Bremke (Niedersachsen)

Datei:Gleichen in GÖ-2016.svgKarte Bremke mit seinen derzeit ca. 750 Einwohnern ist seit 1973 ein Ortsteil der Kommune Gleichen im südniedersächsischen Landkreis Göttingen (Ausschnitt aus hist. Karte 'Tractus Eichsfeldiae', aus: wikipedia.org, gemeinfrei und  Kartenskizzen 'Landkreis Göttingen' und 'Ortsteile der Kommune Gleichen', NNW 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der Angehörigen der israelitischen Gemeinde Bremke ihren Höchststand; nahezu jeder 5. Ortsbewohner gehörte damals dem mosaischen Glauben an.

Ab der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts lassen sich Juden im Dorf Bremke nachweisen, die von den Herren von Uslar-Gleichen - zunächst auch ohne Genehmigung der Landesherrschaft - aufgenommen wurden. In den folgenden Jahrzehnten kamen weitere Familien (aus Hessen) hinzu, sodass sich nun eine Gemeinde bilden konnte. Dass die Judenschaft Bremkes im Laufe der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts noch weiter anwuchs und schließlich knapp 160 Personen umfasste, ist auch der Tatsache zu verdanken, dass die günstige geographische Lage zwischen Göttingen und dem Eichsfeld gewisse ökonomische Vorteile mit sich brachte.

Eine Synagoge in Bremke (in der Heiligenstädter Straße) wurde erst relativ spät eingerichtet (1828); der kleine Fachwerkbau gehörte einem christlichen Besitzer und war von diesem an die Gemeinde verpachtet worden. Im Keller eines Privathauses (ebenfalls angemietet) befand sich eine Mikwe. Eine jüdische Schule - zunächst als Religions-, später dann als Elementarschule geführt - hat es in Bremke seit Ende der 1830 Jahre gegeben; in den Jahren von ca. 1845 bis 1875 war diese in dem Nachbargebäude der Synagoge untergebracht, später in ein anderes Haus verlegt worden. Auf Grund der geringen Schülerzahl wurde die Schule in den letzten Jahren ihres Bestehens nur noch als Religionsschule betrieben, ehe sie 1914 ganz aufgelöst wurde.

Zu den Einrichtungen der Bremker Gemeinde zählte ein gegen Mitte des 18.Jahrhunderts angelegter Friedhof an der Heiligenstädter Straße; als dieser belegt war, wurde ein nördlich des Ortes gelegenes Areal am Eschenberg (am Ortsausgang Richtung Sennikerode) erworben, das seit Ende der 1830er Jahre als neue Begräbnisstätte diente; dieses Gelände wurde bis in die 1920er Jahre belegt.

Zur Synagogengemeinde zählten zeitweilig auch die Juden aus Gelliehausen und Reinhausen; seit 1877 waren auch die Juden aus Wöllmarshausen angeschlossen.

Juden in Bremke:

         --- um 1760 ....................... ca.  10 jüdische Familien,

    --- 1812 ..............................  96 Juden,

    --- 1848 .......................... ca. 165   “   (ca. 17% d. Dorfbev.),

    --- 1859 .............................. 141   “  ,

    --- 1871 ..............................  83   “   (ca. 11% d. Dorfbev.),

    --- 1895 ..............................  57   “  ,

    --- 1905 ..............................  41   “  ,

    --- 1925 ..............................  29   “  ,

    --- 1933 ..............................  26   “  ,*     *andere Angabe: 29 Pers.

    --- 1939 ..............................   6   “  ,

    --- 1940 ..............................   keine.

Angaben aus: Eike Dietert (Bearb.), Bremke, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen ..., Bd. 1, S. 350

 

Schlachter, Klein- und Viehhändler prägten überwiegend das Berufsbild der Bremker Judenschaft. Im Laufe der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts nahm die Zahl der in Bremke wohnhaften jüdischen Familien kontinuierlich ab; in den 1920er und Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch 20 bis 30 Juden im Dorf.

Schon in den ersten Jahren der NS-Zeit verließen einige Familien alsbald ihre angestammten Wohnsitze, da sie sich zunehmend auf Grund der NS-Boykottpropaganda in ihrer Existenz bedroht sahen. Gottesdienste fanden seit 1934 in einem Privathause statt, da die Synagoge nun als Zielscheibe antisemitischer Angriffe - Schmierereien und Einwerfen von Fenstern - galt.

Am Morgen des 10.November 1938 wurden die Geschäfte der Familien Meyerstein (Bremke) und Löwenstein (Gelliehausen) von einem SS-Trupp aus Göttingen verwüstet und anschließend geplündert. Lokale SA-Mitglieder setzten dann das Synagogengebäude in Brand. Noch im gleichen Jahre verließen dann die allerletzten jüdischen Bewohner Bremke und Gelliehausen. Insgesamt 22 Angehörige der ehemaligen Bremker Synagogengemeinde wurden von ihren neuen Wohnorten während der Kriegsjahre deportiert und fanden in den Ghettos/Vernichtungslagern den Tod.

Einziger baulicher Hinweis darauf, dass es ehemals in Bremke eine jüdische Gemeinde gegeben hat, ist das Friedhofsgelände am Eschenberg (Ortsausgang Richtung Sennickerode). Der Friedhof war während der NS-Zeit völlig zerstört worden: Grabsteine waren umgestürzt, zerschlagen und anschließend zum Wegebau benutzt worden. Das dann in Privathände gelangte Areal wurde nach 1945 landwirtschaftlich genutzt. Etwa 45 aufgefundene und wieder aufgerichtete Grabsteine haben heute wieder ihren Platz auf dem Gelände erhalten.



  Jüdischer Friedhof (Aufn. B., 1985, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0  und  Dehio, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

2010 wurde durch Mitglieder des Heimatvereins Bremke eine Gedenktafel am ehemaligen Hirsch‘schen Hause angebracht, die an den jüdischen Kunstmaler Hermann Hirsch (1861-1934) erinnert.

Der aus Bremke stammenden Familie Meyerstein, die 1915 nach Göttingen verzogen war, wurden dort 2016 sog. "Stolpersteine" gewidmet.

Seit 2018 findet man – mitten im Ortskern gegenüber der Kirche - eine Gedenktafel, die namentlich die 29 jüdischen Bremker nennt, die zu Beginn der NS-Zeit noch im Dorfe lebten und danach vertrieben oder deportiert/ermordet wurden.

 

 

Bereits im 15.Jahrhundert sollen angeblich vereinzelt Juden in Wöllmarshausen - zwischen Göttingen und Duderstadt gelegen - gelebt haben. Die sich um 1750 im Dörfchen gebildete jüdische Gemeinde zählte zu keiner Zeit mehr als zehn Familien; ihren Lebenserwerb bestritten sie zumeist als Viehhändler und Makler, einige auch von der Landwirtschaft. Zu gottesdienstlichen Zusammenkünften kam man in einem angemieteten Raum zusammen. Im gemeindlichen Eigentum war ein kleines Friedhofsgelände, das seit Mitte des 19.Jahrhunderts am nordwestlichen Dorfrand bestand und mit nur wenigen Verstorbenen belegt wurde. Nach dem Wegzug von vier Familien ins nahe Duderstadt (1877) lebten nur noch neun Juden am Ort; daraufhin wurde die Gemeinde aufgelöst.

Auf dem winzigen Begräbnisareal am Mühlenberg findet man neun Grabsteine.

Jüdischer Friedhof Wöllmarshausen (Aufn. Dehio, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Juden in Bremke. Vom ersten Einzug bis zur Auflösung der Synagoge, in: "Göttinger Nachrichten", November 1938 (mehrere Ausgaben)

Leopold Ziemann, Die Geschichte der evang.- luth. Kirchengemeinde Bremke (im Anhang: ‘Die Jüdische Gemeinde in Bremke’), Bremke 1978

Theodor Günther, Wöllmarshausen mit seiner Umgebung einst und jetzt, Göttingen 1979

Eike Dietert (Bearb.), Bremke, in:Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 350 – 357

Ute Richter-Uhlig (Bearb.), Wöllmarshausen, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 2, S. 1583 – 1586

Ortsverwaltung (Bearb.), Aus der Geschichte von Bremke, online abrufbar unter: bremke-gleichen.de

Gemeinde Gleichen (Hrg.), Jüdische Bevölkerung in Bremke, online abrufbar unter: gleichen.digital

Topografie der Erinnerung Südniedersachsen (Hrg.), Gleichen – Jüdisches Leben und Verfolgung, online abrufbar unter: erinnernsuedniedersachsen.de/

Rainer Driever, Hermann Hirsch (1861-1934) – Ein jüdischer Maler in Göttingen, hrg. Städtisches Museum Göttingen, Göttingen 2009, S. 7 - 29

Schüler/innen des Otto-Hahn-Gymnasiums Göttingen (Bearb.), Stolpersteine für Familie Meyerstein, in: denkmale.goettingen.de, 2016 (betr. die aus Bremke stammende jüdische Familie)

Rolf Bergmann, Die Juden in Bremke, in: Bremke – Geschichte und Geschichten, hrg. vom Heimat- u. Kulturverein Bremkertal e.V., S. 24 ff. (Anm. enthält auch eine Auflstung aller jüdischen Bewohner, die 1933-45 im Ort gelebt haben)

Jens-Christian Wagner (Red.), BREMKE – Novemberpogrome 1938 in Niedersachsen, Hrg. Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten, online abrufbar unter: pogrome1938-niedersachsen.de/bremke/

Matthias Heinzel (Red.), Gedenktafel für Bremker Juden - Bremke gedenkt der Vertriebenen und Ermordeten, in: „Göttinger Tageblatt“ vom 12.11.2018

Laura Marahrens (Bearb.), Historie des jüdischen Friedhofs in Bremke, online abrufbar unter: ortemitgeschichte.de (2024)