zuziehen.
2. Kein Jude darf Grundstücke oder sonstige Liegenschaften erwerben.
3. Allen Handwerkern ist es verboten, für Juden zu arbeiten und den Geschäftsleuten untersagt, mit Juden zu verkehren ...
4. Landwirte können keine Stundung für gestundete Gemeindegefälle erhalten, wenn sie mit Juden verkehren, ihre Erzeugnisse an Juden verkaufen und von ihnen Landesprodukte beziehen.
5. Den Wohlfahrtserwerbslosen, welche beim Juden kaufen, wird die Unterstützung entzogen.
...
7. Deutsche Frauen und Mädchen, welche mit Juden verkehren, mit ihnen Auto fahren und anderes mehr, werden durch Anschlag ihres Namens gebrandmarkt.
8. Alle Judenknechte werden künftig durch Anschlag veröffentlicht und der zuständigen Stelle weitergemeldet.
Auch im benachbarten Bobenheim, wo 1935 noch fünf jüdische Bewohner lebten, sollten ähnliche Maßnahmen dafür sorgen, dass „der Jude nach und nach aus dem Handel und insbesondere mit den Landwirten ausgeschaltet” werde. Da das Synagogengebäude bereits nicht mehr in jüdischem Besitz war, blieb es vom Novemberpogrom unbehelligt. Die letzten beiden Jüdinnen Roxheims gehörten zu denen, die Ende Oktober 1940 ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert wurden.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich zehn aus Roxheim u. Bobenheim stammende Juden Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: .alemannia-judaica.de/roxheim_synagoge.htm).
Das ehemalige Synagogengebäude in der Bobenheimer Straße - mit der Jahreszahl „1889” im Portal - blieb bis in die jüngere Vergangenheit erhalten; es hatte seit vielen Jahrzehnten Wohnzwecken gedient. Da eine Sanierung des inzwischen baufällig gewordenen Gebäudes wegen der Auflagen der Denkmalschutzbehörden zu kostenintensiv gewesen wäre, ließ es der Besitzer dann abreißen und das Grundstück neu überbauen.
Seitenfront des ehem. Synagogengebäudes (Aufn. R.H.Boettcher, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
2015 wurden zwei sog. "Stolpersteine" in der Otto-Karch-Straße für Wilhelmina und Franziska Fränkel verlegt.
zwei "Stolpersteine"(Abb. aus: bobenheim-roxheim.de)
Der in der NS-Zeit geschändete jüdische Friedhof weist heute nur noch wenige Grabsteine auf; da eine große Zahl von ihnen entfernt und vermutlich zum Wegebau missbraucht wurden. Derzeit sind nur noch ca. 20 Grabsteine auf dem ca. 800 m² großen Gelände vorhanden; diese stehen aber nicht mehr an ihren angestammten Plätzen.
Jüdischer Friedhof (Aufn. Gemeindeverwaltung Bobenheim-Roxheim und R.H. Böttcher, 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Vom älteren, 1825 angelegten jüdischen Friedhof sind heute keinerlei Spuren mehr vorhanden.
Weitere Informationen:
Georg Biundo, Bobenheim-Roxheim. Aus der Geschichte einer Großgemeinde, Bobenheim-Roxheim 1973, S. 142 f.
E. Gössmann, Viel Gras wuchs über den Gräbern der Juden. Eine alte Roxheimerin erinnert sich, in: "Die Rheinpfalz - Ausgabe Frankenthal", No. 113/1980
Bernhard Kukatzki/Mario Jacoby, Der jüdische Friedhof in Bobenheim-Roxheim, Landkreis Ludwigshafen, Schifferstadt 1992
Bernhard Kukatzki, Jüdisches Leben in den Rheindörfern Roxheim und Bobenheim, Schifferstadt 1993
Bernhard Kukatzki, Juden in Bobenheim-Roxheim, Schifferstadt 1994
Bernhard Kukatzki, Steinerne Zeugnisse. Jüdischer Friedhof und Synagoge in Bobenheim-Roxheim, in: "Heimatjahrbuch Ludwigshafen 1995", S. 97 f.
Michael Schepua, Nationalsozialismus in der pfälzischen Provinz, Palatium Verlag, Mannheim 2000, S. 533 ff.
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 118/119
Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, hrg. von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 51/52
Bobenheim, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Rudolf H. Böttcher (Red.), Die hebräische Schrift ist abgeschlagen, in: „Die Rheinpfalz“ vom 29.11.2008
Auflistung der in Bobenheim-Roxheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bobenheim-Roxheim
Klaus Graber (Red.), Bobenheim-Roxheim. Erinnerungen an jüdisches Leben in den Dörfern, in: „Die Rheinpfalz“ vom 19.1.2022