Dörzbach (Baden-Württemberg)

Physische Karte des Baulands Naturraum Nr. 128 (braun umrandet)Datei:Dörzbach in KÜN.svg Dörzbach mit derzeit ca. 2.500 Einwohnern ist eine kleine Kommune im Norden des Hohenlohe-Kreises – etwa 15 Kilometer südlich von Bad Mergentheim/Main-Tauber-Kreis gelegen (topografische Karte des Baulands, Abb. K. Jähne, 2009, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Hohenloh-Kreis', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Vermutlich seit der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts lebten auf Betreiben der Herren von Berlichingen einige jüdische Familien im reichsritterschaftlichen Dörzbach; nach 1601 unterstanden diese Familien den Herren von Eyb, die die Vogtei Dörzbach erworben hatte. Als Klagen über unlauteren Handel der Dörzbacher Juden laut wurden, wurde ihnen - bei Zahlung einer hohen Geldstrafe - die Vertreibung angedroht; tatsächlich wurde den hier lebenden Juden um 1690 der herrschaftliche Schutz entzogen und sie mussten den Ort verlassen. Gleichzeitig gestand man aber auswärtigen Juden zu, gegen ein jährliches ‚Erlaubnisgeld’ in Dörzbach Handel treiben zu dürfen. Um 1750 wurden erneut jüdische Familien in Dörzbach aufgenommen.

Zwischen den Dörzbacher und Hohebacher Juden bestand ein enges Miteinander; so nutzten die jüdischen Familien aus Dörzbach zeitweilig die kultischen Einrichtungen der Hohebacher Gemeinde. Gegen Ende des 18.Jahrhunderts gestand die Ortsherrschaft der hiesigen Judenschaft den Bau einer eigenen "Judenschule" zu. Seit 1822 besaß die Gemeinde in einem Wohnhaus am Schlossgraben eine Synagoge, die aber bereits nach ca. 20 Jahren durch einen größeren Neubau an der Straße nach Hohebach ersetzt wurde. An das Gebäude war bis nach 1900 ein Schulhaus angeschlossen. Das ehem. Synagogengebäude ist als Wohnhaus erhalten geblieben und steht in der Hohebacher Straße 4.

Gemeindliche Aufgaben besorgte ein Lehrer, der neben der religiösen Unterweisung der Kinder auch als Vorbeter und Schächter tätig war.

Ihre verstorbenen Angehörigen beerdigte die jüdische Gemeinde zunächst auf den Friedhöfen in Unterbalbach und in Weikersheim. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts wurde eine eigene Begräbnisstätte an der Landstraße Hohebach - Ailringen angelegt, auf der auch Juden aus Ailringen, Hollenbach, Mulfingen und Altkrautheim ihre letzte Ruhe fanden.

Seit 1832 war die Gemeinde dem Rabbinat Weikersheim zugeordnet.

Juden in Dörzbach:

         --- 1631 ...........................   6 jüdische Familien,

    --- 1752 ...........................   2     “       “    ,

    --- um 1780 ........................   8     “       “    ,

    --- 1806/07 ........................  75 Juden,

    --- 1823 ...........................  16 jüdische Familien,

    --- 1831 ........................... 131 Juden,

    --- 1843 ........................... 169   “   (in ca. 35 Familien),

    --- 1854 ........................... 156   “  ,

    --- 1860 ........................... 168   “   (ca. 14% d. Bevölk.),

    --- 1869 ...........................  58   “  ,

    --- 1886 ...........................  27   “  ,

    --- 1900 ...........................  13   “  ,

    --- 1910 ...........................   3   “  .

Angaben aus: P.Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, ... , S. 69                                

und                 G.Taddey (Hrg.), ... geschützt, geduldet, gleichberechtigt ... Die Juden im baden-württembergischen Franken ..., S. 91                        

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts hatte die Dörzbacher Judenschaft ihren zahlenmäßigen Zenit erreicht. Abgesehen von vier vermögenden Viehhändlern/Kaufleuten lebte die Mehrheit der Familien in eher bescheidenen Verhältnissen; mehr als ein Drittel galt als ausgesprochen arm und war auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten verlor die Kultusgemeinde Dörzbach durch Abwanderung die Mehrzahl ihrer Angehörigen. Regelmäßige Gottesdienste waren ab den 1890er Jahren nicht mehr möglich, da kein Minjan mehr erreicht wurde; so suchten die verbliebenen Juden Dörzbachs nun die Synagoge in Hohebach auf.

Kurz nach der Jahrhundertwende löste sich schließlich die jüdische Gemeinde Dörzbach offiziell auf; die wenigen noch verbliebenen Juden wurden der Gemeinde Hohebach angeschlossen.

                     Kurzmeldung aus dem Jahre 1930 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20383/Doerzbach%20GemZeitung%20Wue%2016091930.jpg

Das Synagogengebäude verkaufte man an die Kommune Dörzbach, die hier Schulräume einrichtete. Das Inventar der Synagoge fiel an die Hohebacher Synaagogengemeinde.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind acht aus Dörzbach stammende Juden Opfer der NS-Verfolgung geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/doerzbach_synagoge.htm).


Das ehemalige Gebäude der Synagoge in der Hohebacher Straße ist bis auf den heutigen Tag als Wohnhaus erhalten.

        http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2029/Doerzbach%20Synagoge%20150.jpg Ehem. Synagogengebäude in Dörzbach (Aufn. J. Hahn, 2004)

Im Zusammenhang einer Sanierung eines Wohnhauses wurde die ehemalige Dörzbacher Mikwe freigelegt, die unter Bauschutt verborgen war.

  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20470/Doerzbach%20Mikwe%202022%2012a.jpg freigelegtes Tauchbecken (Aufn. Jörg Waterstraat, 2022)

 

 

 

 

In Laibach, einem Ortsteil von Dörzbach, bestand eine jüdische Gemeinde bis um die Mitte des 19.Jahrhunderts; ihre Wurzeln reichen bis in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zurück, als die Herren von Muggenthal in dem verwaisten Dorf auch jüdische Familien ansiedeln ließen. Weitere zogen nach ca. 1780 zu, als die Freiherren von Racknitz ihnen ein Recht zur Ansässigkeit zubilligten. Um 1810/1820 lebten in Laibach ca. 50 jüdische Bewohner, die zumeist als Hausierer ihren kärglichen Lebensunterhalt bestritten. Ihr Wohngebiet lag in der Judengasse, die bis 1950 diese Bezeichnung trug. Hier stand früher die Synagoge (mit Schule), die nach einer Abwanderungswelle aufgegeben wurde; gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude abgerissen.

Am Kaltersberg hatte die Judenschaft um 1800 eine kleine Begräbnisstätte angelegt; zuvor hatten Beerdigungen auf dem jüdischen Friedhof in Berlichingen stattgefunden.

Jüdischer Friedhof in Laibach-Dörzbach (beide Aufn. W. Ellsässer, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Um 1860 hatten die letzten Juden die Ortschaft verlassen.

 

 

Im Dörzbacher Ortsteil Hohebach gab es ebenfalls eine israelitische Kultusgemeinde, die um die Mitte des 19.Jahrhunderts ca. 180 Angehörige umfasste.

[vgl. Hohebach (Baden-Württemberg)]

 

 

 

Die Ortschaft Mulfingen (Jagst), einige Kilometer südöstlich von Dörzbach gelegen, gehörte bis 1803 zum Hochstift Würzburg. Bis um 1870 gab es hier eine sehr kleine jüdische Gemeinde. Die Existenz von Juden in Mulfingen wird erstmals 1695 erwähnt. Die sich bildende jüdische Gemeinde, die ab ca. 1830 dem Rabbinat Weikersheim unterstand, zählte nie mehr als 35 Angehörige. Gottesdienstliche Zusammenkünfte wurden in einem Betraum abgehalten, der sich im Dachgeschoss eines Hauses befand. Um 1885 besaß Mulfingen nur noch zwei jüdische Bewohner.

 

 

Auch Ailringen, heute ein Teil der Kommune Mulfingen, war die Heimat einer kleinen jüdischen Gemeinde. Ihre Wurzeln liegen in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts, als der Deutsche Orden wenige jüdische Familien aufnahm. Planungen zur Errichtung einer Synagoge in Ailringen, die auch umliegenden Orten wie Hollenbach, Hohebach, Mulfingen als gottesdienstlicher Mittelpunkt dienen sollte, zerschlugen sich; so blieb es bei dem bestehenden Betraum. Um 1850 setzte sich die Gemeinde aus ca. 35 Angehörigen zusammen; Überalterung und Abwanderung besiegelten bereits zwei Jahrzehnte später das Ende der Ailringer Gemeinde.

 

 

In Hollenbach, ebenfalls heute ein Ortsteil von Mulfingen, lebten jüdische Familien seit Mitte des 17.Jahrhunderts; allerdings waren es stets nur wenige, die unter der Schutzherrschaft des Deutschen Ordens standen; bis 1637 war das Dorf den Grafen von Hohenlohe-Weikersheim untertänig.

An Einrichtungen verfügte die kleine Gemeinde über einen Betraum in einem Privathaus (zuletzt im „alten Kornhaus“ von Moses Baruch Schlossberger) und eine Mikwe. Zeitweise war für die religiös-rituellen Belange der Hollenbacher Judenschaft ein Religionslehrer angestellt. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die kleine Kultusgemeinde mit ca. 45 Mitgliedern ihren personellen Höchststand; Abwanderung führte dazu, dass sich um 1900 die Gemeinde auflöste. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg lebten noch drei Juden in Hollenbach.

 

 

 

Weitere Informationen:

Oberlehrer Wallrauch, Die Juden in Dörzbach (Zeitungsartikel), in: "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1.11.1929

Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 68/69, S.107 f. und S.112

Jürgen Hermann Rauser, Dörzbacher Heimatbuch, o.O. 1980

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 255

Elmar Weiss, ‘Arm an Geld und noch ärmer an Hoffnungen’ Der Lebenslauf des jüdischen Volksschullehrers Nathan Eduard Sommer aus Ailringen, in: "Zeitschrift für Württembergisch Franken", 84/2000, S. 235 ff.

Dörzbach, in: alemannia-judaica.de

Laibach, in: alemannia-judaica.de

Mulfingen, in: alemannia-judaica.de

Ailringen, in: alemannia-judaica.de

Hollenbach, in: alemannia-judaica.de

Eva Maria Kraiss/Marion Reuter, Bet Hachajim. Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Württembergisch Franken, Künzelsau 2003 (Anm.: Bild- und Textband zu den Friedhöfen)

Gerhard Taddey (Hrg.), ... geschützt, geduldet, gleichberechtigt ... Die Juden im baden-württembergischen Franken vom 17.Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreiches (1918), in: "Forschungen aus Württembergisch Franken", Band 52, Ostfildern 2005, S. 92 ff.

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 89 - 94 (incl. Ortsteile) und S. 335 ff.

Arbeitskreis Jüdischer Kulturweg. Hohenlohe – Tauber (Bearb.), Dörzbach (und weitere Orte) – Broschüre  oder  online abrufbar unter: juedischer-kulturweg.de (letzte Aktualisierung Mai 2018)